Komplexitätsforscher haben einen Simulator für die Auswirkungen verschiedener Corona-Präventionsmaßnahmen entwickelt.

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Wien – Die Omikron-Variante erschwert die Eindämmung eines Covid-19-Ausbruchs an Schulen deutlich. Laut einem von Komplexitätsforschern entwickelten Simulator für die Auswirkungen verschiedener Präventionsmaßnahmen bräuchte es mittlerweile an allen Schultypen den ganzen Strauß an Maßnahmen – vom Maskentragen über die Impfung bis zu Klassenteilungen –, um Omikron Einhalt zu gebieten. Schon im Vorjahr hatten die Wissenschafter einen Policy-Brief über die Effektivität von Präventionsmaßnahmen für eine nachhaltige Öffnung der Schulen erarbeitet. Die Forscher stellen ihr überarbeitetes Tool nun im Fachblatt "Nature Communications" vor.

Den sogenannten Covid-19-Präventionsmaßnahmen-Explorer für Schulen hat das Team um die mittlerweile an der Technischen Universität Graz tätige Jana Lasser sowie Johannes Sorger, Stefan Thurner und Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna bereits im vergangenen März vorgestellt. Darauf folgten eine Publikation dazu auf dem Preprint-Server medRxiv und nun die von Fachkollegen überprüfte Studie. Dem Tool liegen tausende Simulationsresultate zugrunde, mit denen die Wissenschafter in Zusammenarbeit mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) die verschiedenen Präventionsmaßnahmen an den einzelnen Schultypen bewerteten.

Daten aus Schul-Clustern als Basis

Zur Kalibrierung der Simulationen verwendeten die Forscher anonymisierte Ages-Daten aus 616 Schulclustern, die im Herbst 2020 gesammelt wurden. Dazu kamen Informationen aus Interviews mit Schulleitern und Lehrern über die Umsetzbarkeit von Maßnahmen. Immer ausgehend von einem Anlassfall unter Schülern oder Lehrern, kann mit dem System ein Ausbreitungsszenario berechnet werden. Dazu braucht es Informationen über die Größe der Schule, den Schultyp, die Anzahl der Klassen und deren Größe. Dazu können verschiedene Maßnahmen wie das Tragen von Masken, regelmäßiges Lüften und Testen von Schülern und Lehrern oder die Halbierung der Präsenz in den Klassen gesetzt werden. Außerdem kommen noch Annahmen über verschiedene Durchimpfungsraten bei Lehrpersonal und Kindern hinzu.

Für die nun veröffentlichte Studie liefen die Berechnungen noch unter der Annahme, dass man es mit der bis zum Jahreswechsel dominanten Delta-Variante zu tun hatte. "Wir können unser Modell aber jederzeit anpassen und verschiedenste andere Szenarien simulieren", sagt Lasser, die Erstautorin der Studie.

Unterschiede zwischen Delta- und Omikron-Variante

Unter der Delta-Annahme zeigte sich, dass an Volksschulen und Unterstufen mit ungeimpften Kindern und zu 80 Prozent geimpften Lehrern eine infizierte Person im Schnitt weniger als eine weitere ansteckt, wenn gelüftet wird, Masken getragen und die Klassen verkleinert werden. Wäre zusätzlich die Hälfte der Kinder geimpft, könnten mit diesem Maßnahmenbündel alle Schultypen relativ sicher öffnen, heißt es in einer Aussendung des Complexity Science Hub.

Erste Berechnungen mit der Omikron-Variante, die nicht in der Arbeit enthalten sind, zeigen aber ein anderes Bild. "Meine – jetzt natürlich noch nicht begutachteten – Ergebnisse zeigen, dass wir durch die stark erhöhte Infektiosität von Omikron alle verfügbaren Maßnahmen in allen Schultypen brauchen, um große Ausbrüche an Schulen zu verhindern. Nur Volksschulen können eine Maßnahme weglassen, zum Beispiel das Teilen von Klassen", erklärt Lasser.

Mit dem System könnten jedenfalls auch Laien einen anschaulichen Einblick in die Virusverbreitung bekommen. Man sehe etwa, dass schon kleine Abweichungen von Vorgaben ausreichen können, "um die Clustergrößen nicht ein bisschen, sondern sofort exponentiell wachsen zu lassen", so Klimek. Auf diese Weise könne man Überzeugungsarbeit leisten. (APA, 27.1.2022)