Der Jobmarkt hat sich verschoben: hin zu einem Markt der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das heißt, es gibt mehr offene Stellen als Jobsuchende – was den Druck auf die Betriebe erhöht, sich als möglichst attraktive Arbeitgeber zu präsentieren.

Da ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen auch die Anziehungskraft und Markttauglichkeit ihrer Vergütungssysteme und Zusatzleistungen – neudeutsch meist als Compensation und Benefits bezeichnet – ins Visier nehmen.

Bevor man allerdings in der Hoffnung auf interessierte Bewerberinnen aktionistisch das Füllhorn ausschüttet und weitere Vergünstigungen anbietet, sollte man sich ein paar grundlegende Fragen stellen:

Frage: Welche Benefits gibt es?

Antwort: Es gibt monetäre Benefits, wie zum Beispiel eine betriebliche Altersvorsorge, Mitarbeiterbeteiligungen, Öffi-Tickets oder Dienstjubiläumsprämien, sowie nicht-monetäre Leistungen, zu denen etwa Flexibilität bezüglich Ort und Zeit und Zeit für Weiterbildungen zählen. Zu Letzteren gehören sowohl Benefits, die in direktem Zusammenhang mit dem Job stehen wie Diensthandy und -laptop, die Kantine oder der Betriebsausflug, als auch Goodies, die die Mitarbeitenden privat nützen können: Zuschuss zum privaten Kindergarten, Gesundheitscheck, Beitrag zum Fitnesscenter oder zinsfreie Kredite etc. Laut einer Studie der Jobplattform Karriere.at wurden 2021 in den Jobinseraten am häufigsten flexible Arbeitszeiten, Aus- und Weiterbildung und gute Verkehrsanbindung als Zusatzleistung angepriesen.

Viele der Benefits sind steuerbegünstigt – und erhöhen damit letztlich das verfügbare Einkommen. Wer zum Beispiel einen Jahreszuschuss von bis zu 1000 Euro pro Kind bis zum zehnten Lebensjahr für Kinderbetreuung bekommt, muss diesen nicht versteuern. Zum Vergleich: Als Arbeitnehmerin müsste man bei einem Steuersatz von 30 Prozent circa 1430 Euro mehr verdienen, um die gleiche Leistung zu finanzieren.

Benefits sind für die Vergütung der Mitarbeitenden das, was die Kirsche für das Sahnehäubchen ist.
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Frage: Welche Benefits passen?

Antwort: Zusatzleistungen sind Teil der Gehaltspolitik, die das Warum und die Wertehaltung der Organisation genauso transportieren sollten wie alle anderen Firmenstrukturen und -prozesse. Man sollte sich auch überlegen, welchen Impact man mit den Benefits erreichen will. Wer als Firma die Welt nachhaltiger machen möchte, sollte sich also genau überlegen, welche Firmenautokategorie das Verkaufsteam und die Geschäftsführung fahren. Aber: Selbst wenn man das perfekte Benefit-Paket designt, das wunderbar in Einklang steht zu Purpose, Vision und Werten, wird die gewünschte Wirkung zunichtegemacht, wenn die gelebte Unternehmenskultur nicht zur eigentlichen Firmenphilosophie passt – oder die Benefits nicht dem entsprechen, was sich die Mitarbeiter wünschen.

Frage: Was bewirken Benefits?

Antwort: Unternehmen erhoffen sich, dass Goodies ihre Attraktivität steigern und die Mitarbeiterbindung erhöhen. Sie sollen Wertschätzung für die Belegschaft ausdrücken und ihr Engagement aufrechterhalten. Im Gegensatz zu Anreizsystemen wie Boni, Prämien und Incentives ist die Gewährung der Zusatzleistungen nicht an bestimmte Vorgaben bzw. eine Zielerreichung gekoppelt: Die Benefits sind selten abhängig von der Performance eines einzelnen Mitarbeiters oder Teams, sondern gelten leistungsunabhängig für alle Anspruchsberechtigten im Unternehmen. Bei der Wahl der Anspruchsberechtigten beginnt die Frage nach der Wirkung: Bekommen alle alle gebotenenen Benefits, oder werden die Zusatzleistungen differenziert nach Zielgruppen? So waren etwa Größe, Ausstattung und Stockwerk des Büros viele Jahre begehrte Statussymbole und wurden hierarchieabhängig gewährt. Die Arbeitgeber erwarten sich, durch diese Benefits einen Leistungsanreiz setzen zu können. Wer aber mehr die Teamleistung als den Konkurrenzkampf fördern will, wird die Verteilung der Benefits weniger differenzieren. Und will man sich als familienfreundlich positionieren, wird man eher Goodies wie Jobsharing, Elternkarenz oder Kindergartenzuschüsse in Erwägung ziehen. Organisationen im Wandel überlegen, welche Aus- und Weiterbildungen attraktiv sein können, um Lust zu machen, zukunftsrelevante Kompetenzen zu erwerben.

Frage: Was wollen eigentlich die (künftigen) Mitarbeitenden?

Antwort: Indizien geben hier auch die häufigsten Gründe für den Jobwechsel, die Karriere.at ebenso abgefragt hat. Demnach wechselt rund die Hälfte, weil sie ein höheres Gehalt will, aber bereits jeweils rund ein Viertel wünscht sich mehr Anerkennung und eine bessere Work-Life-Balance. Und circa je ein Fünftel will interessantere Aufgaben und einen Job in der Nähe zum Wohnort. Das zeigt die Relevanz von Benefits wie flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice und Weiterbildungsmöglichkeiten. Reicht diese allgemeine Erkenntnis? Was hindert ein Unternehmen daran, die Beschäftigten zu befragen, welche der möglichen Benefits sie wollen und wie wichtig ihnen diese sind? Eine ernst geführte Diskussion darüber ist deshalb so wichtig, weil sie hilft, die Unternehmenskultur auch bei der Vergütung sichtbar zu machen. Und: Das Angebot kann besser an die Wünsche angepasst werden. Ähnlich wie bei Geburtstagsgeschenken sind Zusatzleistungen, die man sich gewünscht hat, von viel höherem Wert als solche, die man gar nicht wollte.

Frage: Wie steht es um die zu erwartende Kosten-Nutzen-Relation?

Antwort: Weil die Bedürfnisse der Mitarbeitenden vermutlich sehr unterschiedlich sind, erkennt man schnell, dass ein "Cafeteria-System", in dem sich Beschäftigte die für sie passenden Benefits aus dem gesamten Angebot aussuchen können, motivierender ist als das Gießkannenprinzip – und sicher nicht teurer. Die Möglichkeit zur persönlichen Auswahl schickt ein Signal an die Belegschaft, wie sehr die individuelle Zufriedenheit für das Unternehmen von Belang ist. Eines ist klar: Niemand arbeitet für ein Unternehmen nur wegen der gebotenen Goodies. Sie aber stillschweigend zu gewähren und zu hoffen, das Angebot passe für die Mitarbeitenden, rechtfertigt die Kosten ebenso wenig. (Martina Ernst, 26.1.2022)