Foto: Nintendo
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Als das erste Pokémon-Spiel vor 25 Jahren veröffentlicht wurde, hat sich wohl jeder gewünscht, in einer weitläufigen, offenen Welt frei herumlaufenden Pokémon zu begegnen, sie zu fangen und gegen sie zu kämpfen. Ein Vierteljahrhundert später ist dieser Wunsch wahr geworden: Pokémon-Legenden: Arceus für die Nintendo Switch ist eigentlich alles, was ein Fan sich je erträumt hat. Umso bedauerlicher, dass das Spiel nie sein volles Potenzial ausschöpft und aufgrund technischer Unzulänglichkeiten bei den ganz großen Spielrevolutionen nicht mitmischen kann.

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Mitten im Kampfgeschehen

Aber von Anfang an: Arceus macht vieles komplett anders als das bekannte Spielkonzept der Pokémon-Reihe. Man ist nicht mehr der Auserwählte, der sich ein Team von Kampfmonstern zusammenstellt, um Champ seiner Region zu werden und nebenbei ein Syndikat aus Kriminellen zu stoppen. In Arceus ist man der Auserwählte und erforscht in einer Open World, die an das feudale Japan angelehnt ist, Pokémon, die sich nicht mehr im hohen Gras verstecken, sondern frei herumlaufen. Ziel des Games ist es, den allerersten Pokédex zu füllen und, ganz dem Leitgedanken gemäß, alle zu schnappen.

Von Anfang an wird einem eingebläut, dass nicht mehr Kämpfen und Trainieren im Fokus stehen, sondern Erforschen und Fangen. Pokémon müssen nicht mehr notwendigerweise geschwächt werden, um sie zu fangen – es hilft natürlich –, es reicht manchmal ein gezielter Wurf mit einem Pokéball. Es ist einer der einnehmenden Momente im Game: Wie schleiche ich mich an das Pokémon an, ohne dass es mich sieht? Setze ich ein Item ein, um es zu mir zu locken? Es ist aufregend und neu, Puls und Nervosität steigen, als wäre man wirklich auf der Jagd. Will man sich dennoch mit den Monstern oder auch klassisch mit Trainern duellieren, erlebt man die dynamischsten Kämpfe der Seriengeschichte. Nicht nur bewegen sich die Pokémon bei ihren Attacken realistischer als je zuvor, als Trainer kann man sich währenddessen zum ersten Mal frei bewegen und das Duell von allen Seiten aus beobachten.

Ein frisches Kampfsystem

Zusätzlich haben die Entwickler von Game Freak Arceus ein abgeändertes Kampfsystem verpasst. Pokémon-Attacken lassen sich nun in einer Tempo- oder Krafttechnik einsetzen. Diese verbrauchen eine höhere Zahl an APs, beeinflussen aber auch die Angriffsreihenfolge: Eine Tempoattacke lässt das Pokémon eine weitere Attacke ausführen, eine Kraftattacke trifft den Gegner zwar härter, dafür kann es sein, dass man eine Runde aussetzen muss. Das alles ist aber natürlich wie immer auch abhängig von den Statuswerten des Pokémon.

Das neue System bringt einen notwendigen frischen, taktischen Wind in das Gameplay. Ein überlegener Gegner kann mit einer klug eingesetzten starken Attacke besiegt werden, bevor das eigene Pokémon schachmatt gesetzt wird. Falsch eingesetzt, und der Gegner schlägt erbarmungslos zweimal hintereinander zurück. Ohnehin hat man den Schwierigkeitsgrad in Arceus ordentlich angezogen. Gegnerische Monster oder Trainer schlagen nicht selten mehrere Pokémon aus dem Team. Die wohl beste Änderung: Alle jemals erlernten Attacken eines Pokémon können jederzeit nach Belieben ausgetauscht werden.

Fangen und vervollständigen

Eingebettet ist das Fangen und Forschen in eine größere Story um sogenannte Könige oder Königinnen, mächtige Pokémon, die als Wächter oder Wächterin über die jeweiligen Gebiete herrschen. Diese sind von einer mysteriösen Kraft befallen, die sie in tiefe Rage verfallen und ihre Umgebung in Gefahr stürzen lässt. Als Forschungsnovize bekommt man die Aufgabe, das Geheimnis um die Pokémon-Randale zu lüften, und sie von dem Befall zu befreien. Große Aufgabe für jemanden, der gerade einmal fünf Minuten in seinem neuen Job ist.

Als neues Forschungsmitglied des Galaktik-Trupps zieht man in die verschiedenen Regionen von Hisui, später bekannt als Sinnoh aus den Diamant- und Perl-Versionen. Von Graslandschaften über Sümpfe bis hin zu Höhlensystemen hat die unerforschte Insel alle Biosphären zu bieten. Pokémon besitzen neue Formen oder Entwicklungen, zudem erscheinen in der Oberwelt Elite-Pokémon, übergroße und übermächtige Monsterversionen, die quasi als Zwischengegner fungieren, Taktik und vor allem ein starkes Team erfordern. Und sie scheuen nicht davor zurück, den Spieler direkt anzugreifen und auszuknocken.

Um den Pokédex zu füllen, gehören bestimmte Aufgaben gelöst, das simple Fangen reicht nicht: Pokémon nachts fangen oder mit einem bestimmten Attacken-Typ besiegen, erst dann vervollständigen sich die Einträge. Je mehr komplettiert sind, desto höher steigt man im Rang des Forschungstrupps, was wiederum neue Regionen, Nebenmissionen und Belohnungen freischaltet.

