Eine 24 Jahre alte Angeklagte soll zahlreiche Bekannte um über 100.000 Euro betrogen haben.

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Wien – "So etwas Dreistes muss Folgen haben", macht die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer keine Anstalten, ihre Meinung über die Handlungen von Kerstin S. zu verbergen. "Das Haftübel hat offenbar überhaupt nichts gebracht", stellt die Anklägerin völlig korrekt das Scheitern des spezialpräventiven Ansatzes fest – die 24-jährige Angeklagte, die bereits drei Vorstrafen wegen Betrugs hat, hat nämlich weiter Bekannte um Geld geprellt, während sie noch eine "Fußfessel" trug.

Von Mai 2019 bis Ende September 2021 soll S. so in 17 Fällen ihren Opfern über 100.000 Euro herausgelockt haben. Einem Bekannten erzählte sie beispielsweise, für 10.000 Euro könne sie den elektronisch überwachten Hausarrest früher beenden – er zahlte. Einem anderen Mann sagte sie, eine gute Freundin von ihr liege im Sterben, und sie wolle die Patenschaft für deren Kinder übernehmen. Das verursache natürlich Kosten – der Freund nahm einen Kredit über 50.000 Euro auf und gab ihr 40.000 davon. Wieder anderen fantasierte sie vor, sie habe eine Firma gegründet, aber noch keine Umsatzsteuernummer. Daher möge man doch für die Mitarbeiter Handyverträge abschließen – die Mobiltelefone verkaufte sie im Internet.

"Es gibt nichts zu beschönigen"

"Es gibt nichts zu beschönigen", redet auch Verteidiger Normann Hofstätter nicht um die heiße pürierte Speise herum. Der Fall sei aber etwas ungewöhnlich, betont der Rechtsvertreter: Seine Mandantin habe im Tatzeitraum nämlich diverse Jobs gehabt, zuletzt verdiente sie als Angestellte 1.300 Euro im Monat. "Sie hat nicht nur auf großem Fuß gelebt, sondern auch offene Baustellen gehabt", erläutert Hofstätter: Aus den früheren Delikten sind 100.000 Euro Schulden offen.

S. selbst möchte vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Stefan Romstorfer nicht allzu viel reden. Sie bekennt sich schuldig und beteuert: "Ich schäme mich in Grund und Boden." Ihre Taten "kann man absolut nicht rechtfertigen oder entschuldigen", gesteht die junge Frau auch noch ein. "Ein bissl sprachlos macht das schon, muss ich offen sagen. Diese Karriere", merkt Romstorfer an.

Dem es dann doch noch gelingt, etwas aus der Angeklagten herauszulocken. S. erzählt, sie sei mit 15 daheim ausgezogen, habe ihre Jugend teilweise in Krisenzentren verbracht. "Ich wurde von Mama zu Papa herumgeschossen wie ein Flummi", schildert sie. Mittlerweile habe sie aber Rückhalt von ihrer Mutter und Schwester, daher hofft sie auch, künftig ihren Lehrabschluss nachholen zu können, ein Schuldenregulierungsverfahren zu beginnen und in Raten ihre Opfer entschädigen zu können.

"Ich kann es Ihnen wirklich nicht erklären"

Die Staatsanwältin kann die ganze Angelegenheit schlicht nicht fassen: "Sie waren in Haft! Und haben einfach weitergemacht! Haben Sie dafür irgendeine Erklärung?", fragt sie die Angeklagte. "Ich kann es Ihnen wirklich nicht erklären", entschuldigt S. sich.

"Sie hat es jetzt wirklich kapiert", versichert Verteidiger Hofstätter und weist darauf hin, dass S. "noch ein junges Dirndl" sei. Er habe sie sicher 20-mal in der Untersuchungshaft besucht und von der Angeklagten den Eindruck gewonnen, dass sie sich wirklich schäme. "Es tut mir von ganzem Herzen leid", sagt S. den Tränen nahe in ihrem Schlusswort.

Da sie eine Rückfalltäterin ist, kommt der Paragraf 39 des Strafgesetzbuchs, "Strafschärfung bei Rückfall", zur Anwendung, und die drohende Höchststrafe erhöht sich um die Hälfte auf siebeneinhalb Jahre. Der Senat bleibt dennoch unter der Hälfte und verurteilt die Angeklagte zu drei Jahren Haft, zusätzlich werden 15 offene Monate aus der jüngsten Vorstrafe widerrufen. Während S. die Entscheidung akzeptiert, gibt die Staatsanwältin keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 27.1.2022)