Eigentlich fühle ich mich halbwegs erholt, als in der Früh der Wecker klingelt. Doch meine Fitnessuhr am Handgelenk ist anderer Meinung: Im Tiefschlaf befand ich mich mickrige 33 Minuten, die REM-Phase dauerte knapp eine Stunde, den Rest der Nacht bin ich im leichten Schlaf dahingedämmert.

Wer will, kann Nacht für Nacht viele Daten über sich sammeln.
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Ja, ich tracke meinen Schlaf – und bin damit nicht allein. Auch die Nacht ist längst zum Hobbyforschungsfeld für uns Selbstoptimiererinnen und -optimierer geworden. Schlaftracker, Fitnessuhren und die dazugehörigen Apps machen es möglich. Doch wie genau sind die Daten, die Nacht für Nacht gesammelt werden, eigentlich?

Birgit Högl, Leiterin des Schlaflabors an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck, muss lachen, als ich ihr die harten Fakten zu meiner offenbar noch härteren Nacht auf die Minute genau herunterbete: "Das ist alles relativ unwahrscheinlich", sagt sie. Junge Frauen seien nämlich in der Regel länger im Tiefschlaf. Das ist auch gut so: Dieser ist für unser Gehirn besonders wichtig, weil dabei toxische Stoffwechselprodukte abtransportiert werden.

Auch den leichten Schlaf, in dem ich offenbar einen Großteil der Nacht dahingedöst habe, stellt Neurologin Högl infrage: Hier fasst meine Uhr zwei unterschiedliche Schlafphasen – die wenig erholsame Einschlafphase und die mittlere Schlafphase – zusammen. Besonders aussagekräftig sei der Wert am Ende daher nicht.

Eine blau-lila-pinke Nacht

So wie die Expertin überhaupt die Messgenauigkeit der Tracker infrage stellt – auch wenn die Uhren immer besser werden und mittlerweile eine Vielzahl an Sensoren hochaktiv ist, während wir im Land der Träume sind. Meist analysieren die Geräte, wie viel man sich in der Nacht bewegt, und schließen davon auf bestimmte Schlafphasen. Auch Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität und Sauerstoffsättigung fließen – je nach Modell – in die Berechnung mit ein. Dennoch: "Mit dem, was wir im Schlaflabor messen, haben die Tracker auf dem Markt nichts zu tun", stellt Högl klar.

Im Zweifel lieber dem Gefühl als dem Gerät vertrauen, rät die Expertin.
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Die einzige Erkenntnis, die viele aus ihren nächtlichen Messungen ziehen: "Ich wusste nicht, wie schlecht ich schlafe – bis ich meinen Schlaf getrackt habe." Das kann man, so wie ich, mit einem Blick auf eine blau-lila-pinke Grafik zu meinen unterschiedlichen Schlafphasen zur Kenntnis nehmen und die Kaffeemaschine einschalten. Das kann aber auch zur oft völlig unbegründeten Sorge führen, dass etwas mit dem Schlaf nicht stimmt – obwohl alles in bester Ordnung ist.

Birgit Högl rät dazu, mehr auf den eigenen Körper als auf den Schlaftracker zu vertrauen: "Man weiß ja selbst, ob man sich in der Früh erholt fühlt." Das Gefühl nach dem Aufwachen sei eines der untrüglichsten Zeichen dafür, dass man gut schläft. Im Zweifel könne man auch probieren, einmal länger zu schlafen. Das ist ein trivialer, aber häufiger Grund dafür, dass man sich in der Früh nicht erholt fühlt.

Sieben bis neun Stunden

Wünschenswert sind sieben bis neun Stunden Schlaf pro Nacht. Neben stressigem Job und Familie geht sich das für viele Menschen in manchen Lebensphasen aber dauerhaft nicht aus. "Es ist weit verbreitet, dass die Menschen weniger schlafen, als ihr Körper bräuchte", sagt Högl.

