Nicht nur der Hausarzt, auch weitere Gesundheits- und Sozialberufe finden sich unter dem Dach einer Primärerstversorgungseinheit. Das erleichtert Patientenwege.

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Die Primärversorgung in speziellen Zentren ist eine wichtige, aber in Österreich noch sehr wenig ausgebaute Säule in der Patientenbetreuung. Das soll sich jetzt ändern, wie Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Dienstag angekündigt hat. Dazu beitragen sollen 100 Millionen Euro Förderung, die Österreich von der EU erhält. Weiters wird es eine Gesetzesnovelle geben, um die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gründung von Primärversorgungseinheiten (PVE) zu erleichtern.

Ursprünglich war geplant, bis 2021 75 PVE zu errichten, dieses Ziel wurde aber deutlich verfehlt. Bis jetzt gibt es in ganz Österreich nur 33 PVE: sechs in Wien, fünf in Niederösterreich, eine im Burgenland, zehn in der Steiermark, eine in Kärnten, acht in Oberösterreich und zwei in Salzburg. In Tirol und Vorarlberg gibt es noch keine PVE. Beim Besuch des kürzlich eröffneten PVE Sonnwendviertel in Wien verkündete Mückstein, der selbst 2015 in Wien-Mariahilf das erste überhaupt in Österreich gegründet hatte, nun ein neues Ziel: In den nächsten Jahren soll es insgesamt 90 PVE geben.

Erleichtert werden soll das mit 100 Millionen Euro Förderung aus dem Europäischen Resilienzfonds. Ab 1. Februar können hier Förderungen beantragt werden, und Mückstein ist überzeugt: "Das wird einen Schub geben. Wir erhoffen uns damit eine zusätzliche Dynamik bei den Neugründungen und langfristig positive Effekte auf die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung in ganz Österreich."

Junge Praktizierende angesprochen

Die Gründung weiterer PVE ist auch dringend notwendig, wie der Minister betont, denn seit Jahren gehen die Bewerbungen für Kassenstellen zurück, speziell im ländlichen Raum: "Wir müssen das Thema Kassenarzt attraktivieren, die PVE sind ein guter Weg dafür." Die neuen Zentren seien auch eine Generationenfrage. Vor allem für Jüngere, die im Team zusammenarbeiten wollen, sei diese Form der Zusammenarbeit attraktiv: "Man ist so resilienter gegen Ausfälle."

Der Vorteil dieser Zentren ist für Praktizierende und Patientinnen und Patienten gegeben. Sie haben lange Öffnungszeiten und keine Schließtage, da sich die Ärzte gegenseitig vertreten. Die Wege von einem Arzttermin zum nächsten verkürzen sich, was vor allem in ländlichen Gebieten ein Vorteil ist. Dazu kommt, dass die Einheiten einen niederschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung bieten. Neben den Allgemeinpraktizierenden finden sich in solchen Zentren auch andere Gesundheits- und Sozialberufe, etwa Diätologen, Psychologinnen, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Hebammen, Ergotherapeutinnen und mehr. So kann nicht nur therapieunterstützend gearbeitet werden, auch die Vorsorgemedizin ist leichter umsetzbar.

Als Konkurrenz zur bestehenden Struktur sieht Mückstein das nicht: "Hier wird einfach ein weiteres Angebot geschaffen. Das ist keine Konkurrenz, sondern eine wichtige Ergänzung zu bestehenden Ordinationen. Wir bekommen auch sehr gute Rückmeldungen von allen Seiten."

Auch PVE für Kinder geplant

Erleichtern soll die Gründung von PVE eine Gesetzesänderung. Bis zum Sommer sollen die gesetzlichen Grundlagen an die Erfahrungen aus der Praxis angepasst werden. Ein wichtiges Anliegen ist, dass es künftig auch spezialisierte Primärversorgungseinheiten für Kinder und Jugendliche geben wird. Denn gerade in der Kinder- und Jugendheilkunde hat das Behandlungsspektrum in den vergangenen Jahren enorm zugenommen.

Für alle PVE soll zudem das Auswahlverfahren vereinfacht werden, damit die Gründung für die Ärztinnen und Ärzte schneller und unbürokratischer erfolgen kann. Der Entwurf sieht auch vor, die Aufgabenprofile der unterschiedlichen Gesundheitsberufe, die in den PVE-Teams zusammenarbeiten, zu schärfen und zu erweitern. Damit solle die Patientenversorgung optimiert und der Fokus noch stärker auf Gesundheitsförderung und Prävention gelenkt werden, erläuterte Mückstein. (kru, APA, 25.1.2022)