Wenn die Kriminalpolizei dem Regierungssitz einen Besuch abstattet, läuten für die Amtsinhaber meist sämtliche Alarmglocken. Dass nun Beamte von Scotland Yard in der Downing Street ein und aus gehen, könnte Premier Boris Johnson hingegen ganz recht sein. Denn zum einen ließ die Londoner Polizei offen, ob die Ermittlungen auch Lockdown-Events betreffen, an denen der Regierungschef teilgenommen hat. Zum anderen hofft er, dass das polizeiliche Verfahren die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts von Sue Gray verzögert. Die Spitzenbeamtin ist 15 mutmaßlichen Verstößen gegen Corona-Regeln in diversen Ministerien nachgegangen; ihren Bericht wollten innerparteiliche Gegner als Signal für den Aufstand gegen Johnson nutzen.

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Mehrheitlich halten die Briten Premier Boris Johnson für unzuverlässig, lügenhaft und zur Führung des Landes ungeeignet.
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Wenn man den Umfragen traut, hat die Öffentlichkeit ihr Urteil über den 57-Jährigen längst gefällt: Mehrheitlich halten die Briten ihren Premier für unzuverlässig, lügenhaft und zur Führung des Landes ungeeignet. Na endlich, dürften all jene seufzen, die dem Brexit-Marktschreier schon längst nicht mehr über den Weg trauen. Über sein Schicksal aber entscheidet die konservative Unterhausfraktion.

Erst wenn eine Mehrheit dieser 359 Männer und Frauen den großen Sieger der jüngsten Unterhauswahl satthat, schlägt Johnson die letzte Stunde. Sein Verhalten der letzten Tage deutet darauf hin: Der Liebhaber griechischer Tragödien will kämpfen bis zuletzt – Kriminalpolizei hin, Alarmglocken her. (Sebastian Borger, 25.1.2022)