Prinzessin wie auch Zauberer: Die Lieblinge vieler Kinder werden gewinnbringend vermarktet. Eltern haben oft Mühe, im Konsum die richtige Balance zu finden.

Foto: EPA / Andy Rain

Ob die Eiskönigin Elsa, Bibi und Tina oder Harry Potter – die Welt unserer Kinder ist voll von Helden und Heldinnen aus unterschiedlichen Medienwelten. Diese Figuren sind aber nicht nur Hauptdarsteller zahlloser über Filme, Bücher, Computerspiele oder Smartphone-Apps vermittelter Geschichten, sondern begleiten die Kleinen auch in allen Bereichen ihres Alltags: als Bild auf der Schultasche, dem T-Shirt, als Spielfigur oder Ausmalbild.

Ihre Erlebnisräume haben sich längst zu medialen Konsumerlebniswelten erweitert. Die Medienwissenschafterin Caroline Roth-Ebner von der Universität Klagenfurt hat untersucht, wie sich Kinder und ihre Eltern in diesen von wirtschaftlichen und technologischen Machtverhältnissen geprägten Räumen bewegen. Zu diesem Zweck hat sie mit über 300 Eltern eine quantitative Fragebogenerhebung durchgeführt sowie qualitative Interviews mit 13 Grundschulkindern und elf Eltern geführt.

Begleitung der Eltern

Dabei hat sich gezeigt, dass die Kinder meist nicht nur einer Medienfigur anhängen, sondern sich mehrmals pro Monat mit durchschnittlich sechs davon beschäftigen. Je nach Kontext und Zugang kann sich diese Beschäftigung durchaus positiv auf die kindliche Entwicklung auswirken.

"Tatsächlich kann man sich mit jeder dieser Erlebniswelten auf eine pädagogisch sinnvolle und erwünschte Weise beschäftigen", sagt Roth-Ebner. So erfinden viele Kinder selbst Geschichten um ihre Lieblingsfigur, malen sie, entwickeln größere Leselust oder trainieren im (Computer-)Spiel unterschiedliche Kompetenzen.

Der springende Punkt aber sei die Begleitung der Eltern, sagt die Medienwissenschafterin. "Sie können vieles abfangen und zurechtrücken – beispielsweise die oft völlig unrealistischen Geschlechterdarstellungen in manchen Geschichten."

Bildungsgrad der Eltern

Die potenziellen negativen Folgen des kindlichen Medienkonsums beunruhigen vor allem Eltern mit höherem Bildungsniveau, wie Caroline Roth-Ebner in ihrer Befragung herausgefunden hat. "Eltern mit akademischem Abschluss sind signifikant kritischer gegenüber medialen Konsumerlebniswelten als andere Gruppen", sagt die Wissenschafterin. Laut der Studie bereiten ihnen insbesondere die langen Bildschirmzeiten des Nachwuchses und die offensive Verführung zum Konsum ein berechtigtes Unbehagen.

Dazu komme die häufig beklagte schlechte Qualität der Produkte oder die Vermittlung unerwünschter Werte. "Generell bevorzugen Akademikereltern Produktionen, die einen stärkeren Fokus auf die Lesepraxis haben", sagt Roth-Ebner. Und sie sorgen dafür, dass ihre Kinder weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen.

Weniger Bildschirmzeit

So sind es bei Akademikerkindern – zumindest laut Angaben der Eltern – wochentags im Durchschnitt 2,2 Stunden pro Tag, während Volksschulkinder von Eltern mit niedrigerem Bildungsniveau über eine Stunde länger auf den Screen starren. Die befragten Akademiker gehen außerdem davon aus, dass ihr Nachwuchs vor allem über Bücher zu neuen Geschichten kommt. Die Kinder gaben allerdings Hörspiele und Fernsehen als wichtigste Quellen an, die Buben auch Computerspiele.

Während bei den Mädchen zurzeit neben der international vermarkteten Eiskönigin Elsa, Barbie oder dem Hexenmädchen Bibi Blocksberg die in Deutschland produzierten Pferde- und Freundschaftsgeschichten um Bibi und Tina besonders gut ankommen, geht es bei den Buben mehr um Wettbewerb, Abenteuer und Rätsel.

Sehr angesagt ist etwa die Jugendbuchreihe Die drei ???, die Spielfiguren von Lego Ninjago oder das Computerspiel Minecraft. All diesen Figuren und ihren Geschichten ist eines gemeinsam: Sie dienen der Vermarktung zahlloser Konsumprodukte in der Kinder-Welt.

Gefinkeltes Marketing

"Es ist ein sehr gefinkeltes, ausbeuterisches System, das die Kinder zum Sammeln und Immer-mehr-haben-Wollen animiert", sagt Roth-Ebner. Welche von den vielen medial vermittelten Figuren letztlich in die Fantasie- und Spielwelt der Kinder vordringt, hänge in erster Linie von der Peergroup ab, also von Geschwistern, Freunden und Schulkollegen. "Diese Peergroup-Effekte verstärken den Druck auf Eltern, ihre Kinder an diesen kollektiven Erfahrungen teilhaben zu lassen und ihnen Zugang zu Medien und Konsumgütern zu gewähren, auch wenn dies mit gewissen Kosten verbunden ist."

Wenn das Interesse für eine bestimmte Medienfigur erlahmt und sich eine auf neue konzentriert, müssen oft nicht nur neue Bücher, Computerspiele, Filme oder Spielfiguren erworben, sondern auch Schultasche, T-Shirts und Co ausgetauscht werden.

Anders als noch vor 20, 30 Jahren werden Geschichten heute medienübergreifend erzählt. Waren es etwa bei Pinocchio immer die gleichen Geschichten, ob sie nun über ein Buch, einen Film oder ein Hörspiel vermittelt wurden, müssen Kinder heute mehrere Kanäle konsumieren, damit sie die gesamte Geschichte erfassen können.

Soziale Medien

"Dabei spielen auch die sozialen Medien eine große Rolle", sagt Roth-Ebner. "Denn über sie können die Kinder mit ihren Helden interagieren, indem sie etwa auf Facebook einen Brief an die Eiskönigin schreiben." Dieses aktive Einbeziehen der Kinder auch über Gewinnspiele bindet sie noch enger an die Geschichten und Figuren und bringt nicht zuletzt neue Vermarktungsmöglichkeiten mit sich. Die Firmen kommen so an die Daten der Kinder und bekommen durch deren Mitwirkung zudem kostenlose Inhalte zum Veröffentlichen.

Nicht selten sind es sogar die Eltern, die Beiträge ihrer Sprösslinge hochladen. Besonders beliebt ist zurzeit etwa das Performen des Eisköniginnensongs. "Da es im kritischen Umgang mit Medien ein deutliches Bildungsgefälle gibt, sollten hier Schule und Kindergarten abfedernd wirken", sagt Roth-Ebner. Denn viele Eltern sind mit der Medien- und Konsumerziehung ihrer Kinder schlicht überfordert. (Doris Griesser, 30.1.2022)