STANDARD: Saturn im Wassermann: Die Astrologen prognostizieren für 2022 ein Jahr der Fülle. Sieht ein kühl rechnender Geschäftsmann wie Sie ebenfalls Anzeichen einer signifikanten Trendwende?

Schützinger: Wir sind 2021 ganz ordentlich durch die Krise gekommen. Ich glaube aber, es ist erst die Talsohle erreicht – es wird noch eine Delle geben. Es wird ein schwieriges erstes Halbjahr. Wir rechnen mit einer Verbesserung der Halbleiter- und damit der Liefersituation im zweiten Halbjahr. Insgesamt sollte heuer eine Steigerung um ca. zehn Prozent in Richtung 265.000 Neuzulassungen möglich sein.

STANDARD: Mehr gibt die Lieferfähigkeit nicht her?

Schützinger: Es ist ja nicht nur ein Thema der Halbleiter, sondern die Lieferkettenproblematik zieht sich durch sämtliche Branchen. Das hängt nicht an Corona alleine, sondern auch an der explosionsartigen Steigerung der Nachfrage, die durch alle Industrien geht.

Porsche-Holding-Chef Hans Peter Schützinger erwartet erst 2024 wieder über 300.000 Neuzulassungen bei Pkw. Elektroauto-Prognose für heuer: Wachstum von 13,5 auf 20 Prozent.
Foto: Porsche Austria, Marc Haader

STANDARD: 239.803 Pkw-Neuzulassungen 2021, 248.740 im Jahr davor: In den beiden Corona-Jahren ist der Gesamtmarkt dramatisch eingebrochen, von im Schnitt rund 320.000 die Dekade davor. Rechnet man mit rund einem Drittel Marktanteil von Porsche Austria, entspricht das einem Minus von 20.000 bis 25.000 Autos. Wie geht eine große Handelsorganisation wie die Ihrige mit solch desaströsen Rahmenbedingungen um?

Schützinger: Das Ganze war letztlich auch eine Fitnesskur für die Branche, für die Vertriebsorganisationen. Wir haben in dieser Zeit auch unsere Hausaufgaben machen können, wie Digitalisierung. Auf der Kostenseite wurden Prozesse verbessert, Synergien gesucht. Im Handel wurde in erster Linie das Rabattsystem gesenkt. Der Push-Markt hat sich ja in einen Pull-Markt gedreht, anders gesagt: von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Damit sind die Rabattschlachten vorbei, mangels überschüssiger Ware am Markt.

STANDARD: Bringt das nicht viele private Händler an den Rand des Zusammenbruchs und welche unterstützenden Maßnahmen von Importeursseite sorgen für Stabilisierung?

Schützinger: Es hat Unterstützungspakete gegeben, vor allem im Bereich der Finanzierung – was Liquidität, Zinsen etc. betrifft. Das Geschäft selbst ist 2021 ein gesundes gewesen, die Händler haben angemessen verdient.

STANDARD: Erwarten Sie eine Ausdünnung des Händlernetzes?

Schützinger: Das ist überhaupt nicht nötig, im Gegenteil: Unser großes, stabiles Händlernetz ist ja einer unserer Erfolgsfaktoren. Wir haben allerdings im vergangenen Jahr insofern Veränderungen in der Händlerstruktur angestoßen, als wir den Fokus auf Ballungsgebiete gelegt und einige kleinere unserer Betriebe regional verkauft haben, in der Steiermark und in Vorarlberg.

Auch dank der hier gezeigten Elektroversion fuhr der Fiat 500 im Vorjahr auf Rang eins.
Foto: Stockinger

STANDARD: Im Ranking liegen die Marken der VW-Konzernwelt in Österreich weit vorne, VW, Skoda, Seat und Audi belegen Rang eins, zwei, vier und fünf. Schmerzt es da nicht, dass bei den Einzeltypen der Fiat 500 den ersten Stockerlplatz errungen hat – und der neue Golf offensichtlich bei weitem nicht mehr die Strahlkraft der vergangenen Jahrzehnte hat?

