Bei der von der FPÖ veranstalteten Demonstration gegen Corona-Maßnahmen wurden am 20. November rund 400 Anzeigen erstattet. Zwei betrafen einen 18-Jährigen, der sich nun vor Gericht verantworten musste.

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Wien – Wenn zehntausende Menschen an einer Kundgebung gegen Corona-Maßnahmen teilnehmen, ist es natürlich eine unzulässige Verallgemeinerung, jeden und jede davon als "Schwurbler", "Rechtsextremen" oder "Hooligan" zu bezeichnen. Wes Geistes Kind mancher besorgte Bürger allerdings ist, sieht man beim Prozess gegen Mihael H., der vor Richterin Martina Hahn sitzt, da er am 20. November einen Polizisten attackiert und einen Journalisten zu nötigen versucht haben soll.

Der unbescholtene 18-Jährige bekennt sich vollinhaltlich schuldig. "Was war damals los?", will die Richterin von ihm wissen. "Vielleicht beginne ich, warum ich auf der Demo war: Weil ich Wut in mir hatte, aus familiären Gründen", erzählt der Kroate. Um die Mittagszeit habe die Kundgebung begonnen, gegen 14 Uhr "habe ich gehört, dass etwas los ist". Was das war? "Ich habe eine Gruppe Polizisten gesehen, die von Demonstranten mit Flaschen und Rauchbomben beworfen wurden", erinnert der Angeklagte sich. "Da habe ich leider beschlossen, gewalttätig zu werden." – "Weil Sie eine Wut hatten?", fragt Hahn nach. "Ja. Das ist kein guter Grund", gibt H. zu. Er habe jedenfalls einem Beamten, der sich gerade aus dem Pulk löste, einen Tritt in das Gesäß verpasst.

"Komm, schalten wir den aus!"

"Davor habe ich Leute aus Linz kennengelernt, die mochten Polizei auch nicht", schildert der Arbeitslose weiter. Als man am Ring den freien Journalisten Michael Bonvalot stehen sah, der die Szenerie filmte, habe einer aus der Gruppe gesagt: "Komm, schalten wir den aus!" Der Angeklagte bestreitet aber eine Verletzungsabsicht, als er aus vier bis fünf Meter Entfernung zwei Sprühstöße aus seinem Pfefferspray in Bonvalots Richtung abgab. "Ich wollte ihn nur erschrecken." Ihm selbst sei es egal gewesen, dass er gefilmt wird, da die Maske ihn unkenntlich machte, die anderen trugen aber keine. "Warum haben Sie es dann gemacht?", interessiert die Richterin. "Das kann ich heute nicht genau sagen."

"Warum hatten Sie eigentlich einen Pfefferspray mit?", fragt wiederum der Staatsanwalt den Teenager. "Den habe ich eigentlich immer mit. Beim Einkaufen, wenn ich fortgeh – zum Selbstschutz." – "Und vor wem wollten Sie sich bei der Demo schützen?" – "Vor anderen Menschen?" – "Aber das sind ja Gleichgesinnte!"

Regelmäßiger Protestteilnehmer

Clemens Lahner, Privatbeteiligtenvertreter des Journalisten, mag nicht recht glauben, dass H. lediglich "aus Wut" bei der Kundgebung dabei war. "Gehen Sie öfters auf solche Demos?", will er daher wissen. "Ja." – "Auch mit einem Megafon? Auf einem Video dieses Tages hört man Sie 'Wir bleiben hier! Widerstand! Widerstand!' rufen." – "Ja, das Megafon habe ich, damit man mich besser versteht." Mittlerweile sei er nicht mehr wütend, versichert der Angeklagte der Richterin. Allerdings: "Ich habe noch immer Frustration mit diesen Gesetzen. Aber das haben mehrere Millionen", ist H. überzeugt. Bei dem Polizisten sowie Bonvalot entschuldigt er sich aber für seine Handlungen.

Schlussendlich wird er zu vier Monaten bedingter Haft verurteilt, dem Journalisten muss er 100 Euro zahlen, und die nächsten drei Jahre bekommt H. einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Da er ohne Verteidiger erschienen ist, hat er automatisch drei Tage Bedenkzeit, und das Urteil ist vorerst nicht rechtskräftig. "Ich glaube, es ist gut", kündigt der Angeklagte aber an, nicht dagegen vorgehen zu wollen, der Staatsanwalt gibt einen Rechtsmittelverzicht ab. (Michael Möseneder, 26.1.2022)