Wenn sich die Kräne drehen, sind viele Wohnimmobilien längst an institutionelle Investoren verkauft.

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In Wien ist seit einigen Jahren eine etwas andere Art von Wohnungssuchenden unterwegs: große Investoren nämlich, die auf der Suche nach Veranlagung nicht an einzelnen Wohnungen, sondern gleich an ganzen, noch nicht einmal fertiggestellten Wohnhäusern interessiert sind und die die Wohnungen dann vermieten.

Und zwar zu stolzen Nettomieten zwischen aktuell 12 und 13,5 Euro pro Quadratmeter. Das lässt manche Marktbeobachter angesichts der großen Anzahl an Wohnungen, die in diesem Segment bereits gebaut werden, langsam daran zweifeln, dass sich dafür auch Mieterinnen und Mieter finden.

Beim Immobiliendienstleister EHL sah man das bei einem Pressegespräch am Dienstag aber entspannt: "Im Moment sehen wir schon, dass die Projekte, die verkauft wurden, auch zu den prognostizierten Sätzen vermietet werden", sagte Investmentexperte Franz Pöltl. Nachsatz: "Vielleicht sogar zu höheren." Denn die Wohnprojekte, die heute fertiggestellt werden, wurden in der Regel vor mindestens zwei Jahren verkauft. Seither haben die Mieten noch einmal angezogen.

"Der Markt ist leergekauft"

Generell habe jeder Investor Interesse daran, ein Objekt zu kaufen, das einen Cashflow erzeugt, betonte Markus Mendel, ebenfalls Investmentexperte bei EHL: "Und das nicht nur zu Beginn, sondern auch in der Zweit- oder Drittvermietung."

Die Quadratmeterpreise seien zudem nicht aussagekräftig. Denn durch kompakte Grundrisse würde heute eine 45-Quadratmeter-Wohnung so funktionieren wie früher eine 60-Quadratmeter-Einheit.

Geld für weitere Investments wäre bei Investoren genügend vorhanden. Einzig die passenden Produkte fehlen: "Der Markt ist deutlich leergekauft", sagte Mendel.

Verkauf vor Baugenehmigung

Das mache sich darin bemerkbar, dass die Wohnprojekte mittlerweile nicht mehr in Bau, sondern "deutlich vor Erhalt der Baugenehmigung" verkauft werden. Ein Nebeneffekt des institutionellen Runs auf Wohnimmobilien: Der Verkauf von Gesamtobjekten an institutionelle Käufer sei für Entwickler oft attraktiver als an Einzelverkäufer von Wohnungen. Dadurch verknappe sich das Angebot an Vorsorgewohnungen.

Insgesamt wurden 2021 laut Zahlen von EHL österreichweit 4,55 Milliarden Euro in Immobilien investiert, was einem deutlichen Plus im Vergleich zu 2020 – dem ersten Jahr der Pandemie – entsprach. Auf das erwähnte Wohnsegment entfielen 34 Prozent des Volumens. Dahinter folgten Büroimmobilien (24 Prozent). Gesucht werden hier laut Mendel Projekte in entsprechender Lage, die langfristig an einen Mieter mit Topbonität vermietet sind.

Großer Einzelhandelsdeal

Auf Platz drei kam 2020 mit 17,6 Prozent der Einzelhandel, wobei dieser Wert durch den Teilverkauf der SCS an die Großbank Crédit Agricole Assurances im Vorjahr verfälscht wurde. Einzelhandel und Hotellerie haben unter Corona und den Lockdowns bekanntlich am stärksten gelitten.

Nun ortet man bei EHL aber langsam wieder eine Rückkehr der beiden Assetklassen, zumindest steige langsam die Nachfrage wieder. "Das eine oder andere Shoppingcenter wird gedreht werden", kündigte Pöltl an: "Das spricht für eine Normalisierung."

Deutschsprachige Investoren

Großer Krisengewinner ist neben dem Wohnen auch die Logistik (10,9 Prozent), großes Thema sei hier die Innenstadtlogistik. Noch eine Folge der Pandemie: In den letzten zwei Jahren waren aufgrund immer wieder geltender Reisebeschränkungen überwiegend deutschsprachige Investoren auf dem Markt unterwegs.

Wie geht es weiter? Die Inflation lässt laut Franz Pöltl die Nachfrage nach Immobilien noch stärker steigen. Im Euroraum gebe es zudem derzeit keine Anzeichen für steigende Zinsen. Blasentendenzen sieht man bei EHL auch keine auf dem Immobilienmarkt. Ob die magische Marke von sechs Milliarden Euro, die 2019 und damit noch vor Corona umgesetzt wurden, auf dem Immobilieninvestmentmarkt heuer geknackt wird, sei offen. Man rechnet aber mit einem Wert jenseits der fünf Milliarden Euro.

Wenn die Pandemie dann irgendwann gemeistert ist, steht auch schon das nächste große Thema vor der Tür: Die Taxonomie-Verordnung der EU gilt seit vergangenem Jahr, sie bildet ein strenges Regelwerk für nachhaltige Gebäude. Die Nachhaltigkeit werde die Branche global auf viele Jahre beschäftigen und ein ausschlaggebendes Entscheidungskriterium, sind die Experten überzeugt. (Franziska Zoidl, 25.1.2021)