Schützinger: Die Situation ist wegen der Aufsplittung des Modellangebotes nicht mehr vergleichbar. Die Kunden greifen vermehrt zu anderen Fahrzeugtypen, zuletzt besonders zu den SUVs. Gleichzeitig fokussieren wir uns bei Elektro nicht nur auf ein Hauptmodell – wie etwa Tesla –, sondern auf mehrere.

STANDARD: Apropos Elektro: Ähnliches Bild bei den batterieelektrischen Fahrzeugen, deren Markanteil von 6,4 auf 13,9 Prozent stieg: Da erhöhte der VW-Konzern zwar seinen Prozentsatz von 26 auf 35,3 und VW fuhr davon allein 17,6 Prozent ein, aber in der Einzelwertung konnte Teslas Model 3 den ID.3 deutlich in die Schranken weisen. Liegt das allein in der Verfügbarkeit?

Schützinger: Wie gesagt: Wir bringen für jeden Kunden das richtige Modell und setzen nicht nur auf ein Hauptmodell. Zum ID.3 und ID.4 kommt noch einiges hinzu, die ID.-Familie als solche wird extrem stark werden. In Summe haben wir derzeit einen Neuzulassungsmarktanteil von 37 Prozent. Bei den Elektrofahrzeugen sieht das Bild ziemlich gleich aus – 35,3 Prozent. Alle Konzernmarken haben schon oder bringen entsprechende Modelle, und bei Volkswagen gehen wir davon aus, dass wir bei Elektroautos einen Marktanteil von 15 bis 18 Prozent erreichen. Mit zuletzt 17,6 Prozent sind wir recht präzise auf Kurs.

STANDARD: Welchen Anteil am Einbruch 2021 hatte die Chipkrise?

Bild nicht mehr verfügbar.

Nur ein Tröpfchen auf den heißen Stein: Chipfertigung im 2021 eröffneten Werk von Bosch in Dresden.
Foto: Reuters

Schützinger: Der Halbleitermangel hat die gesamte Automobilbranche weltweit mit voller Wucht getroffen. Das war der Hauptgrund. Es gibt aber noch weitere Ursachen. Es gab und gibt auch einen Mangel an sonstigen Teilen, wie Anhängekupplungen, um nur ein Beispiel zu nennen.

STANDARD: Ist es nicht so, dass margenstarke Marken – Audi, Porsche – und Modelle sowie die Elektroautos im Konzern bevorzugt mit Chips beliefert werden?

Schützinger: Die Fokussierung auf margenstärkere Fahrzeuge sowie Elektroautos sehen Sie in der gesamten Branche. Aber es ist halt ein Mix. Man sorgt für die Grundversorgung aller Marken, und einige bekommen dann eben ein bisschen mehr. Aber es ist nicht so, dass alles zu Porsche oder Audi geht und VW, Skoda oder Seat nichts mehr bekommen.

STANDARD: Wie hat sich das Kundenverhalten im Zuge der Corona-Krise verändert?

Schützinger: Es ist digitaler geworden. Die Kunden informieren sich vor allem online.

STANDARD: Das war vorher auch schon der Fall.

Schützinger: Ja, aber das ist – vor allem beim Privatkunden – noch stärker geworden. Einige wenige kaufen auch schon online. Die meisten informieren sich gründlich, machen Vorbereitungsarbeiten online, schließen aber dann im Autohaus ab, weil man doch letztendlich noch beim Preis verhandeln will und auch den direkten persönlichen Kontakt sucht. Aber der ganze Prozess der "Customer journey" – die digitale Kundenbeziehung vom Suchen bis zum Kaufabschluss, dann weiter bis zu Finanzierung und Versicherung – wird immer digitaler. Und, vor allem: das Kundenverhalten wird nachhaltiger, eine Folge der Klimadiskussion.

STANDARD: Sind die Auto-Onlineportale ein ernsthaftes Konkurrenzmodell?

