Barbara Blaha hat das Momentum-Institut aufgebaut. Medien zitieren die Analysen des Thinktanks gern.

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Gut 900.000 Euro sind es also gewesen, die das Momentum-Institut 2020 an Zuwendungen von der Arbeiterkammer erhalten hat. Diese öffentlich zugängliche Information in einem Tätigkeitsbericht der Wiener Kammer sorgte für einige Aufregung in sozialen Medien. Momentum ist ein 2019 gegründeter Thinktank, der nach eigenen Angaben die "sozialen und wirtschaftlichen Interessen der vielen" fördern möchte und von "Parteien und Konzernen" unabhängig sein will.

Momentum macht dazu wirtschaftspolitische Analysen aller Art, etwa zu den Corona-Hilfen der Regierung. Institutsgründerin Barbara Blaha selbst war einst für den Verband Sozialistischer StudentInnen aktiv, unter anderem als Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft. In ihrer Funktion als Momentum-Chefin pocht sie aber heute auf die inhaltliche Unabhängigkeit des Instituts.

Bei einem Jahresbudget von rund 1,6 Millionen Euro kam aber zuletzt mehr als die Hälfte der Zuwendungen des Thinktanks von der Arbeiterkammer. Was sagt das über die angebliche Unabhängigkeit aus – und ist es legitim, wenn die Arbeiterkammer dafür zahlt?

Losgelöst hatte die Debatte Neos-Abgeordneter Gerald Loacker. Loacker wollte von dem fachlich zuständigen Arbeitsminister Martin Kocher wissen, wie viel Geld von der Arbeiterkammer zu Momentum fließt. Loackers Vorwurf: Der Thinktank steche durch "klassenkämpferische und parteipolitische Beiträge" hervor. Sei es da legitim, wenn die Arbeiterkammer diese Tätigkeit finanziere, noch dazu, wo die Kammer von sozialdemokratischen Gewerkschaftern dominiert wird? Brisanz gewann die Sache, weil Momentum der "Presse" keine Angaben zu einzelnen Zahlungen machen wollte. Im Jahresbericht sind nur allgemein Sponsoren genannt, die mehr als 5000 Euro beitragen. Über Summen schwieg man.

Der Medienlogik folgend

Die ganze Episode ist eine Gelegenheit, um über den Umgang mit Denkfabriken in Österreich zu diskutieren, die Interessenvertretungen, Parteien oder Unternehmen nahestehen.

In den vergangenen Jahren sind einige Thinktanks entstanden oder haben Aufwertung erfahren, die eindeutig Interessensphären zuordenbar sind. Da ist die unternehmernahe Agenda Austria oder auch Eco Austria, deren größter Geldgeber die Industriellenvereinigung ist. Eco ist zwar schon älter, hat aber durch die neue Leitung unter der Ökonomin Monika Köppl-Turyna an Profil gewonnen. Auf der anderen Seite steht Momentum.

Warum fördern Interessenvertretungen Thinktanks? In der Medienlogik sind Analysen dieser Institute oft interessanter, als wenn die Publikationen direkt von den Vertretungen stammen. Die Institute können wirtschaftspolitisch relevante Themen aufgreifen und selbst analysieren und bewerten.

Da Kammern gewählte Selbstverwaltungskörper sind, dürfte klar sein, dass zum Beispiel die Arbeiterkammer Momentum fördern kann, wenn sie glaubt, dass damit den Interessen der Arbeitnehmer gedient ist. Diese Interessen zu fördern ist der Auftrag der Arbeiterkammer. Dass Momentum einen Debattenbeitrag leistet, ist zudem unzweifelhaft: Das Institut wird oft und gern medial zitiert.

Außer Streit sollte aber auch stehen, dass keiner der erwähnten Thinktanks von Streitparteien in der Wirtschaftspolitik unabhängig agiert. Agenda Austria hat ein Jahresbudget von 1,7 Millionen Euro. Die Finanziers sind Stiftungen, Banken, Industrieunternehmen. Laut der Denkfabrik trägt keiner dieser Sponsoren mehr als sieben Prozent zum Budget bei. Das ist die Höchstgrenze. Agenda nennt aber auch keine exakten Summen. Momentum seinerseits wird eine Nähe zu Kammern und Gewerkschaften (der ÖGB war noch 2019 ein großer Sponsor) und damit zur Sozialdemokratie nicht leugnen können – und sollte es auch nicht. Auch wäre Transparenz wichtig, es sollte niemanden schaden, die Zahlungen von sich aus offenzulegen.

Als Auftragswerk abgetan

Ein anderer Aspekt sollte auch nicht untergehen. Zu wissen, wer Geldgeber sind, ist nie verkehrt, um Studien kritisch lesen zu können. Allerdings kann es zur Delegitimation von Standpunkten nicht reichen zu wissen, wer etwas finanziert hat.

Diese Erfahrung müssen aber die erwähnten Institute in Österreich machen. Unter Linken werden Publikationen der Agenda Austria zum Beispiel oft als Auftragswerke von Unternehmen abgetan. Kritiker müssen sich dann mit den Thesen inhaltlich gar nicht mehr auseinandersetzen. Das ist schade, zumal es überhaupt nicht gesagt ist, dass ein Geldgeber auf Analysen Einfluss nimmt.

Große Geldgeber gibt es übrigens auch bei den etablierten Wirtschaftsforschungsinstituten Wifo und IHS. Von 13,6 Millionen Euro Jahresbudget des Wifo stammen 4,2 Millionen Euro vom Finanzministerium, ein großer Teil davon ist für Auftragsforschung. Auch beim IHS ist das Finanzministerium der größte Geldgeber, das Budget lag dort zuletzt bei um die zehn bis elf Millionen Euro. Auch die Sozialpartner sind beim Wifo engagiert. Aber auch hier gilt: Für den Wert der Arbeit sollte die Qualität entscheidend sein. (András Szigetvari, 25.1.2022)