Die grüne Jugendsprecherin Barbara Neßler will Leistungsdruck rausnehmen.

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Sollen Schülerinnen und Schüler im dritten Corona-Frühsommer eine mündliche Matura ablegen müssen oder nicht? Um diese Frage ist ein ziemlicher Streit entbrannt – auch ÖVP und Grüne sind sich nicht wirklich einig. Für Mittwoch kündigte die SPÖ-nahe Aktion kritischer SchülerInnen (AKS) einen Großstreik in mehreren Bundesländern gegen die verpflichtende mündliche Matura an. Unterstützung für ihr Anliegen kommt vonseiten der Grünen.

"Man muss sich die psychosoziale Situation der Jugendlichen anschauen, da macht es wenig Sinn, gerade jetzt den Leistungsdruck zu erhöhen", sagt die grüne Jugendsprecherin und Nationalratsabgeordnete Barbara Neßler. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) will hingegen an der verpflichtenden mündlichen Reifeprüfung festhalten. Auch Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) hatte in einem "ZiB 2"-Interview betont, man solle den Schülern "wieder etwas zutrauen" und die mündliche Matura verpflichtend durchführen. Dadurch werde ein "Schritt zurück in die Normalität" ermöglicht.

Pandemischer Stress

"Leider gibt es aber noch keine Normalität in den Schulen", sagt dazu Neßler. Die Bildungssprecherin der Grünen, Sibylle Hamann, ist in ihrer Analyse etwas vorsichtiger: "Ich verstehe es gut, dass sich Jugendliche massiv gestresst fühlen", sagt sie. Hamann hält die Entscheidung über die mündliche Matura aktuell aber noch für verfrüht: "Man muss erst schauen, wie sich die kommenden Wochen an den Schulen entwickeln."

In den vergangenen beiden Jahren fand die mündliche Reifeprüfung ausschließlich freiwillig statt. Wer nicht antreten wollte, bekam in dem betreffenden Fach die Note der Abschlussklasse ins Maturazeugnis. Auch dieses Jahr soll es diverse Erleichterungen für Maturantinnen und Maturanten geben. So wurden etwa Stoffgebiete eingeschränkt.

Der Gruppe Yeswecare, die im Dezember das Lichtermeer zum Gedenken an die Corona-Toten veranstaltet hat, reicht das nicht: Mitinitiator Daniel Landau forderte am Montag einen "Notstopp" für Schulen. "Schüler und Lehrer sind wegen Omikron und dem nahenden Semesterende doppelt unter Druck", sagt Bildungsexperte Daniel Landau. Die Schulen sollten seiner Ansicht nach auf Distance-Learning umstellen – mit der Option auf freiwillige Betreuung in der Schule. Außerdem sollten dieses Semester keine Prüfungen mehr stattfinden, findet Landau.

"Es ist eine Verkennung der Realität, zu behaupten, wir wären nicht gefordert", sagt Mati Randow, Schülersprecher des Wiener Gymnasiums Rahlgasse, der die vergangenen Protestaktionen mitorganisiert hatte. Der aktuelle Jahrgang sei im Vergleich zu jenen davor sogar mehr belastet, weil die Schüler schon zwei Jahre mit der Pandemie umgehen müssen. Aus seiner Sicht brauche es langfristige Konzepte für einen sicheren Schulbetrieb, mit drei PCR-Tests pro Woche, Luftfiltern und Maskenpflicht. "Solange das nicht gegeben ist, wird man immer wieder über das Öffnen und Schließen der Schulen diskutieren müssen."

In der Regierung stehen Schulschließungen derzeit nicht zur Diskussion. "Unser Ziel ist es, so viel wie möglich Präsenzunterricht zu ermöglichen", sagt Hamann. (Johannes Pucher, Katharina Mittelstaedt, 24.1.2022)