Schützinger: Nicht beim Neuwagen. Diese Portale punkten vor allem bei Gebrauchtwagen.

STANDARD: Zu Ihrer Prognose Pkw-Gesamtmarkt 2022. Sind die von Ihnen ausgegebenen 265.000 Neuzulassungen nicht konservativ geschätzt? 320.000 bis 350.000 waren es in den Jahren vor Corona.

Schützinger: Die Frage ist: Was ist das Ziel. Für Österreich ist ein Markt um die 300.000 vernünftig und gesund, bei guter Konjunktur auch höher, vielleicht 330.000. Er sollte aber nicht höher sein, nur weil es eine Überproduktion gibt. So eine Entwicklung wünschen wir uns jetzt nicht mehr.

STANDARD: Der Dreihunderter fällt nächstes Jahr?

Schützinger: Nein, den sehe ich eher in Richtung 2024. Auch, weil die Halbleiterthematik nicht von heute auf morgen zu lösen ist. Diese Kapazitäten kann man nicht beliebig hochfahren.

STANDARD: Rekordauftragsbestand hin oder her: Wie halte ich Kunden bei der Stange, die ein, eineinhalb oder gar zwei Jahre auf ihr neues Auto warten müssen?

Schützinger: Die durchschnittliche Lieferzeit bei unseren Importeuren liegt derzeit zwischen sechs und zwölf Monaten. Die Kunden wissen das aber, weil dieser Nachfragestau inzwischen bis in die Konsumgüterbranche durchgeschlagen hat und man auch dort mit Lieferzeiten konfrontiert ist. Viele Kunden kalkulieren das bereits ein und können beispielsweise heute per Kaufvertrag den Preis von in einem Jahr fixieren, selbst wenn die Inflation bis dahin die Preise nach oben steigen lässt. Aber natürlich versuchen wir die Kunden, neben dem Umstand, sie gründlich zu beraten bei Lieferverzögerungen auch anderweitig zu unterstützen. Bei Leasingverträgen bieten wir unbürokratische Hilfe bei Verlängerung und suchen nach individuellen Übergangslösungen.

STANDARD: Da werden sich Ihre Finanzer freuen.

Schützinger: (schmunzelt) Sehr!

STANDARD: Warum kommen andere, Toyota etwa oder die koreanischen Hersteller, besser mit der Halbleiterkrise zurecht als die deutschen, die europäischen Hersteller?

Schützinger: Dieser Eindruck mag im Einzelfall zutreffen. Wenn wir nur die österreichische Situation betrachten: 2021 ist der Markt gegenüber 2020 von 248.000 auf 240.000 zurückgegangen. Wir haben ganz knapp zulegen können und haben dadurch den Markanteil gesteigert. Angesichts dieser Tatsache bilanzieren wir nicht schlechter, sondern besser als der Markt.

STANDARD: Welche der heuer startenden neuen Modelle aus Ihrer Markenwelt werden noch stückzahlmäßig spürbar?

Der VW Taigo, die SUV-Coupé-Version des T-Cross, kommt extrem gut an.
Foto: Volkswagen

Schützinger: Aktuell läuft gerade die Markteinführung des neuen VW Taigo, und dieser läuft sehr gut an.

STANDARD: Der ist aber nur ein Derivat vom T-Cross.

Schützinger: Trotzdem. Besonders spannend wird auch das vollelektrische SUV-Coupé VW ID.5 werden …

STANDARD: … ob er, als SUV-Coupé-Version des ID.4, diesen kannibalisieren wird und wie stark …

Der ID.5 von VW spielt ebenfalls das Thema SUV-Coupé durch, allerdings größer als der Taigo und batterieelektrisch.
Foto: Volkswagen

Schützinger: … (lacht) deshalb sage ich ja mit gewissem Augenzwinkern, das wird spannend werden. Generell erwarten wir uns, dass sich der Elektro-Markt insgesamt von 13,5 Prozent in Richtung 20 Prozent bewegen wird, also auch bei den Stückzahlen zulegen wird. Deshalb werden auch wir uns ganz sicher weiter steigern können, auch dank des ID.5, Skoda Enyaq Coupé iv oder Cupra Born, der Ende letzten Jahres sein Marktdebüt feierte. Auch der ID.Buzz wird heuer noch vorgestellt, der wird aber erst 2023 richtig lieferfähig sein.

