Schon bevor die Impfpflicht beschlossen wurde, war klar, dass es zu hunderttausenden Verfahren kommen wird. In einschlägigen Kreisen kursieren bereits konkrete Pläne.

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Er garantiere den Kollaps des Systems, schreibt ein Impfpflichtgegner in einer Telegramgruppe. Einsprüche werde es hageln, Anwältinnen und Anwälte würden demnächst Musterformulare und Verfahrenstipps ins Netz stellen, auch das garantiere er.

Die Wege, wie Gegnerinnen und Gegner der Impfpflicht das neue Gesetz umgehen wollen, sind vielfältig. Manche sind völlig aussichtslos, andere werden Unsummen an Steuergeld kosten. Manche könnten unter Umständen erfolgreich sein.

Was haben die Gegnerinnen und Gegner vor? In einschlägigen Gruppen wird mitunter geraten, einfach gar nichts zu machen, wenn man wegen der Impfpflicht gestraft wird. Das kann ab Mitte März bei Stichprobenkontrollen und später eventuell automatisiert geschehen. Das ist aber kein Freibrief: Erstens kann man immer wieder, bis zu viermal im Jahr, gestraft werden. Zweitens kann man, selbst wenn Ersatzfreiheitsstrafe und Beugehaft ausgeschlossen wurden, zumindest gepfändet werden.

Und drittens ist damit das Verfahren abgeschlossen und somit auch nach etwaigen höchstgerichtlichen Urteilen unaufhebbar, wie Verfassungs- und Verwaltungsjurist Bernd-Christian Funk sagt.

VfGH-Entscheid wohl im Winter

Anders ist das, wenn man Einspruch erhebt, auch dazu wird bereits von selbsternannten Expertinnen und Experten geraten – grundsätzlich ein legitimes Mittel, wenn man sich zu Unrecht bestraft sieht. Wird da der gesamte Instanzenzug ausgeschöpft, dauert das Monate. Und daher voraussichtlich länger – bis sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit der Impfpflicht beschäftigen wird. Das wird wohl im Oktober, spätestens im Dezember der Fall sein. Dass die Impfpflicht an den VfGH gehen wird, ist bereits klar. So kündigte etwa die FPÖ Oberösterreich an, diesen Weg zu beschreiten zu wollen.

Lässt der VfGH einen oder mehrere dieser Anträge zu, gilt es als unwahrscheinlich, dass er das gesamte Gesetz kippt, wie Expertinnen und Experten schätzen. Sehr wohl aber könnten einzelne Bestimmungen vom VfGH "nicht goutiert werden", sagt Funk, etwa jene, dass die Strafe mit einem Einspruch höher werden kann. Der VfGH kann dann seine Entscheidung auf alle Fälle, die momentan laufen, ausweiten – also auch auf jene, die sich nicht einem Beschwerdeverfahren angeschlossen haben.

Nun zum Aber: "Wer es auf ein Verfahren ankommen lässt, muss auch damit rechnen, dass der VfGH nicht in seinem Sinne entscheidet", sagt Funk. Und das kann teuer werden: Trotz Beschwerde kann man mehrere Verfahren parallel laufen haben. Verliert man sie, sind im schlimmsten Fall über 18.000 Euro zu zahlen, rechnet Verwaltungsjurist Peter Bußjäger vor – das ergibt sich aus vier Mal Höchststrafe plus die Verfahrenskosten.

Doch auch auf Geimpfte kommen Kosten zu – in Form von Behörden- und damit Steuergeldaufwand. Die Regierung beziffert die Mehrkosten durch Gerichtsverfahren allein für heuer auf 112,5 Millionen Euro zusätzlich. Verwaltungsbehörden gehen davon aus, dass der Betrag noch höher sein wird. Im Verwaltungsgerichtshof (VwGH) rechnet man mit 13.000 zusätzlichen Verfahren, auch im VfGH geht man in den nächsten paar Jahren von 13.000 Beschwerden aus – momentan sind das etwa 6.000 im Jahr.

Anzeigen sinnlos

Und: Auch die Staatsanwaltschaften könnten zusätzlich belastet werden. So wird auf einschlägigen Seiten auch der Tipp verbreitet, man solle doch jene Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, von denen ein Bescheid ausgestellt wurde, anzeigen: wegen Amtsmissbrauchs und der (versuchten) Nötigung zur Duldung einer Körperverletzung.

Laut Strafrechtlerin Aleksandra Fux würden aber beide Delikte keinen Sinn ergeben: Stelle eine Sachbearbeiterin oder ein Sachbearbeiter einen Bescheid aus, wäre das keine Pflichtverletzung – im Gegenteil, man erfülle damit das Gesetz. Und auch die Nötigung komme laut Fux nicht infrage: "Ein Bescheid ist weder ein Gewaltakt noch eine gefährliche Drohung." So eine Anzeige würde übrigens losgekoppelt vom Verwaltungsverfahren wegen einer Impfpflichtverletzung laufen, diese also nicht verzögern.

Einem, der bereits ankündigte, das Gesetz zu verletzen, wird allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts passieren: FPÖ-Chef Herbert Kickl. Dieser besitzt parlamentarische Immunität und würde bei einer etwaigen Verfolgung durch die Behörden wohl nicht ausgeliefert werden. (Gabriele Scherndl, 26.1.2022)