Die von "Zackzack" veröffentlichen Chats haben nun Konsequenzen für die bisherige Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs, Eva Marek.

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Und dann war es doch nur ein Schritt zur Seite: Anders als zunächst erwartet, tritt Eva Marek, Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH) nicht zurück. Sie wird, wie das Höchstgericht am Dienstag bekanntgab, künftig aber "keine Leitungs- oder sonstigen Aufgaben der Justizverwaltung mehr ausüben." Grund ist Mareks Verwicklung in eine Chataffäre um mutmaßliche Postenschacher.

Nach Bekanntwerden der Chats hatte OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek "Konsequenzen" angekündigt. In einer Aussprache haben sich die beiden Höchstrichterinnen nun auf folgende "Konsequenzen" geeinigt: Marek bleibt Vizepräsidentin und bezieht auch weiterhin ihr bisheriges Gehalt. Ihre Verwaltungsbefugnisse, darunter die Leitung des Referats für nicht richterliches Personal, gibt sie jedoch an den zweiten Vizepräsidenten Matthias Neumayr ab. Marek, Expertin für Korruption, wird sich stattdessen wieder vermehrt um Strafrechtscausen kümmern.

Abstieg zum Aufstieg

Marek war 2014 Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien geworden. Chatnachrichten, die das Onlineportal "Zackzack" vergangenen Mittwoch veröffentlichte, legen nahe, dass die Postenvergabe parteipolitisch motiviert gewesen sein könnte. Der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) habe sich nicht für die erstgereihte Kandidatin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft, entschieden, weil sie laut "Zackzack" aus politischen Gründen verhindert werden sollte.

Stattdessen habe er Marek ausgewählt, die sich bereiterklärte, ihren besser bezahlten Job als OGH-Richterin an den Nagel zu hängen. Im Gegenzug soll sie sich erwartet haben, zwei Jahre später mit der Leitung der Generalprokuratur belohnt zu werden. Als sie dort 2016 nicht zum Zug kam, soll sie sich erbost an Brandstetter gewandt haben: "DANKE für das Einhalten unserer Gespräche und dass ich Dir aus einer ausweglosen Situation helfen durfte. SPRICH (Marie-Luise, Anm.) Nittel und Vrabl verhindert werden müssen." Brandstetter bestreitet die Vorwürfe.

Einvernehmliche Konsequenzen

Der Oberste Gerichtshof antwortete auf die Veröffentlichung der Chats nun auf seine eigene Art und Weise: via Presseaussendung und in bestem Juristendeutsch. Die Nachrichten seien "geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu gefährden". Dieses Vertrauen sei "unabdingbare Voraussetzung" für das Funktionieren des Rechtsstaats.

Eine Kündigung kommt für Richterinnen und Richter, die unversetzbar und unabsetzbar sind, freilich nicht infrage. Denkbar wäre ein Disziplinarverfahren in Fällen, in denen sich eine Richterin "grob pflichtwidrig" verhalten hat. Davon ist bisher aber keine Rede. Präsidentin Lovrek habe die Konsequenzen vielmehr "im Einvernehmen" mit Marek angeordnet, die damit weiterhin Höchstrichterin bleibt.

Marek war im Jänner 2007 mit gerade einmal 38 Jahren die jüngste Richterin am OGH geworden. Nach dem Intermezzo bei der Oberstaatsanwaltschaft kehrte sie 2018 als Vizepräsidentin ans Höchstgericht zurück. Marek gilt als ausgewiesene Korruptionsexpertin. Gemeinsam mit Robert Jerabek, dem ehemaligen Rechtsschutzbeauftragten im Justizministerium, gibt sie ein Standardwerk zu Korruption und Amtsmissbrauch heraus.

Reform bei Besetzungen

Richterinnen und Richter des Obersten Gerichtshofs werden vom Bundespräsidenten auf Empfehlung der Justizministerin ernannt. Im Vorfeld schlägt der Personalsenat des OGH drei geeignete Personen vor. Der Bundespräsident und die Ministerin sind zwar nicht an diese Vorschläge gebunden, haben sich in den letzten Jahrzehnten aber "ausnahmslos" daran gehalten, erklärt der OGH.

Dennoch sieht das Höchstgericht Reformbedarf: Vorschläge einer Personalkommission sind zwar bei der Auswahl normaler Richter vorgesehen, nicht aber bei der Präsidentin und den Vizepräsidenten. Eine unabhängige Kommission würde laut OGH den "Anschein einer Einflussnahme" bereits im Vorfeld vermeiden. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) "begrüßt" den Vorschlag, wie sie dem STANDARD mitteilte. Für die Reform bräuchte es allerdings eine Gesetzesänderung. (Jakob Pflügl, 25.1.2022)