Führende Nazis standen in Nürnberg vor Gericht. Darunter auch Männer aus Österreich.

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"Das waren nicht nur Mörder, sondern auch durch und durch Sozialisten", schrieb am Montag die Journalistin Anna Dobler auf Twitter anlässlich des in ORF 2 gezeigten Films "Die Wannseekonferenz". Nach diesem Tweet trennte sich das Boulevardmedium "Exxpress" von Dobler. Das Posting sei "nachweislich falsch", hieß es in einer Stellungnahme. "Wir wollen nicht, dass unsere Redaktion mit dem geringsten Verdacht einer möglichen Relativierung des Nationalsozialismus belastet wird."

Zu der in dem Film behandelten Konferenz in einer Villa am Berliner Wannsee waren 1942 hochrangige Nationalsozialisten zusammengekommen, um die "Endlösung" der "Judenfrage" zu besprechen.

Eine regelmäßig wiederkehrende Diskussion

Auf Twitter folgte eine breite Diskussion darüber, ob die Nazis nicht doch Sozialisten, also im politischen Spektrum links gewesen wären. Dies ist eine regelmäßig wiederkehrende Diskussion, die meist darauf abzielt, die politische Linke zu diskreditieren. Birgt Doblers Behauptung einen wahren Kern?

Auch Bernhard Weidinger, der für das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands arbeitet, beteiligte sich an der Diskussion.

Die Frage, ob die Nazis Sozialisten waren, beantwortet der Geschichtsprofessor Werner Suppanz von der Universität Graz knapp, aber bestimmt mit: "Eindeutig nicht." Adolf Hitler selbst habe im Jahr 1928 erklärt, dass seine Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) nicht sozialistisch sei.

Gegen Verstaatlichung privater Produktionsmittel

Suppanz führt zwei Punkte an. Einerseits traten Nazis nie für eine Verstaatlichung privater Produktionsmittel, das zentrale Fundament linker Weltanschauung, ein. Zwar existierte vor der Machtübernahme der Nazis ein Flügel innerhalb der Partei, der sich antikapitalistisch und revolutionär gab, dieser war aber hauptsächlich dafür gedacht, um Arbeiter und Arbeiterinnen für sich zu gewinnen. Hitler ließ die Leitfigur dieses Flügels, Gregor Strasser, 1934 liquidieren. Strasser hatte sich schon zuvor von den "linken" Forderungen distanziert, die Bedeutung des Privateigentums betont und gute Kontakte zu deutschen Industriellen entwickelt.

Rassisches und biologistisches Denken

Anderseits herrschte bei den Nazis ein rassisches und biologistisches Denken, das klar "rechts zu verorten ist", erklärt Suppanz. Schließlich war die Grundlage der nationalsozialistischen Weltanschauung die Ungleichwertigkeit der Menschen, die schließlich zum Rassenwahn des NS-Regimes geführt hat. Das ist das genaue Gegenteil des linken Gleichheitsideals.

Konzept Volksgenosse

Eine weitere Grundlage der Weltanschauung der Nationalsozialisten war das rassistische Konzept des Volksgenossen, das die Ungleichheit der Menschen betonte und sich gegen den angeblichen "jüdischen Bolschewismus" richtete, sagt Hannes Leidinger, Historiker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien.

Auch die Politikwissenschafterin und Autorin Natascha Strobl nahm auf Twitter an der Diskussion teil.

Hitler habe sich als Volkstribun und die NSDAP als Volkspartei gesehen und sei deswegen auf die (linke) Arbeiterschaft zugegangen. Ihre Anführer aus den Reihen der Sozialdemokraten, Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten ließ er hingegen bekämpfen und ermorden. In den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten mussten diese politischen Gefangenen rote oder, wenn sie sie Juden oder Jüdinnen waren, rot-gelbe Stoffdreiecke auf ihrer Kleidung tragen. (Markus Sulzbacher, 26.1.2022)