Die Gratiszeitung "Heute" verlor nicht rechtskräftig einen Medienprozess, da sie die Unschuldsvermutung eines Verdächtigen verletzt haben soll.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Zu den großen Mysterien der Medienwelt gehört ja die Frage, wie Albert L. zum Spitznamen "Bierwirt" gekommen ist. Denn der 43-Jährige hat zwar Bier verkauft, war aber nie Gastronom. Da ein griffiger Ausdruck aber hängen bleibt, ist L. seit seiner später zurückgezogenen Klage gegen die Grünen-Politikerin Sigrid Maurer als solcher bekannt und wurde im Zusammenhang mit dem Mord an seiner Ex-Freundin in der Berichterstattung von "Heute" auch als "Bierwirt" genannt. L. sah durch die Artikel allerdings seine Unschuldsvermutung verletzt, daher muss Richter Daniel Potmesil nun in einem Verfahren nach dem Mediengesetz urteilen.

"Heute"-Anwältin Iris Hermetter argumentiert, dass überwiegend im Konjunktiv berichtet worden sei und die beanstandeten Äußerungen primär in Zitaten von Familienangehörigen der Getöteten vorkämen. Durchaus mutig ist ihre Ausführung, dass Begriffe wie "Opfer", "Mord" und "Femizid" keine strafrechtlichen Wertungen seien, da "Heute" sich nicht an juristisches Fachpublikum wende. Eine Verurteilung würde bedeuten, dass künftig überhaupt nicht mehr über Frauenmorde berichtet werden dürfe. Und darüber hinaus sei L. ja im Dezember nicht rechtskräftig wegen des Mordes zu lebenslanger Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt worden.

Gesamteindruck entscheidend

Richter Potmesil sieht das nicht so und verurteilt das Medium zur Zahlung von insgesamt 6.000 Euro an L. für die Serienberichterstattung. "Der Gesamteindruck eines Artikels ist entscheidend", begründet er seine Entscheidung. In den Artikeln seien viele Vokabeln, die den Eindruck erweckten, L. sei ein Mörder. Als Beispiel nennt er "Killer" und Mord". Dass sie in Zitaten verwendet werden, lässt er nicht gelten – damit könnte man jegliche gesetzliche Regelung umgehen.

Die spätere Verurteilung L.s spiele ebenso keine Rolle, da er zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch als unschuldig zu gelten hatte. "Ich teile auch die Ansicht, dass über Femizide berichtet werden muss", konzediert der Richter, die Frage sei aber, wie. Aus seiner Sicht jedenfalls nicht so, wie "Heute" es gemacht habe. Da Hermetter keine Erklärung abgibt, ist die Entscheidung nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 28.1.2022)