Videos zeigen, wie man bestimmte Übungen richtig macht. Nach wenigen Minuten geht es zurück an die Arbeit.

Foto: Amazon

Die Arbeitsbedingungen in Amazon-Versandzentren stehen immer wieder in der Kritik – nun will der US-Konzern mit verpflichtenden Gruppenübungen in den Lagerhallen dafür sorgen, die Gesundheit der Beteiligten mithilfe von kurzen Videos zu verbessern – und gleichzeitig die hohe Unfallrate senken. Nicht alle Angestellten zeigen sich von den neuen Maßnahmen begeistert.

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Die von Amazon "Working Well Huddles" genannten Zusammenkünfte finden vor einem Fernseher oder Laptop statt, auf dem ein animiertes Video zu sehen ist. Ein Beispiel für das "Wohlfühlprogramm" ist etwa ein Roboter, der Dehnungsübungen vorzeigt, die von den Angestellten nachgemacht werden sollen. Nach ein paar Minuten geht es zurück an die Arbeit.

Im vergangenen Jahr startete Amazon sein "Working Well Program", das ein Mix aus "physischen und mentalen Aktivitäten, Übungen und Unterstützung für die gesunde Ernährung" sein soll, wie die Unternehmens-Website wissen lässt. Die Mitarbeiter würden dadurch besser "aufladen und neue Energie tanken". Für Meditationsübungen wurden etwa die schrankraumgroßen "AmaZen Booths" mitten in die Lagerhallen geschafft. Auf der Website betont der US-Konzern, das Programm würde helfen, Amazons Vision zu erfüllen, "der weltweit sicherste Arbeitsplatz" zu sein.

In einem Artikel von "Vice" werden mehrere Amazon-Mitarbeiter zitiert, die man laut eigenen Aussagen etwa einmal pro Monat auffordere, an solchen Versammlungen teilzunehmen. Die Videos würden sie als oberflächlich und wenig hilfreich bezeichnen, da man dem Roboter im Video natürlich auch keine Fragen stellen könne.

Die AmaZens sollen zum Meditieren einladen.
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Unfallhäufigkeit

Die Einführung dieser Schulungstermine ist eine Reaktion von Amazon auf die unverhältnismäßige Häufigkeit von Unfällen in den eigenen Lagerhäusern, die offenbar durch die zu hohe Arbeitslast zustande kommt. So zeigte im Vorjahr etwa die "Washington Post" in einem Bericht auf, dass Lagerarbeiter von Amazon fast doppelt so häufig schwere Verletzungen erleiden wie Mitarbeiter anderer Lagerunternehmen.

"Es ist schön, für ein paar Minuten eine Pause von einer Aufgabe zu haben, aber auf Kosten des Gefühls, dass das Unternehmen mich als Kleinkind betrachtet, das ständig daran erinnert werden muss, wie man grundlegende Dinge wie Kniebeugen macht oder eine Kiste hält – da arbeite ich lieber weiter", wird ein Arbeiter bei "Vice" zitiert.

Alle zitierten Arbeiter sind sich einig, dass die Videos offenbar eher dazu gedacht waren, Amazon gut aussehen zu lassen, als den Lagerarbeitern wirklich nützliche Schulungen und Ratschläge zu bieten. "Sie wollen wohl sagen: 'Wir haben ihnen beigebracht, wie man sich dehnt, wir haben ihnen das beigebracht. Es ist nicht so, dass sie nicht wüssten, wie man es richtig macht.'"

Richard Rocha, ein Sprecher von Amazon, wird ebenfalls in dem Bericht zitiert und zeigt sich von den Vorwürfen überrascht. So seien laut ihm die Übungen sinnvoll, um die Gesundheit und Sicherheit in Amazon-Lagerhäusern zu verbessern. Außerdem seien die Übungen auf bestimmte Gruppen von Arbeitern zugeschnitten, basierend auf deren Aufgaben. Umfragen unter den Mitarbeitern würden zudem zeigen, dass sich die Mehrheit der Teilnehmer durchwegs zufrieden mit der Einführung des Programms zeigt. (red, 26.1.2022)