STANDARD: Wann kommen die ersten Fahrzeuge auf der von Porsche und Audi gemeinsam entwickelten Elektro-Plattform PPE (Premium Plattform Elektro; Anm), sprich: geht sich der Q6 e-tron heuer noch aus?

Schützinger: Da ist es wie beim ID.Buzz: Der Q6 e-tron wird auch letztlich erst 2023 richtig schlagend werden. Präsentiert wird er aber heuer noch.

STANDARD: Das Schwestermodell, der Porsche Macan, ist ohnehin erst für 2023 geplant.

Schützinger: Elektromobilität wird bei Porsche ja auch immer wichtiger. 2021 war zwar ein extrem erfolgreiches 911er-Jahr, aber angesichts der NoVA wird auch bei Porsche der Trend eindeutig in Richtung elektrischer oder elektrifizierter Mobilität gehen. Der Elektrifizierungsgrad bei Porsche liegt – voll elektrische und Plug-in-Hybrid-Modelle zusammengefasst – bereits bei über 50 Prozent.

STANDARD: Der neue VW Amarok und die Nutzfahrzeugversionen des T6-Nachfolgers sind allesamt umetikettierte Fords. Wie viel ist Tradition heute noch wert?

Der ID.Buzz – hier noch die Studie, vom Serienmodell existieren noch keine Fotos – bedient das Retro-Thema erstmals bei Elektromobilen.
Foto: Volkswagen

Schützinger: Viel! Wir sind in der glücklichen Lage, dass unseren Marken auf eine große Tradition zurückblicken können. Und man wird das ganz deutlich beim ID.Buzz sehen. Von ihm erwarten wir uns wirklich viel, man sieht jetzt schon eine riesige Nachfrage.

STANDARD: Der Diesel ist von zuletzt 36,5 Prozent Marktanteil bei Neuzulassungen auf 24,3 Prozent abgesackt. Ist der Selbstzünder tot und inwieweit beschäftigt Sie der von Volkswagen verursachte Dieselskandal noch heute?

Schützinger: Das Thema betrifft im Wesentlichen nur noch den Volkswagen Konzern direkt.

STANDARD: Traut sich der Händler heute noch, dem Kunden zum Diesel zu raten?

Schützinger: Schon, aber es kommt sehr auf das Fahrprofil an. Wenn das ein Vielfahrer ist, ein klassischer Flottenkunde, dann ist der Diesel auch ökonomisch immer noch sehr attraktiv. Unter den Verbrennungsmotoren ist er ja der effizienteste. Andererseits, die Klimathematik beschleunigt den Trend, und der lautet: weg vom Diesel und vom Verbrenner insgesamt. Die Entscheidung ist gefallen, der Transformationsweg geht in Richtung Elektro.

STANDARD: Wann verkaufen Sie den letzten Diesel in Österreich?

Schützinger: Ich bin dann in jedem Fall in Pension (lacht). Mitte der 2030er-Jahre lautet die Prognose, letztendlich entscheidet aber der Kunde, wann es soweit ist.

STANDARD: Der Gebrauchtwagenmarkt ist völlig leergefegt, mit entsprechenden Preissteigerungen. Wann wird sich hier die Situation entspannen?

Knappheit nicht nur bei Neuwagen, sondern auch bei Gebrauchten – entsprechend zogen deren Preise an.
Foto: Imago

Schützinger: Das entwickelt sich spiegelgleich zum Neuwagenmarkt. Es gibt eine starke Nachfrage, auch bei Dieselmodellen. Erst, wenn Neuwagen wieder in ausreichenden Mengen geliefert werden, entspannt sich die Situation bei den Gebrauchten.

