Vom US-Magazin "Forbes" wurde Nadim 2018 zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im Sport gekürt.

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Als die Taliban ihren Vater Rabani hinrichteten, war Nadia Nadim elf Jahre alt. "Er war ein James-Bond-Typ", so erinnert sie sich seiner. Er war Armeegeneral und deshalb zur Zielscheibe geworden. Mädchen wie Nadim durften nicht mehr zur Schule gehen, nicht mehr fernsehen, nicht Musik hören. "Man musste immer in Begleitung sein. Selbst wenn man nur einkaufen ging. Man durfte kein Stück seiner Haut zeigen. Die Menschen lebten in einem ständigen Zustand der Angst. Es war der blanke Horror."

Das mutet wie eine allzu aktuelle Geschichte an, schließlich stammt Nadia Nadim aus Herat im Westen Afghanistans. Doch die Geschichte ist gut zwanzig Jahre alt, sie spielt in einer Zeit, in der schon einmal unzählige wegen der Taliban aus ihrer afghanischen Heimat flüchten mussten.

Medizinerin

Heute ist Nadia Nadim 34 Jahre alt, dänische Staatsbürgerin, Profifußballerin, ein Superstar. Das US-Magazin "Forbes" kürte sie schon 2018 zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im Sport. Sie spricht sieben Sprachen und schloss kürzlich ihr Medizinstudium ab, ihr Fachgebiet ist die Wiederherstellungschirurgie. Für Mädchen in oder aus Afghanistan kann es kein besseres Vorbild geben.

Die Flucht war die Hölle. Mutter Hamida hatte das gesamte Hab und Gut verkauft und sich 2003 mit ihren fünf Töchtern zunächst zu Fuß auf den Weg nach Pakistan gemacht. Von dort flogen die Nadims nach Italien, das Ziel war eigentlich London, doch die Familie landete in Dänemark, in einem Flüchtlingscamp. In der Nähe gab es einen Fußballverein, zunächst sammelte Nadia hinter dem Tor Bälle ein. Irgendwann fragte sie, ob sie mitspielen durfte.

Fußballerin

Mit 18 erhielt sie ihren ersten Vertrag, mit 21 debütierte sie im dänischen Team. Nun hält die Stürmerin bei 38 Toren in 99 Länderspielen, sie holte Meistertitel in Dänemark, in den USA und in Frankreich. Aktuell steht sie bei Racing Louisville in Kentucky unter Vertrag und freut sich auf die EM im Juni in England. Mag sein, dass es dort zum Wiedersehen mit Österreich kommt – im EM-Halbfinale 2017 haben sich die Däninnen um Nadim im Elfmeterschießen durchgesetzt.

Das EM-Finale gegen die Niederlande ging dann verloren. Doch Fußball ist ohnehin nicht alles im Leben, bei weitem nicht. Nadia Nadim spendet viel Geld für humanitäre Zwecke, setzt sich für Flüchtlinge ein und will schon bald als Ärztin arbeiten. "Ich will diejenige sein, die helfen kann." (Fritz Neumann, 26.1.2022)