Vor dem Höchstgericht von Großbritannien demonstrierten den ganzen Tag über Unterstützerinnen und Unterstützer von Assange.

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Im Kampf gegen seine Auslieferung an die USA hat das Londoner Appellationsgericht am Montag dem Wikileaks-Gründer die Anrufung des britischen Supreme Court erlaubt. Dabei geht es um die Verlässlichkeit von Garantien, mit denen Washington die Gesundheit des psychisch labilen 50-Jährigen sicherstellen will. "Wir haben gewonnen", sagte die Anwältin Stella Moris, die mit Assange zwei Söhne hat. "Aber von Gerechtigkeit sind wir in diesem Fall weit entfernt."

Das Londoner Bezirksgericht hatte vor Jahresfrist die Auslieferung des depressiven und suizidgefährdeten Aktivisten verweigert, dem die USA schwerwiegenden Verrat militärischer Geheimnisse zur Last legen. Neben Assanges fragilem Gesundheitszustand spielten für die Entscheidung die Schilderungen der harschen Haftbedingungen in US-Gefängnissen eine entscheidende Rolle. Weil Washington Einspruch einlegte, musste sich im vergangenen Herbst das Appellationsgericht mit dem Fall befassen.

Nach Australien überstellt

Dem Präsidenten sämtlicher Gerichte in England und Wales, Lord Chief Justice Ian Burnett, sowie dessen Kollegen Lord Justice Timothy Holroyde legten die US-Vertreter dabei mehrere "feierliche" Versprechungen vor. Der Wikileaks-Gründer werde nicht, wie von der Verteidigung gefürchtet, in Einzelhaft sitzen müssen; auf ihn würden nicht die berüchtigten "speziellen Behandlungsmethoden" (SAM) à la Guantánamo Bay angewandt; weder die Untersuchungs- noch die mögliche Strafhaft werde er in einem Hochsicherheitsgefängnis absitzen müssen. Sollte es zu einer Verurteilung wegen Computer-Hackings und Spionage kommen, werde Assange zur Verbüßung der Strafe in seine australische Heimat überstellt.

Die Versprechen der US-Vertreter wurden von Amnesty International als "von Grund auf unseriös" bezeichnet. Hingegen ließ sich das Richterduo überzeugen. Ihnen zufolge hätte die Bezirksrichterin dem Auslieferungsbegehren stattgeben müssen, wenn ihr die Garantien vorgelegen hätten. Assanges Verteidiger stellten diese Argumentation auf den Kopf und fragten, ob es überhaupt zulässig sei, in ein einmal begonnenes Verfahren neue "Garantien" einzuführen. Das sei eine "relevante rechtliche Frage", gaben die Appellationsrichter nun zu; ob der Supreme Court sich damit befassen wolle oder nicht, überlasse man diesem Gremium.

Der australische Aktivist beschäftigt die Londoner Gerichte seit 2010, als zunächst Schweden seine Auslieferung wegen angeblicher Sexualdelikte forderte. Nachdem letztinstanzlich der Supreme Court der Überstellung zugestimmt hatte, flüchtete Assange 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London.

Knapp sieben Jahre später konnte Scotland Yard ihn in der Botschaft festnehmen, anschließend verbüßte er eine knapp einjährige Haftstrafe wegen seines Verstoßes gegen die Kautionsauflagen. Inzwischen sitzt er seit beinahe drei Jahren im Gefängnis Belmarsh im Osten von London.

Schwere Kriegsverbrechen ans Tageslicht

Wikileaks hatte 2010 und 2011, teilweise in Zusammenarbeit mit renommierten Medien wie der "New York Times", dem "Guardian" und dem "Spiegel", US-Geheimdokumente veröffentlicht. Durch die Veröffentlichungen kamen schwere Kriegsverbrechen US-amerikanischer Soldaten in Afghanistan und im Irak ans Licht. Viele Delikte blieben bis heute ungeahndet. Inzwischen haben sich viele der Medien, die ursprünglich vertrauensvoll mit Assange zusammengearbeitet hatten, von seinen Methoden distanziert. An der unerbittlichen strafrechtlichen Verfolgung durch Washington hat auch der zweifache Präsidentenwechsel nichts geändert.

Europäische wie australische Politiker haben sich immer wieder für Assange eingesetzt. Der Vizepremier von Canberra, Barnaby Joyce, zog das Auslieferungsverfahren in Zweifel: Der Aktivist solle entweder in England vor Gericht gestellt oder in seine Heimat überstellt werden.

Anthony Albanese, Labour-Oppositionsführer, glaubt sogar, Assanges Haft soll enden. "Irgendwann kommt der Punkt, wo man sagt: Jetzt reicht es." (Sebastian Borger aus London, 25.1.2022)