STANDARD: Wie entwickeln sich Flotten- und Behördengeschäft und ist das überhaupt noch profitabel?

Schützinger: Auch hier sind unsere Fahrzeuge sehr gefragt. Wir haben unlängst eine große EU-weite Ausschreibung der Bundesbeschaffungsagentur gewinnen können, in der drei Rahmenvereinbarungen im Ausmaß von 890 Millionen Euro vergeben wurden. Für Polizei, Bund und weitere öffentliche Auftraggeber für die nächsten zehn Jahre. Das freut uns sehr, aber das sind auf der anderen Seite schon sehr anspruchsvolle und von den Margen her kompetitive Ausschreibungen. Dennoch ist es für uns wichtig, es hilft uns bei Serviceumsätzen, und es freut uns natürlich, wenn wir auf den Straßen beispielsweise die Polizei mit unseren Konzernlogos fahren sehen.

STANDARD: Eine Imagefrage also?

Schützinger: Image muss man sich leisten wollen. Aber in dem Fall ist es eine ausgewogene Situation. Zu den Flottenkunden: Dort ist der Umsatz in den vergangenen Jahren beständig gestiegen und es gilt auch hier einen großen Auftragsbestand abzubauen.

STANDARD: Worauf ist das zurückzuführen? Unter anderem auf die Ich-AGs?

Schützinger: Auch. Und dann hat Corona dazu geführt, dass die individuelle Mobilität wieder wichtiger wurde. Da sind viele vom öffentlichen Verkehrsmittel zurück zum Auto gewechselt.

STANDARD: Wie schwer tut sich die Porsche Holding, in Österreich die CO2-Flottenziele zu erreichen?

Schützinger: Grundsätzlich müssen die Hersteller die Flottenziele erreichen, nicht die Importeure oder Händler. Der Volkswagen Konzern hat die CO2-Flottenziele in der EU im abgelaufenen Jahr mit 118,5 g/km übererfüllt. Auch wir haben in Österreich die vorgeschriebenen Flottenzeile – 121 g/100 km nach WLTP – erfüllt. Was uns hierbei geholfen hat, ist der rasante Anstieg der Elektroauto-Anteile.

STANDARD: Zu den politischen Rahmenbedingungen. Es herrscht eine autokritische Stimmung, die sich auch in der Steuergesetzgebung niederschlägt. Wenn Sie sich als eines der umsatzstärksten Unternehmen Österreichs von der Politik was wünschen dürfte: Was wäre das?

Schützinger: Wichtig ist eine bessere Planbarkeit. Hauruck-Aktionen sind für uns extrem schwierig. Beispiel NoVA-Reformen: Allein deren technische Umsetzung ist eine Riesenherausforderung. Unser "Lieblingsbeispiel": Die Einbeziehung der Klein-Lkw in die NoVA 2021 war eine Katastrophe und auch eine reine Einnahmengenerierung. Denn im Endeffekt hatten die Gewerbetreibenden mangels Verfügbarkeit gar nicht die Chance, auf Elektro oder Plug-in-Hybrid auszuweichen.

STANDARD: Unbedachter Zusatzeffekt: Kleine Gewerbetreibende fahren länger mit ihren alten Autos mit entsprechend größerer Umweltbelastung.

Schützinger: Ja, das ist auch ein Nebeneffekt, der verstärkt wurde bzw. wird durch die Nícht-Lieferfähigkeit. Umwelttechnisch war das kein Glanzstück.

STANDARD: Bei der E-Mobilität setzt die Bundesregierung nach wie vor auf Förderkonzepte, auch die Öko-Steuerreform denkt vielfach in Kategorien, die Kritiker als planwirtschaftlich sehen. Klimakrise hin oder her: Kann das auf Dauer gut gehen?

