Foto: EPA/SASCHA STEINBACH

PRO: Strafgelüste wegschieben

von Gerald John

Es gibt jeden Grund, auf Impfgegner sauer zu sein. Wer die schutzbietenden Stiche scheut, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch die Mitbürger. Im Herbst ist Österreich in einen Lockdown geschlittert, weil in den Spitälern überproportional viele Ungeimpfte lagen.

Doch eine Überlastung des Gesundheitssystems – entscheidendes Kriterium für Einschränkungen in der Pandemie – zeichnet sich laut Prognose der Experten derzeit schlicht nicht ab. Obendrein ist es höchst zweifelhaft, ob der Lockdown für Ungeimpfte die Infektionskurve nennenswert dämpft. Mobilitätsdaten legen das Gegenteil nahe. Statt beim Wirt ihr Geld zu lassen, hocken sich die von der 2G-Regel Ausgesperrten offenbar einfach privat zusammen. Die Ausgangsverbote sind mangels Kontrollen sowieso weitgehend totes Recht.

Die Restriktionen mögen einige motiviert haben, sich doch impfen zu lassen, mittlerweile aber wird dieser Effekt verpufft sein. Wer bisher hart blieb, wird kaum noch nachgeben.

In besonders heiklen Bereichen wie Pflegeheimen ist 2G weiter sinnvoll, doch im Kern – Handel und Gastronomie – sollte der Lockdown für die ohnehin schrumpfende Gruppe der Uneinsichtigen vorläufig fallen. So gerecht eine Mehrheit die Maßnahme empfinden mag: Politik sollte sich an Evidenz orientieren statt an moralischen Strafgelüsten – und dass Ungeimpfte mit Samthandschuhen angefasst wurden, lässt sich nach zehn Wochen Lockdown wohl kaum behaupten.(Gerald John, 24.1.2022)

KONTRA: Fahren auf Sicht

von Pia Kruckenhauser

Der Lockdown für Ungeimpfte geht weiter. Dabei ist es wohl relativ egal, ob Ungeimpfte shoppen gehen oder nicht. Da alle Maske tragen müssen, ist eine Ansteckungsgefahr bestmöglich reduziert. Diese Maßnahme grenzt tatsächlich an Schikane aller Beteiligten.

Anders sieht die Lage bei körpernahen Dienstleistern aus, im Fitnesscenter und vor allem in Restaurants. Dort geht man nicht nur kurz rein und raus, sondern verbringt eine längere Zeit. In Lokalen sitzt man oft mehrere Stunden ohne Maske neben fremden Menschen, deren G-Status man nicht kennt. Da wären Ungeimpfte definitiv eine Infektionsquelle.

Es stimmt, auch Geimpfte können sich infizieren und andere anstecken. Deshalb sollten in diesen Bereichen die Regeln besser verschärft werden als gelockert. An allen Orten, an denen eine größere Anzahl von fremden Menschen für längere Zeit zusammenkommt, sollte eine 2G-plus-Regel eingeführt werden – also geimpft, genesen und zusätzlich getestet.

Klar vorzuziehen ist der PCR-Test, er gibt die beste Auskunft über den Infektionsstatus. Da das System aber nicht überall zuverlässig funktioniert, könnte man die Regel ausweiten auf einen Antigentest, der maximal sechs Stunden alt sein darf.

Natürlich verliert man dadurch die Spontaneität in der Freizeitgestaltung. Aber diese Spontaneität hat uns die Pandemie seit mittlerweile fast zwei Jahren ohnehin genommen. Etwas Planung für mehr Sicherheit ist weiter absolut zumutbar. (Pia Kruckenhauser, 24.1.2022)