Auf die Dauer kann das zu gesundheitlichen Problemen führen. Zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Übergewicht, zum Beispiel, oder einem geschwächten Immunsystem. Schlafmangel verursacht auch kognitive Beeinträchtigungen. Politikerinnen und Politiker, die nach ein paar Stunden Schlaf wichtige Entscheidungen treffen? Aus Sicht der Schlafmedizin nicht ratsam. Auch den neuen Job oder den Wohnungskauf sollte man sich lieber ausgeschlafen durchüberlegen.

Weitere kleine Schrauben, an denen man in puncto Schlafoptimierung drehen kann: nicht zu spät sporteln oder Kaffee trinken; früh zu Abend essen. Das Schlafzimmer sollte nicht zu warm sein und dunkel sein, um die Ausschüttung des Hormons Melatonin, einem körpereigenen Schlafmittel, anzuregen.

Hilfe von Profis

Das war’s aber auch schon. "Es gibt beim Schlaf Dinge, die man nicht willentlich optimieren kann", sagt Högl. Wer beispielsweise zu einer bestimmten Zeit einschlafen will, wird sich damit unter Umständen schwertun. Schlaf lässt sich nämlich auch durch hunderte imaginierte Schäfchen nicht erzwingen.

Es gibt aber auch Schlafprobleme, bei denen es die Hilfe von Profis braucht: Menschen mit Einschlaf- und Durchschlafproblemen, mit Störung der Atmung im Schlaf, Menschen mit Restless-Leg-Syndrom oder mit Parasomnien zum Beispiel. Seit kurzem gibt es an der Universitätsklinik für Neurologie der Med-Uni Innsbruck auch eine eigene Sprechstunde für Menschen, die nach ihrer Corona-Erkrankung nicht mehr gut schlafen.

Manche verbringen zur Abklärung eine Nacht im Schlaflabor. Dort wird das gemacht, was Schlaftracker gern können würden. Beim EEG werden die Gehirnaktivitäten gemessen, was Rückschlüsse auf die Schlafphase zulässt. Elektroden in den Augenwinkeln messen die Augenbewegung. Außerdem werden Parameter wie Muskeltonus, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Atembewegungen gemessen und die ganze Nacht mittels Infrarotkamera aufgezeichnet. Die Auswertung der vielen Daten sei dann zeit- und personalaufwendig, betont Högl. Dafür stehen am Ende meist Diagnose und Abhilfe.

Schlaf im Fokus

Wer sich Selbiges vom Gadget am Handgelenk erwartet, wird enttäuscht – zumindest noch: Matteo Cesari ist Experte für Biomedizin und forscht an der Med-Uni Innsbruck zu Schlafuntersuchungen mithilfe von Artificial Intelligence. Derzeit sei schwer nachvollziehbar was die Geräte am Handgelenk genau messen, da einheitliche Methoden fehlen. "Aber das wird die Zukunft bringen", sagt er. Dann könnten die smarten Geräte als Ergänzung zum Schlaflabor daheim valide Daten sammeln.

Für uns Selbstoptimiererinnen und -optimierer heißt das: Irgendwann wird der Tracker unsere Schlafdaten ans Smart Home liefern, das dann beispielsweise die Beleuchtungssituation für die jeweilige Schlafphase optimiert. Bis es so weit ist, müssen wir aber noch selbst an die Jalousien denken.

Immerhin ist mit den Trackern das Thema Schlafgesundheit aber in den Fokus gerückt. Zuletzt war es durch Workaholics wie Tim Cook eher en vogue, damit zu prahlen, wie wenig Schlaf man braucht. Was wohl seine Apple-Watch dazu sagt?

Eineinhalb Stunden Tiefschlaf, fast zwei Stunden REM-Phase, insgesamt neun Stunden Schlaf, sagt mir meine Uhr jedenfalls ein paar Tage später. Passt, findet sie. Passt, finde ich – und schlafe weiter. (Franziska Zoidl, 28.1.2022)