Michael Rother und Vittoria Maccabruni transportieren alte Krautrock-Sounds adäquat ins Heute.

Foto: Marco Lanza/Groenland

Mit Kraftwerk in deren Anfangstagen sowie später mit Neu!, Harmonia und solo ab den 1970er-Jahren zählt der deutsche Gitarrist Michael Rother zu den zentralen Musikern der sogenannten Krautrock-Szene. Wie man im derzeit vielgerühmten Buch Future Sounds – Wie ein paar Krautrocker die Popwelt revolutionierten von Christoph Dallach (Suhrkamp) nachlesen kann, mögen die Bands dieser Zeit zwar heute mitunter zu Recht in Vergessenheit geraten sein.

Die Platten von Wallenstein, Guru Guru, Embryo oder A.R. & Machines, ja selbst die Tonträger von bekannteren Acts wie Amon Düül II stellen heute hochgehandelte Sammlerobjekte dar. Abgesehen von lustigen Drogengeschichten, speziell mit LSD, bleiben aber rein musikalisch gesehen vor allem international geschätzte Namen über: Can, Faust, Tangerine Dream – und natürlich Neu! und Michael Rother.

Der Versuch, sich vom Nachkriegsmief Deutschlands, den Nazi-Eltern und der Spießigkeit zu befreien, mündete damals ganz allgemein in eine abenteuerlustige, sehr gern auch rein instrumental gehaltene Musik. Sie beschäftigte sich früh mit Repetition und rhythmischer Motorik in Kombination mit freier Improvisation. Auch angloamerikanischer Rock ’n’ Roll wurde als formale Vorgabe weitgehend abgelehnt.

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Dafür wendete man sich klassischen europäischen Musiktraditionen und natürlich einem gehörigen Schuss Romantik sowie der Entdeckung des Mischpults und der Synthesizer sowie einer experimentellen Nutzung der Tonbandmaschinen zu. Das führte speziell bei Neu!, dem kurzlebigen Duo von Michael Rother und Schlagzeuger Klaus Dinger, zu heute noch modern klingenden Klassikern wie Hallogallo oder Negativland.

Vor allem in England, wo Krautrock immer einen höheren Stellenwert als in Deutschland hatte, wurden Leute wie David Bowie hellhörig. Bei dessen Heroes spielte dann aber nicht wie geplant Michael Rother Gitarre, sondern Robert Fripp von King Crimson. Bowies Plattenfirma traute langhaarigen deutschen Spinnern, die irgendwo auf dem Land in einem halbverfallenen Bauernhof hausten, eine professionelle Arbeit dann doch nicht zu.

Zart schwebend

Nach einer schönen Solokarriere mit immer auch angenehm melodischen Alben wie Flammende Herzen oder Feuerland von Ende der 1970er-Jahre herauf bis heute verfolgt der heute 71-jährige Michael Rother eine späte, vor allem auch kommerziell erfolgreiche Karriere als gern gesehener Stargast auf Festivals. Stichwort: Vater der Moderne.

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Mit seiner italienischen Partnerin Vittoria Maccabruni veröffentlicht Michael Rother nun auf Herbert Grönemeyers Label Groenland Records ein neues Album, das auf alte Qualitäten setzt und interessiert an heutigen Sounds und Techniken bleibt. As Long As The Light kombiniert – für Instrumentalist Rother selten – Maccabrunis sparsam eingesetzten Flüstergesang mit elektronischen Beats zwischen Minimalismus und Sperrigkeit, die man sonst bei Acts wie Autechre hören kann.

Rothers Gitarre im zart schwebenden und angezerrten Tremolo-Modus kann im repetitiven Strudel noch immer romantisch werden. Das Abschlussstück Happy (Slow Burner) untermauert eine alte Meisterschaft im Bereich der herzerweiternden Spieldosenballade. (Christian Schachinger, 26.1.2022)