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Der letzte Tag in Oslo: Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegian Refugee Council, sitzt gegenüber von Taliban-Außenminister Amir Khan Muttaqi.

Foto: NTB/Stian Lysberg Solum/via REUTERS

Die humanitäre Lage in Afghanistan stand für die Vertreter der westlichen Staaten in Oslo ganz oben auf der Liste. Drei Tage lang trafen sich die Taliban und Diplomaten unterschiedlicher Länder in der norwegischen Hauptstadt, um zum ersten Mal überhaupt auf Augenhöhe miteinander zu sprechen. Gesandte der EU, der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Italiens nahmen an den Gesprächen teil.

Freilich betonte vor allem Gastgeber Norwegen, dass das keine Anerkennung des Regimes als Regierung Afghanistans bedeute. Man aber sehr wohl besorgt angesichts der katastrophalen Lage im Land sei – der gesamten Bevölkerung, insbesondere aber von Frauen und Mädchen. Deren Rechte wurden seit der Machtergreifung der Islamisten kontinuierlich eingeengt – unter anderem ihr Zugang zum Bildungssystem und zum Arbeitsmarkt.

Humanitäre Katastrophe

Am Dienstag startete der dritte und letzte Tag der Gespräche mit einem Treffen zwischen den Taliban und der norwegischen Regierung und der Zivilgesellschaft in einem Hotel in Oslo. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wollen die Norweger die Taliban dazu bewegen, Frauen mehr an der Gesellschaft teilhaben zu lassen und humanitäre Hilfe im Land zu ermöglichen. Auch der Generalsekretär des Norwegian Refugee Council, der ehemalige UN-Untergeneralsekretär Jan Egeland, nahm am Verhandlungstisch Platz. Anschließend sollten weitere bilaterale Gespräche folgen.

Die internationale Gemeinschaft geht davon aus, dass 23 Millionen Menschen – mehr als die Hälfte aller Afghaninnen und Afghanen – unter großem Hunger leiden. Neun Millionen befinden sich bereits an der Schwelle zum Hungertod. Den Vereinten Nationen ist es gelungen, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit die Islamisten für Importe und Elektrizität zahlen können. Denn noch immer sind fast zehn Milliarden Dollar aus dem afghanischen Budget von den USA und anderen Ländern eingefroren.

Widerstand in Norwegen

In Norwegen selbst sind nicht alle erfreut, das erste Treffen des Westens mit den Taliban abzuhalten. Im norwegischen Parlament regte sich unter den Parteien Widerstand, dass der außenpolitische Ausschuss nicht ausreichend über die Gespräche informiert worden sei.

Kritik wurde ebenso laut, da Anas Haqqani Teil der Taliban-Abordnung in Oslo ist. Bis vor kurzem stand sein Name noch auf der schwarzen Liste der USA wegen der Verbindung zu Terroraktivitäten. Mittlerweile gestrichen, ist er nun Teil der politischen Taliban-Führung in der katarischen Hauptstadt Doha.

Sein älterer Bruder Sirajuddin Haqqani – einer der meistgesuchten Terroristen weltweit – war für den Anschlag auf das Serena Hotel 2008 in Kabul verantwortlich. Drei Angreifer attackierten damals das Luxushotel, in dem sich der norwegische Außenminister Jonas Gahr Støre befunden hat – nun Premierminister Norwegens. Acht Menschen wurden getötet.

Aktivisten zeigten Anas Haqqani nun bei der Polizeieinheit für organisiertes Verbrechen, der Kripos, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an. (bbl, 25.1.2022)