Die Neukundenzahl bei Netflix wächst nicht so stark wie gehofft.

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Homeoffice, Home-Entertainment, Home-Schooling, Home-Sport. Dieser aus der Pandemie heraus entstandene Rückzug in die eigenen vier Wände hat Tech-Unternehmen in den vergangenen Jahren hohe Gewinne gebracht. Laptops und Streaming-Abos waren stark gefragt.

Doch Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen – wie etwa die Wiederöffnung von Kinos oder Fitnesscentern – führen zu einer Änderung der Bedingungen. Gezeigt hat sich das schon an den Zahlen von Netflix.

Der Streamingdienst hat vor dem Wochenende für das erste Quartal 2,5 Millionen Neukunden in Aussicht gestellt. Analysten hat das enttäuscht – sie haben mit rund sechs Millionen Neukunden gerechnet. Auch der starke US-Dollar drückt die Einnahmen aus dem Rest der Welt. Die Aktie stürzte nachbörslich um rund 20 Prozent ab.

Auch der Sportgerätespezialist Peloton kam an der Börse zuletzt unter Druck. Gerüchte über einen Produktionsstopp der Geräte, über die auch Fitnesskurse abonniert werden können, haben die Aktie um 24 Prozent abstürzen lassen – Peloton hat das Gerücht dementiert, die Aktie konnte aufholen.

Angespannte Lage

Die Beispiele zeigen, wie angespannt die Lage im Tech-Sektor gerade ist. "Es zeigt sich, etwa bei Netflix, dass der Nachfrageschub während der Pandemie auf Dauer so nicht haltbar ist", sagt Monika Rosen, Börsenexpertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft. Diese Woche wird es also spannend, wenn unter anderem Tech-Riesen wie Microsoft, Intel und Apple ihre Zahlen auf den Tisch legen.

Ein Blick auf die US-Technologiebörse Nasdaq zeigt, wie angespannt die Lage im Tech-Sektor gerade ist. Der Nasdaq Composite Index hat seit Jahresbeginn bereits 13 Prozent verloren. In der Vorwoche konnte ein Tagesplus von zwei Prozent an der Nasdaq nicht gehalten werden – der Index drehte zu Börsenschluss ins Minus. Es war das erste Mal seit März 2020, dass ein Tagesgewinn dieser Größenordnung nicht gerettet werden konnte und in einem Tagesverlust endete. Für die Stimmung an der Nasdaq ist das ein schlechtes Zeichen, wird es doch von Marktexperten so interpretiert, dass die Trader das Vertrauen ein Stück weit verlieren.

In Summe wird sich nun wohl die Corona-Spreu vom Weizen trennen. Unternehmen wie etwa Telco-Anbieter, die nur ein Kernprodukt anbieten, könnten zunehmend unter Druck kommen.

Fed mischt mit

Auf dem Programm steht kommende Woche aber auch eine Sitzung der US-Notenbank Fed. Ihre Zinspolitik spielt auch in die Tech-Unternehmen herein. Die Fed hat für heuer drei Zinserhöhungen angekündigt. Die erste könnte im März – also bereits schon in wenigen Wochen – stattfinden. Zudem will die Fed einen Teil ihrer Anleihen auslaufen lassen. Sie fällt damit als Käufer dieser Papiere wieder schrittweise aus dem Markt – das Anleihenkaufprogramm der Fed endet ebenfalls im März. Damit müssen die Papiere andere Marktteilnehmer kaufen, um das Renditeniveau zu halten. Der Anstieg bei den Renditen zeigt, dass es hier noch kein Gegengewicht auf dem Markt gibt.

Für die Unternehmen bedeutet das, dass sich ihre Finanzierungsbedingungen verschärfen. Sie müssen Anlegern wieder höhere Zinsen bieten, damit diese ihre Papiere kaufen. "Der Sweetspot aus lockerer Geldpolitik und pandemiebedingter Nachfrage geht für die Tech-Unternehmen zu Ende", sagt Rosen.

Das trifft vor allem Unternehmen, deren Perspektive auf langfristiges Wachstum ausgelegt ist. Das sich ändernde Umfeld könnte auch Zukäufe und Übernahmen im Sektor befeuern. Zuletzt hat Microsoft mit der Übernahme von Activision Blizzard für Aufsehen gesorgt. Wer eine Übernahme plant, wird diese wohl noch im aktuell günstigeren Zinsumfeld angehen wollen. (Bettina Pfluger, 23.1.2022)