Die SFO Safer rostet im Roten Meer vor sich hin.

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Schon lange gab es keine Wartungsarbeiten mehr an dem Tanker.

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Sanaa/Wien – Für Experten lautet die Frage nicht, ob die Katastrophe jemals eintreten wird, sondern eher, wann. Mehr als 1,1 Millionen Fässer Rohöl befinden sich noch im Tanker FSO Safer vor der Küste Jemens. In einem rostigen Schiffskörper. Die Sicherheitssysteme – etwa Brandbekämpfungsanlagen – sind bereits ausgefallen, und seit Jahren hat niemand mehr den Zustand des Tankers überprüft. Das Schiff wurde zuletzt als Ölübergabe-Terminal genutzt und war 2015 von den Huthi-Rebellen besetzt und ohne Wartungsarbeiten seinem Schicksal überlassen worden. Ein Leck im Maschinenraum wurde im Jahr 2020 nur notdürftig geflickt.

Eine neue Studie der Umweltorganisation Greenpeace warnt vor möglichen Szenarien, wie die tausenden Tonnen Öl ins Meer – und weiter in die Trinkwasserversorgung der Menschen in der Region – gelangen könnten. Die Katastrophe, die die Umweltschützer vorhersagen, wäre viermal so groß wie das Ölleck des havarierten Tankers Exxon Valdez, der 1989 vor der US-Küste auf Grund gelaufen war und weite Teile des Ökosystems zerstört hatte.

Zum einen könnte das Rohöl kontinuierlich durch ein Leck im Schiffskörper ins Meer gelangen. Oder eine Explosion an Bord könnte zu einem massiven Austritt des Rohstoffs führen – und gleichzeitig zu einer starken Luftverschmutzung in der Region. Möglich ist auch, dass der Tanker sinkt – und mit ihm die giftige Fracht.

Fehlende Hilfslieferungen

Laut Greenpeace hätte der Ölaustritt weitreichende Folgen. Zum einen wären die Fische und Meerestiere bedroht, was in weiterer Folge die Lebensgrundlage von rund 1,7 Millionen Fischern und Angestellten der Fischereiindustrie in der Region zerstören würde. Zum anderen könnten die Häfen Hodeidah und Salif nicht mehr angesteuert werden, über die ein Großteil der Hilfslieferungen in den kriegsgebeutelten Jemen gelangt. Mehr als acht Millionen Menschen würden laut Greenpeace-Experten keine Nahrungsmittelunterstützung mehr erhalten. Doch nicht nur sie wären im Fall eines Ölaustritts gefährdet, sondern ebenso die Trinkwasserversorgung von fast zehn Millionen Menschen.

Ahmed ElDroubi von Greenpeace Jemen rechnet im Mediengespräch vor, dass im Fall eines Lecks im Winter das Rohöl Richtung Norden fließen und so auf die Arabische Halbinsel treffen würde. Im Sommer würde es in den Süden Richtung Eritrea und Dschibuti treiben.

Verstopfter Suezkanal

Eine Katastrophe in der Region hätte prinzipiell globale Auswirkungen auf den Schiffsverkehr. Denn auch der Suezkanal wäre vom Ölaustritt betroffen, und eine Verstopfung der wichtigen Seestraße gab es bereits im vergangenen Jahr, als die Ever Given quergestanden ist. Der Schaden belief sich damals auf 60 Milliarden US-Dollar täglich. Nur dass bei der Ölkatastrophe ein Ende fast nicht in Sicht wäre.

Die Experten von Greenpeace fordern deshalb, dass Ausrüstung in die Region geschafft wird, die einen Ölaustritt eindämmen kann. Die Vereinten Nationen könnten Equipment aus Norwegen, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und aus Ländern der Region wie Bahrain anliefern. Am sichersten ist es laut Umweltschützern aber, das gesamte Öl abzupumpen und auf einen anderen Tanker zu verladen. "Das Know-how existiert für solch eine Aktion", sagt Paul Horsman, der Leiter des "Safer"-Projekts bei Greenpeace: "Die Grenzen für dieses Vorhaben sind nicht technischer, sondern politischer Natur." (Bianca Blei, 27.1.2022)