Parkplätze, die nur für Elektroautos reserviert sind: Norwegen fördert schon seit vielen Jahren auf unterschiedliche Weise die Nutzung von E-Autos im Land.

Foto: Jonathan NACKSTRAND / AFP

Auf den ersten Blick scheinen die Bedingungen nicht unbedingt günstig: Lange Fahrtstrecken, steile Gebirgspässe und raues Klima, vor allem im Winter – Norwegen ist nicht das Land, das für die Mobilitätswende prädestiniert ist. Und doch haben sich in dem nordischen Staat in den vergangenen Jahren Elektroautos so schnell und großflächig durchgesetzt wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Im vergangenen Jahr machten Elektroautos rund zwei Drittel aller verkauften Neuwagen aus, weitere 22 Prozent waren Hybridwagen, lediglich 13 Prozent reine Diesel- oder Benzinfahrzeuge. Schon jetzt fahren rund 15 Prozent aller Autos im Land elektrisch. Der Unterschied zu anderen Ländern ist zum Teil gewaltig: In den USA machten E-Autos 2020 nur zwei Prozent aller Neukäufe aus, in China waren es 5,7 Prozent und in Österreich immerhin knapp 14 Prozent. Lediglich Schweden (32 Prozent) und Island (52 Prozent) schaffen es, zumindest annähernd an den norwegischen Vorsprung heranzukommen. Was können wir von dem skandinavischen Staat über die Mobilitätswende lernen?

Staatliche Förderungen

Fakt ist: In Norwegen fand der Umstieg nicht von einem Tag auf den anderen statt. Seit den 1990er-Jahren wird der Wechsel auf E-Autos staatlich gefördert. Käufer von E-Autos erhielten schon damals steuerliche Erleichterungen, mussten nicht die normalerweise sehr hohen Registrierungsgebühren und ab 1997 auch keine Mautgebühren mehr zahlen. Ein paar Jahre später fiel auch noch die 25-Prozent-Mehrwertsteuer beim Kauf der Elektrischen ganz weg, E-Auto-Fahrer durften zudem gratis parken, auf Busspuren fahren und Autofähren gratis benutzen, die im von Fjorden zerklüfteten Norwegen eine große Rolle spielen.

Auch die breite Öffentlichkeit wurde spätestens 1995 auf E-Autos aufmerksam. Verantwortlich dafür war unter anderem eine Aktion des Leadsängers der norwegischen Band A-Ha ("Take on Me"), Morten Harket, und des Umweltaktivisten Frederic Hauge, die in diesem Jahr mit einem elektrisch umgerüsteten Fiat Panda einen Roadtrip durch das Land machten. Sie weigerten sich, die hohen Mautgebühren zu zahlen, parkten illegal in der Stadt und ignorierten alle Strafzettel, die ihnen in dieser Zeit ausgestellt wurden. Schlussendlich wurde ihr Auto von den Behörden eingezogen und versteigert, um die Strafen zu bezahlen. Bis dahin hatte die Aktion jedoch schon große mediale Aufmerksamkeit erregt und das Thema E-Autos ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung im Land katapultiert.

Geld aus Öl und Gas

Doch trotz der öffentlichen Debatte und der Steuererleichterungen dauerte es einige Jahre, bis der E-Auto-Boom in Norwegen wirklich Fahrt aufnahm. 2012 waren immer noch weniger als 10.000 E-Autos auf Norwegens Straßen unterwegs. Erst durch die Kombination von extremen Steuererleichterungen, dem Wegfall von Gebühren, die beim Kauf gewöhnlicher Autos anfallen und den immer preiswerteren und vielseitigeren E-Autos, die auf den Markt kamen und die das Land von unterschiedlichen Herstellern aus dem Ausland importierte, wurden E-Autos auch für die breite Masse der Bevölkerung immer öfter zum Fahrzeug erster Wahl. 2020 stieg die Zahl an Elektro- und Hybridautos bereits auf über 490.000. Bis 2025 hat sich das Land zum Ziel gesetzt, keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zu verkaufen – viele Expertinnen und Experten betrachten den Vorsatz als durchaus realistisch.

