Die Delegation der Taliban führt am Montag Gespräche mit Vertretern der USA, der EU und mehrerer europäischer Länder wie Frankreich und Deutschland.

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Oslo – Erstmals seit der Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan haben sich am Montag in der norwegischen Hauptstadt Oslo westliche Vertreter mit einer offiziellen Delegation der Islamisten auf europäischem Boden getroffen. Zum Auftakt kam die von Außenminister Amir Khan Muttaqi geführte Taliban-Delegation mit Vertretern der USA, der EU und mehrerer europäischer Länder wie Frankreich und Deutschland zusammen. Die Gespräche finden hinter verschlossenen Türen statt.

Im Mittelpunkt der Gespräche stehen die Menschenrechtslage sowie die humanitäre Krise in Afghanistan. Auch die Situation von Frauen in Afghanistan steht ganz oben auf der Agenda der Gespräche. Seit der Machtübernahme der Taliban im August nach 20 Jahren Kampf gegen die von den USA und Nato-Truppen gestützte Regierung hat sich die humanitäre Notlage in Afghanistan massiv zugespitzt. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in dem Land Millionen Menschen von Hunger bedroht.

Angesichts der Krise hatte der UN-Sicherheitsrat im Dezember einstimmig die Ermöglichung humanitärer Hilfen für Afghanistan beschlossen. Allerdings soll die Hilfe nicht direkt in die Hände der Islamisten geraten.

Keine offizielle Anerkennung

Bisher hat kein Land die Taliban-Regierung offiziell anerkannt. Auch die Gespräche in Oslo bedeuteten "keine Legitimation oder Anerkennung der Taliban", betonte Norwegens Außenministerin Anniken Huitfeldt vor Beginn des Treffens. Aber "wir dürfen nicht zulassen, dass die politische Situation in eine noch schlimmere humanitäre Katastrophe mündet". Die Taliban ihrerseits hatten vor Beginn der Gespräche die Hoffnung auf verbesserte Beziehungen zum Westen bekundet.

Bereits am Sonntag war die Delegation mit Vertretern der afghanischen Zivilgesellschaft zusammengekommen. Eine der Teilnehmerinnen, die Frauenrechtsaktivistin Jamila Afghani, sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei ein positives Treffen gewesen. Die Taliban "zeigten guten Willen. Mal sehen, was sie ihren Worten folgen lassen werden", sagte sie weiter.

Bei den Gesprächen wurde auch das Schicksal von zwei vermissten afghanischen Frauenrechtsaktivistinnen zum Thema. Ein Taliban-Vertreter sagte dem norwegischen Sender NRK am Montag, die Islamisten hätten die Frauen nicht festgenommen und hielten sie auch nicht gefangen. Die UN-Mission in Afghanistan hatte sich am Samstag auf Twitter besorgt über das Verschwinden der Aktivistinnen gezeigt, die Berichten zufolge Mitte der Woche aus ihren Häusern entführt worden sein sollen.

Internationale Kritik und Proteste

International stieß das Treffen auch auf Kritik. Sowohl in Oslo als auch vor norwegischen Botschaften im Ausland protestierten Afghaninnen und Afghanen, da sie sich verraten fühlten.

Norwegen ist in der Vergangenheit immer wieder als Vermittler bei Konflikten in anderen Ländern aufgetreten, zuletzt unter anderem bei dem in Venezuela. Auch mit den Taliban steht das skandinavische Nicht-EU-Land seit Jahren im Dialog. Eine norwegische Delegation reiste kürzlich für Gespräche über die schwierige humanitäre Lage in Afghanistan nach Kabul. (APA, 24.1.2022)