An der Autobranche hängen in Österreich 350.000 Arbeitsplätze – hier die Produktion des Mercedes G bei Magna in Steyr.
Foto: Corn

Schützinger: Die negative Stimmung hat sich mit Corona abgeschwächt in einen konstruktiven Diskurs. Das ist ja eine Branche mit 350.000 Mitarbeitern in Österreich, mit Milliardenwertschöpfung. Und was die generell zu beobachtende Technologiefeindlichkeit in Europa betrifft: Wir müssen Deindustrialisierung vermeiden. Man sah und sieht es ja bei Corona mit der Pharmaindustrie und jetzt bei der Chipkrise mit der Halbleiterindustrie: Nicht mehr allzu viel von dem Benötigten kommt mehr in nennenswertem Umfang aus Europa.

STANDARD: Ihr Hauptwunsch ist besser Planbarkeit?

Schützinger: Planbarkeit, frühere Einbeziehung – dass wir unsere umwelttechnischen und sonstigen Argumente in eine entsprechende Diskussion einbringen können. Es ist ja nicht so, dass wir mit der Politik nicht verhandeln würden. Es ist halt die Frage, wie viel von unseren Vorstellungen Gehör finden. Noch ein wichtiger Punkt: Anreiz statt Strafen. Ich glaube, mit einem ordentlichen Anreizsystem erreicht man wesentlich mehr als durch Bestrafung.

STANDARD: Mehr Förderungen also?

Schützinger: Nein, nicht mehr Förderungen, aber eine Harmonisierung zum europäischen Ausland wäre wünschenswert. Und dass die Förderungen auf einen längeren Zeitraum definiert werden. Für die Transformation braucht man einen längeren Durchrechnungszeitraum.

STANDARD: Die Förderungen für Plug-in-Hybrid werden aber schon jetzt heiß diskutiert. Wenn die fallen?

Schützinger: Wie gesagt, es geht um Planbarkeit, für uns und die Kunden. Bloß keine Hauruck-Aktionen von heute auf morgen. Das führt nur zu Verwerfungen auf dem Markt. Neben der NoVA-Befreiung für Elektro und in abgestufter Form für Plug-in-Hybrid stellt sich die Sachbezugsbefreiung als extrem wirksam heraus. Die ist ein ganz wichtiges Argument für viele, auf Elektro umzusteigen, also ein richtiges Steuerungsinstrument. Man darf auch nicht vergessen: Mehr als die Hälfte der Förderungen zahlen die Importeure selbst. Mit dem Anreizsystem ist der Umstieg für den Konsumenten leistbar. Sehr wichtig war jetzt auch die Einbeziehung der Ladeinfrastruktur in das Förderprogramm.

STANDARD: Die gesamte Branche befindet sich im Strukturwandel, vom Antriebskonzept bis zum Vertrieb. Welches sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?

Schützinger: Vier Themen. Aber die größte Herausforderung ist inzwischen das Thema Nachhaltigkeit. Es umfasst Privatkunden und Firmen, die meistens bereits eine Nachhaltigkeitspolitik haben und geht weiter bis zur Finanzierung, den Banken und deren Nachhaltigkeitsgrundsätzen – Stichwort: Green Financing. Wir müssen früh genug anfangen und planen, denn diese Trends verstärken sich. Das reicht von den Autos selbst bis hin zum Energiethema, in die Werkstätten, Austausch von Lackierkabinen etwa, bis zum Faktor Nachhaltigkeit, um Mitarbeiter zu finden. Für viele ist es bei der Berufswahl inzwischen ein wesentliches Kriterium, wie ein Unternehmen in dem Bereich aufgestellt ist.

STANDARD: Zweites Thema?

Schützinger: Den Umstieg auf die Elektromobilität weiter vorantreiben.

STANDARD: Ist Ihre Händlerschaft dazu gerüstet?

Schützinger: Auch hier ist ein Transformationsprozess im Gange, dem sich der Händler nicht entziehen wird.

STANDARD: Verbunden mit entsprechenden Investitionen.

