Hermann (Dmitry Golovnin) und die tote Gräfin (Olga Borodina).

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Bringt sich – durch diese Pique Dame – der Name der Regisseurin Vera Nemirova wieder in Erinnerung, rückt damit zugleich ein "Mangel" der aktuellen Staatsopern-Direktion ins Bewusstsein. Bis dato ist sie einen echten Skandal schuldig geblieben! Nemirova hatte ja der Ära Ioan Holender einst markante Aufreger geschenkt. Bei ihrem Macbeth begann sich bereits nach drei Minuten ein Unmutsorkan zu entwickeln, der die passable Inszenierung am Premierenabend mehrfach an den Rand des Abbruchs brachte. Unvergesslich.

Das war 2009 und beendete die Präsenz Nemirovas an der Staatsoper. Zuvor, 2007, hatte der damalige Jungstar mit dieser nun wieder aufgenommenen Pique Dame zwar auch nicht nur Sympathien auf sich gezogen. Nemirova thematisierte ja auch recht schonungslos soziale -Ungleichheit, Verwahrlosung und empathielosen Reichtum abseits jeglichen Doktor Schiwago-Kitschs.

Nun aufgefrischt, taugt die Inszenierung allerdings nicht mehr zum Skandal. Die Arbeit wirkt einfach am Puls der Zeit und als praktikables "Regiegefäß" für vokale Qualität.

Glanzvoll, ausgewogen, untensiv

Glanzvoll auch die orchestrale Seite: Wo einst Dirigent Seiji Ozawa für philharmonische Feinnervigkeit sorgte, dort animiert Valery Gergiev zu fiebrigen Klangergießungen. Das Staatsopernorchester wirkt ausgewogen, intensiv und verleiht der romantischen Tragik dunkle Noblesse. Das war große Klasse und den Stimmen eine luxuriöse Stütze.

Alexey Markov war als Graf Tomski Abendsieger, was Präsenz, Timbre und kultivierte Linienführung anbelangt. Exzellent, wenn auch mitunter leicht angespannt, Dmitry Golovnin als süchtiger, der Realität und seiner Lisa abhandenkommender Kartenspieler Hermann. Der unglücklich liebenden Lisa verlieh wiederum Elena Guseva dramatische Imposanz, wobei gegen etwas lyrische Innigkeit nichts einzuwenden gewesen wäre.

Olga Borodina sorgte mit der Autorität einer großen Gestalterin für Glanzmomente. Also: Mit dem tollen Chor und einem guten Ensemble (robust Boris Pinkhasovich als Jeletzki) wurde es eine skandalfreie Opernangelegenheit, wie aus dem Applaus zu schließen war. (Ljubiša Tošić, 23.1.2022)