Abwechslungsreiche Missionen

Die Bereiche der Open World gehen dabei nicht nahtlos ineinander über, vom Zentrum Jubelstadt aus reist man in fünf verschiedene Regionen der Insel. Sobald man die ersten Schritte macht, überwältigt einen das Gefühlt: Das ist the real deal. Pokémon in freier Wildbahn, die dich attackieren oder flüchten, die sich in der Größe unterscheiden, die in Rudeln durch die Gegenden stolzieren. Die Regionen sind dabei nicht zu groß geraten, sodass man sich nie verloren fühlt. Details wie Schiffswracks, Höhlen oder abgelegene Orte sorgen dafür, dass man jede Ecke untersucht, könnte doch alle paar Meter ein seltenes Pokémon auftauchen.

Die abwechslungsreichen Nebenmissionen sorgen dafür, dass das Fangen nicht zu ödem Grinden verkommt. Unter anderem gilt es in einer Mission für einen Expeditionskollegen drei Reishalme zu sammeln, im Gegenzug stockt der Dorfsupermarkt sein Angebot auf. In einer anderen Mission fängt man ein Waumpel für einen Wächter, das sich mit Spielfortschritt immer weiterentwickelt. Eine andere Mission schickt den Spieler, die Spielerin auf die Suche nach drei Bidiza, die sich ins Dorf geschlichen haben. Die Angst, dutzende "Zeig mir Pokémon XYZ"-Missionen erfüllen zu müssen, ist unberechtigt.

Eklatante Grafikprobleme

Arceus will zeigen, dass es die klassische Pokémon-Formel auf den Kopf stellt. So laufen die meisten Kämpfe im Spiel rein gegen Pokémon ab, nur vereinzelt tritt man gegen menschliche Gegner an. Das macht innerhalb der Story auch Sinn, da die meisten Bewohner Hisuis Respekt oder Angst vor den wilden Monstern haben. Nur fehlen im Spielverlauf die Trainer und Trainerinnen, mit denen man sich messen kann. Es ist einfach nicht das Gleiche, immer nur wilde Monster zu konfrontieren.

Nicht alles in Arceus sitzt. Die ersten Momente in der Open World erinnern an Zelda: Breath of the Wild, man blickt in die Ferne, hat das Gefühl, dass sich eine Welt mit viel Leben und Interaktionsmöglichkeiten auftut. Der Eindruck täuscht leider. Die Welt ist bereits zu Beginn deprimierend leer. Streicht man die Pokémon aus der Welt, dann findet man in der ersten Region nicht viel mehr als sammelbare Items. Will man weder kämpfen noch fangen, hat man gleich gar nichts zu tun – und das erstreckt sich über so gut wie alle Gebiete. Man muss sich eben fragen, wie lange es unterhält, immer nur zu fangen oder zu kämpfen, und ob das Spiel in dieser Form in ein paar Jahren noch immer einen hohen Wiederspielwert hat.

Ja, es gibt Dörfer und spärlich gesäte NPCs, aber selbst die machen die Welt nicht wirklich lebendiger. Spricht man zum Beispiel eine Figur an, dann dreht sie sich nicht einmal zum Spieler. Hinzu kommt, dass sie wie in die Umgebung hineingesetzt wirken. Dasselbe gilt teilweise für die Pokémon auch. Mag es an der Sättigung der Monster liegen oder daran, dass die Entwickler sie gezielt stärker von der Umgebung hervorheben wollten – in Situationen wirken sie einfach unorganisch und fremd.

Besonders grafisch überrascht Pokémon-Legenden: Arceus – nämlich wie schrecklich es stellenweise ist. In vielen Situationen ist man einfach baff über die lieblose Gestaltung oder die fehlenden Details, die ein Nintendo-Game eigentlich ausmachen. Flache Texturen, Grafikfehler und stockende Animationen sind häufiger, als einem lieb ist. Im Docking-Mode fällt die Framerate vor allem bei Kämpfen öfter, etwas besser spielt sich das Game im Handheld-Modus. Bezaubernde Sonnenuntergänge oder eine idyllische Szenerie im Reisfeld können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem Spiel entweder an mehr Budget gefehlt hat oder an Entwicklungszeit. Vergleicht man Arceus mit dem fünf Jahre alten "Breath of the Wild", wundert man sich schon, welche Rückschritte man grafisch gemacht hat und auch wie leer eine Open World wirken kann.

Fazit

Pokémon-Legenden: Arceus ist extrem ärgerlich: Das Switch-Spiel besitzt alle notwendigen Komponenten, um eines der besten Spiele aller Zeiten zu sein. Die offene Spielwelt, eine ausgewogene Auswahl an Pokémon-Arten, abwechslungsreiche Nebenmissionen – und ein Gefühl von Freiheit und Möglichkeiten in der Pokémon-Welt. Arceus spielt mit unserer emotionalen Bindung zur Serie, unseren jahrelangen Hoffnungen und Wünschen nach einem immersiven Pokémon-Erlebnis. Aber das Endergebnis kann nicht alles erfüllen: Grafisch ist das Spiel eine Enttäuschung, das kann man nicht schönreden. Die Welt ist leer und von den Tätigkeiten her wenig abwechslungsreich.

Arceus ist dennoch eines der besten Pokémon-Games, weil es sich nach mehr als 25 Jahren der klassischen Pokémon-Formel endlich etwas Neues traut. Es ist kein perfektes Experiment für Nintendo, aber die Änderungen sind erfrischend, das Konzept zeitgenössisch und vor allem zukunftsträchtig. Arceus weist den richtigen Weg für die Pokémon-Reihe. Das nächste Game wird dann ein Meisterwerk, das Pokémon-Spiel, das wir uns immer schon gewünscht haben. Pokémon-Legenden: Arceus ist es nur fast. (Kevin Recher, 28.1.2022)