Im Servicebereich des Handels geht der Trend weg von der Mechanik und hin zur Hochvolttechnik.
Foto: Fischer

Schützinger: Vor allem in die Mitarbeiter, wo Leute umgeschult werden müssen. Weg von der reinen Mechanik, hin speziell zur Hochvolttechnik. Wir bieten von Importeursseite entsprechende Ausbildungen an, aber das geht ja weiter bis in die entsprechenden Lehrberufe.

STANDARD: Weiter im Themenkatalog.

Schützinger: Digitalisierung. Extrem wichtig. Es geht darum, die oben angesprochene "Customer journey", die digitale Kundenbeziehung vom Suchen bis zum Kaufabschluss, dann weiter bis zu Finanzierung und Versicherung, digital abzubilden. Damit verbunden sind natürlich auch enorme Investitionen in unsere Vertriebssysteme. Der vierte Punkt ist, dass wir unsere Händlernetze fit machen für die Zukunft.

STANDARD: Noch einmal Elektromobilität. Mondstation: Sie haben sich mit der Moon Power GmbH als Systemanbieter ein junges Geschäftsfeld rund um Ladeinfrastruktur und Service erschlossen. Abgesehen davon, dass Ferdinand Porsche sich mit den ganzen unnötigen Anglizismen im Grabe umdrehen würde: Wird das von der Kundschaft angenommen?

2019 eröffnete die Porsche Holding die Mooncity in Salzburg und bündelt hier das Know-how des neuen Geschäftszweigs.
Foto: Porsche Holding/Christian Houdek

Schützinger: Wir haben die richtige Entscheidung getroffen, hier zu investieren und in dieses neue Geschäftsfeld zu gehen. Es existiert eine riesige Nachfrage. Leider schlägt auch hier die Liefersituation durch und es existiert eine längere Wartezeit für die Kunden – das reicht vom einfachen Ladekabel bis hin zur Photovoltaik-Anlage.

STANDARD: Dass Ihr Ansatz in Wolfsburg auf Wohlgefallen stößt und der Salzburger Mond inzwischen in 18 Ländern mehr – in Deutschland – oder weniger voll aufgegangen ist: Eine Bestätigung Ihres Kurses und Grund zur Freude?

Schützinger: Wir haben die Internationalisierungsstrategie beschlossen, das war eine gute Entscheidung – weil es ein riesiges Marktpotenzial gibt, vor allem in Deutschland. Wir liefern und beraten mittlerweile in 18 Ländern, unter anderem auch in Tschechien, Rumänien, Ungarn, Slowenien, Kroatien. In unserer Zentrale in Salzburg bündeln wir das Know-how. Zu Deutschland: Das ist ein riesiger Markt. Wir starten gerade im Süden, in München, mittelfristig wollen wir dann weitere Metropolen in Deutschland erschließen.

STANDARD: Wann ist der Prozess abgeschlossen?

Schützinger: Das wird ein richtiges Langzeitprojekt, welches wir schrittweise angehen müssen, weil es aktuell extrem schwer ist, entsprechende ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Wir könnten alleine bei Moon sofort die dreifache Menge an Mitarbeitern einsetzen.

STANDARD: Vielleicht zahlen Sie nicht gut genug.

Schützinger: Nein, wir zahlen marktadäquat. Aber der Fachkräftemangel schlägt voll durch und es findet in allen unseren Geschäftsbereichen ein Kampf um qualifizierte Mitarbeiter statt. Vor allem um IT-Spezialisten, die bei vielen Unternehmen begehrt sind. Nicht nur die Gastronomie kämpft um ihre Leute, auch wir kämpfen um Mitarbeiter.

STANDARD: Welche aktuellen Rahmenbedingungen finden die vor?

