Die britische Regierung muss für "No Place To Hide" bisher vor allem Kritik einstecken.

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Geheimdienste und andere Sicherheitsbehörden gelten schon länger als deklarierte Gegner von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in Messengern. In den vergangenen Jahren – auch getrieben von den Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden – wurden zahlreiche Kommunikations-App nachgerüstet. Und von Haus aus auf Sicherheit getrimmte Programme wie Signal erfreuen sich wachsender Popularität.

Besonders lautstarke Opposition gegen verschlüsselte Chats kommt vom britischen GCHQ. Im Vereinigten Königreich ist kürzlich eine neue Kampagne angelaufen, mit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE) in Misskredit gebracht werden soll. Die Regierung von Boris Johnson soll sich "No Place To Hide" (sinngemäß: "Kein Ort übrig zum Verstecken") 534.000 Pfund (rund 640.000 Euro) kosten haben lassen, deckt das Rolling Stone-Magazin auf.

PR-Stunt mit Glaskasten

Engagiert wurde demnach dafür die PR-Agentur M&C Saatchi – sie ist immer wieder für die Conservative Party tätig – mit dem Ziel, die Sujets vor allem in sozialen Medien und als Fernsehwerbung während populärer Sendungen zu platzieren. Die Agentur soll sich auch einen "visuellen PR-Stunt" überlegt haben. Für diesen wollte man in einem öffentlichen Glaskasten einen erwachsenen Schauspieler und ein Kind setzen, die ihr Smartphone verwenden, während das Gals zunehmend undurchsichtiger wird. Das solle bei Zusehern ein Gefühl des Unbehagens erzeugen, da sie immer weniger davon mitbekommen, was sich im Glaskasten abspielt.

Eines der Online-Sujets der "No Place To Hide"-Kampagne

Die Argumentationsschiene ist nicht neu. Primär versucht man, E2EE als Gefahr für Kinder darzustellen, da sie die Aufklärung von Verbrechen und die Überwachung von Verdächtigen erschwere. Ein treibender Auslöser für die neue Kampagne dürften Facebooks Pläne sein, künftig auch Nachrichten beim Facebook Messenger mit sicherer Verschlüsselung zu versehen. Bisher konnten Behörden dort relativ einfach mitlesen.

Kritik auch aus Regierungsreihen

Das öffentliche Echo auf die Kampagne fiel soweit aber überwiegend negativ aus. Auch aus dem Büro des Information Officers – einer Einrichtung der Regierung – gab es eine kritische Stellungnahme. Dort betonte man die "wichtige Rolle" der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung beim "Schutz unserer Privatsphäre und Onlinesicherheit". Man sehe derzeit kein Argument dafür, nicht auf die Verschlüsselung zu setzen. Ein Verzicht würde, im Gegenteil, alle einem Risiko aussetzen – Kinder inklusive. Wenig begeister von dem Angriff auf Verschlüsselung ist naturgemäß auch die Electronic Frontier Foundation, eine Nonprofit-Organisation, die sich für digitale Bürgerrechte stark macht.

Verwundert über die Kampagne zeigt man sich weiters beim Stanford Internet Observatory. In einem Artikel für Techdirt hält man sarkastisch fest, dass eine "undurchsichtige Box mit Menschen darin" allgemein auch als "Haus" bekannt ist. Mit dem Ansprechen des voyeuristischen Triebs von Menschen zeigt man also eigentlich auf, wie wichtig die Absicherung von Kommunikation für die Privatsphäre ist.

Digitale Alchemie

"Die heimtückische Botschaft der Kampagne versteckt sich im Offensichtlichen", heißt es weiter. "Durch die Darstellung des transparenten Raumes als erstrebenswert und den undurchsichtigen Raum als düstere Abweichung von der Norm, verkauft die Regierung die Vorstellung, dass es verdächtig ist, wenn Menschen ihre eigenen, privaten Umgebungen in der physischen Welt haben." Man hofft aber, dass die Menschen das Argument durchschauen, wie eben jenen transparenten Glaskasten, statt ihre eigene Privatsphäre zu kritisieren.

Das Rolling Stone-Magazin erinnert zudem an einen Vortrag es ehemaligen Chefs des UK National Cyber Security Centre, Ciaran Martin, im vergangenen November. Dieser hatte die Wortwahl des Innenministeriums zum Thema Verschlüsselung scharf kritisiert. Die Vorstellung, dass man einerseits gesetzlich geregelten Zugang zu verschlüsselten Chats haben könne und gleichzeitig die Sicherheit von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für die Nutzer weiter gewährleistet bleibe, sei in den Augen vieler Experten nichts anderes als das "digitale Äquivalent für Alchemie." (gpi, 23.1.2022)