In Sachen IT und Pandemie fehlt es an Vorausschau.

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Die technische Infrastruktur zum Pandemiemanagement steht am Rande ihrer Möglichkeiten. Mal wieder. Viel zu spät erfahren die Landesbehörden von Infektionen. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sieht die Problematik beim Elektronischen Meldesystem (EMS). Das zentrale Corona-Register wird zur Verwaltung von Infektionen genutzt – und kämpft immer wieder mit Problemen. Getan hat sich in den letzten Monaten dennoch kaum etwas.

Widerspruch

Das Gesundheitsministerium selbst gibt an, dass das EMS nicht der Grund für die aktuellen Ausfälle sei, Hacker ärgert sich hingegen darüber, dass angeblich Falschmeldungen verbreitet würden. Aussage gegen Aussage also, fest steht jedenfalls: Der Hut brennt. Schon wieder.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass das EMS schlicht und einfach nicht für die aktuelle Situation konzipiert ist. Kein Wunder: Als es die Behörden entwickelten, hatten sie meldepflichtige Krankheiten wie Salmonellen im Kopf. Die Zahl der jährlichen Infektionen, die damals dokumentiert werden sollten, ist heute mit dem Coronavirus in weniger als einer Woche erreicht.

Die Lage verschlafen

Allerdings ist umso verwunderlicher, dass es bis heute – nach fast zwei Jahren Pandemie – keine ordentliche Lösung gibt. Nun hat das Gesundheitsministerium angekündigt, das EMS neu zu konzipieren. Bisher mit wenig Erfolg: Im Ministerium heißt es lediglich, dass die notwendigen Gremien eingerichtet wurden. Bis die Entwicklung also abgeschlossen ist, dürfte es noch Monate dauern.

Dabei hätte bereits im Sommer klar sein sollen, dass die Zahlen im Winter in die Höhe schnellen werden – Omikron hin oder her. Stattdessen hat die Regierung, einmal mehr, die Lage verschlafen. Ein neues System ist erst seit November in Arbeit – und das auch nur, weil das alte so ausgelastet ist, dass negative Tests gar nicht mehr eingetragen werden können.

Wiederkehrende Problematik

Diese fehlende Vorausschau lässt sich bei zahlreichen IT-Projekten der Regierung beobachten. Das EMS mag zwar das gravierendste sein, ein weiteres aktuelles Beispiel ist aber die Impfpflicht. Statt automatisierten Abgleichs mit dem Impfregister wird zunächst die Polizei stichprobenartig die Einhaltung der neuen Regeln kontrollieren.

Der Grund dürfte darin liegen, dass die technische Infrastruktur nicht rechtzeitig fertig wird. Verantwortliche Stellen waren nicht zugezogen worden. Denkt man weiter zurück, brachte die Pandemie zahlreiche weitere IT-Pannen: Etwa das "Kaufhaus Österreich" oder die "Stopp Corona"-App.

Lernt endlich daraus

Nun müssen Politikerinnen und Politiker keine Fachexperten sein. Allerdings würde es ihnen nicht schaden, mit diesen Rücksprache zu halten – oder überhaupt mit den eigenen Beamten in Kontakt zu treten. Diese zeigten sich in der Vergangenheit immer wieder kundig, aber auch kritisch über das Vorgehen der Ministerien.

Die Behörden sollten aus ihrem Scheitern eine Lehre ziehen. Es wäre angebracht, alle Bereiche des E-Government in einer Gesamtrechnung kritisch zu begutachten, am besten in Zusammenarbeit mit einer unabhängigen Stelle. Man denke etwa an die Ministerien-Websites, die bis heute nicht auf einem modernen Stand sind. Oder aber die Digitalisierung im Gesundheitswesen, wo teilweise noch immer mit Stift und Papier gearbeitet wird. Die Digitalisierung hat definitiv noch nie zu den Kernkompetenzen der Politik gehört. Die Pandemie legt das lediglich offen – und zwar schonungslos. (Muzayen Al-Youssef, 24.1.2022)