Schützinger: Marktadäquate Bezahlung und moderne Arbeitsbedingungen. Unseren Kindergarten beispielsweise hier im Porschehof in Salzburg, wo wir erst kürzlich die Kapazität auf 65 Plätze verdoppelt haben. Und unsere Mitarbeiter wünschen sich schon wieder eine Vergrößerung. Unsere Frauenquote in den Führungspositionen versuchen wir ebenfalls zu pushen – auch durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aber wie gesagt: Es ist schwierig, junge Leute zu finden, weil viele Talente heute entweder selbständig sein oder Teilzeit arbeiten wollen.

STANDARD: Wie steht es mit der Heimarbeit?

Schützinger: Wir haben uns mit unserem Betriebsrat beim Thema Home-Office respektive Mobiles Arbeiten geeinigt. Schon jetzt sind zwei Tage pro Woche nach Abstimmung möglich. Künftig wird es auch ein erweitertes Angebot an Mobilem Arbeiten mit Desk-Sharing geben.

STANDARD: Dann können Sie bald ein, zwei Etagen Ihrer Zentrale vermieten.

Schützinger: Nein, wir haben ja immer noch ein riesiges Wachstum. Wir müssten sonst wieder neu bauen.

STANDARD: Seit mehr als zehn Jahren ist die Porsche Holding nicht mehr eigenständig, sondern direkter Bestandteil des VW-Konzerns. Ihre Erfahrungen nach einer Dekade Wolfsburger Regentschaft: Vor- und Nachteile?

Schützinger: 2010 erfolgte unser Schritt in den VW-Konzern zu einer strategischen Vertriebssäule. Dadurch konnten wir erhebliche neue Marktchancen bis hin nach China nutzen. Wir bündeln letztlich Volkswagen-eigene Einzelhandelsbetriebe in der Porsche Holding und managen diese. Wir bringen unsere Vertriebsexpertise im Konzern weltweit aktiv ein.

STANDARD: Das gelingt auch?

Schützinger: Das gelingt uns immer besser, auch im Bereich der Informatik-Dienstleistungen. Der nächste Schritt ist, dass unsere VU3 – das ist das essenzielle Verkaufsprogramm am Verkäufer-Arbeitsplatz – Standard im Volkswagen Konzern werden soll. Zugute kommt uns aktuell auch, dass im Aufsichtsrat der Porsche Holding die Familien Porsche-Piëch sowie die Österreicher Hans Dieter Pötsch als Aufsichtsratsvorsitzender und Herbert Diess vertreten sind. In diesem Umfeld können wir sehr gut aktuelle Vertriebs- und Kundenthemen präsentieren und die Freigabe für wichtige Zukunftsprojekte, Pilotprojekte anstoßen.

STANDARD: Sie skizzieren die Sonnenseite. Lassen wir es ein wenig schattig werden. Porsche Austria war seinerzeit, salopp ausgedrückt, mehr oder weniger ein Bauernopfer beim Ringen zwischen Porsche und Volkswagen um die neue Gestalt des Konzerns. Früher haben Sie direkt mit Zell am See (Familie Porsche-Piëch; Anm.) gesprochen, jetzt müssen sie via Wolfsburg über Bande spielen. Hat sich dadurch die Bewegungsfreiheit nicht stark eingeschränkt?

Schützinger: Nein. Ich glaube schon, dass wir es geschafft haben, eine gute unternehmerische Freiheit zu bewahren. Natürlich hat der Eintritt in einen internationalen Konzern wie Volkswagen Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen in neuen Chancen, in Sicherheiten bei Verträgen etc. Der Nachteil ist eine Erhöhung der Komplexität der Bürokratie. Aber mit der Österreich-lastigen Aufsichtsratsbesetzung gelingt es uns gut, sehr viel unternehmerischen Spielraum zu erhalten.

STANDARD: Sie können aber nicht mehr so schnell agieren wie früher.

Schützinger: Jein. Vielleicht ist die Entscheidungsfindung selbst etwas komplexer, dafür sind wir aber durchschlagstärker. Das muss man aufwiegen. Wenn ich eine Bilanz erstellen müsste, dann fällt die durchaus positiv aus. (Andreas Stockinger, 29.1.2022)