Rund 14.000 öffentliche Ladestationen gibt es in Norwegen, die von rund zehn verschiedenen Anbietern zur Verfügung gestellt werden – das macht die Benützung mit unterschiedlichen Apps nicht immer einfach. Viele Norwegerinnen und Norweger laden ihr E-Auto aber auch einfach zu Hause oder in der Arbeit auf.
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Ein Teil der Erfolgsgeschichte basiert aber wohl auch schlicht auf Glück. Norwegen produziert mehr als 93 Prozent seines gesamten Stroms aus Wasserkraft – auch deshalb gehört die E-Auto-Flotte zu den saubersten der Welt. Gleichzeitig besitzt das Land einen 1,2 Billionen Dollar schweren Staatsfonds, der sich aus den Einnahmen aus den großflächig vorhandenen Öl- und Gasreserven rund um die Küste speist. Mithilfe dieser Einnahmen lässt sich auch das 2,3 Milliarden US-Dollar große Loch, das die Steuererleichterungen für E-Autos ins Staatsbudget reißen, leichter füllen.

Nicht nur reibungslos

Trotzdem regt sich in der Bevölkerung und Politik auch immer wieder Kritik an den Maßnahmen. Diese würden dem Staat wesentlich mehr Geld kosten und vergleichsweise weniger CO2-Ersparnis einbringen, als wenn das Geld in andere Bereichen investiert werden würde – etwa noch mehr in den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Immerhin stehen E-Autos seit längerem in der Kritik, durch die Herstellung der Batterien und den Stromverbrauch einen nicht zu unterschätzenden CO2-Fußabdruck zu haben. Zudem komme es in Norwegen immer wieder zu Staus auf den Busspuren, auf denen auch E-Autos zugelassen sind, und zu einem Wegfall an Einnahmen bei den Fährenbetrieben, da E-Autos von Gebühren ausgenommen sind.

Nicht zuletzt deshalb hat die norwegische Regierung in den vergangenen Jahren einige der Maßnahmen etwas angepasst. E-Autofahrerinnen und -fahrer müssen mittlerweile zumindest mit einem weiteren Passagier unterwegs sein, um die Busspur nutzen zu dürfen. Zudem dürfen Gemeinden seit 2017 maximal 50 Prozent der Park-, Maut und Fährengebühren verrechnen, die sonst bei Autos mit Verbrennungsmotor fällig werden. Seit einiger Zeit wird auch überlegt, die Mehrwertsteuer bei teureren und größeren E-Autos wieder einzuführen.

Entwicklung nicht aufzuhalten

Nichtsdestotrotz lässt sich die großflächige Umstellung auf E-Autos in Norwegen kaum mehr aufhalten – der Anteil an Elektroautos an der gesamten Flotte steigt mit jedem Jahr mehr. Einige Faktoren, die Norwegen zum E-Auto-Boom verhalfen, sind einzigartig und von anderen Staaten schwer kopierbar: Norwegen hat nur knapp über fünf Millionen Einwohner, einen Reichtum an Öl und Gas und fast hundert Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen. Gleichzeitig zeigt das Land, wie sich mit den richtigen Anreizen, ausreichend finanziellen Mitteln und öffentlicher Aufmerksamkeit binnen eines Jahrzehnts ein großer Teil der Mobilität umbauen lässt.

Andere Länder tun laut vielen Experten gut daran, bei dieser Entwicklung aufzuholen. 38 Staaten, darunter auch Österreich, haben im vergangenen Jahr bereits die Vereinbarung der COP 26 zum emissionsfreien Autoverkehr unterzeichnet. Darin heißt es, dass die Staaten dazu beitragen sollen, dass weltweit ab 2040 und in führenden Märkten ab 2035 alle Neuwagenverkäufe emissionsfreie Autos sind. Es spricht allerdings nichts dagegen, diese Ziele schon früher zu erreichen – bevor die Emissionen auf ein noch gefährlicheres Niveau steigen. Ein Blick nach Norwegen könnte neue Ideen liefern. (Jakob Pallinger, 31.1.2022)