Österreich ist Europameister in Sachen Rundfunkgebühren. Die Union der öffentlich-rechtlichen Sender EBU, der auch der ORF angehört, sammelt europaweit die Daten über die Kosten pro Haushalt und berechnet deren Kaufkraft im jeweiligen Land. Österreich liegt da in den jüngsten Charts der EBU ganz vorn. Und das, noch bevor der ORF mit 1. Februar seine Programmentgelte um 1,38 Euro pro Monat auf 18,59 erhöht.

Den Meistertitel verdankt Österreich nicht dem ORF allein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bekommt rund zwei Drittel der GIS von gut drei Millionen zahlenden Haushalten. Zur Spitzenposition nach Kaufkraft und, laut EBU-Übersicht von 2021, zum zweiten Platz nach Euro-Beträgen bringen Österreich Abgaben von Bund und sieben Ländern auf Programmentgelte.

Der aktuellste von der Rundfunkunion EBU zur Verfügung gestellte Überblick der jährlichen Gebühren unter ihren Mitgliedern und der EBU-Berechnung nach Kaufkraftstandard (PPS) stammt vom Stichtag 1. Jänner 2020. Deutschland etwa hat inzwischen die Beiträge um zehn Euro pro Jahr erhöht. Der ORF erhöht mit Februar sein Programmentgelt um 16,56 Euro pro Jahr – und einige Abgaben darauf wachsen mit.
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"Atemberaubende" Abgaben

"Atemberaubend" nennt die EBU die Höhe der österreichischen Abgaben auf Rundfunkgebühren. Samt Mehrwertsteuer kommen Bund und Länder auf fast ein Drittel der eingehobenen Abgaben, eine europäische Ausnahmeerscheinung.

Nur Vorarlberg und Oberösterreich verzichten auf die Sondersteuern. Menschen in Vorarlberg und Oberösterreich zahlen ab Februar 22,45 Euro GIS pro Monat. Ihre Landsleute in der Steiermark aber mit Landesabgaben 28,65 Euro, im Burgenland 28,45 und in Wien und Niederösterreich 28,25 Euro.

Die Mittel fließen in Musikschulen wie in Kärnten oder in Altstadterhaltung wie in Wien, das aber auch nichtkommerzielle Medien fördert. Oder ins Landesbudget.

Wofür die GIS?

Der ORF ist dank Programmentgelts Österreichs weitaus größter Medienkonzern. 645 Millionen Euro nahm er bisher jährlich aus GIS-Gebühren ein, nun dürften es rund 700 Millionen werden. Sie machen zwei Drittel der einen Milliarde ORF-Umsatz aus, dazu kommen etwa Werbung und Programmverkäufe. Der ORF ist größer als die größten vier Zeitungskonzerne, größer als alle Privatsender zusammen.

Wofür bekommt der ORF das Geld? Für eine gesetzlich als öffentlich-rechtlicher Auftrag umrissene Dienstleistung, gedacht im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger. Der Auftrag ist weit und teils schwer greifbar definiert – von nicht näher ausgeführter "Unterhaltung" über Bildung, Kultur, Wissenschaft bis zu von wirtschaftlichen wie (partei)politischen Interessen unabhängiger, vielfältiger Information.

Die Streaminglücke

Weil das ORF-Gesetz die GIS noch allein für Rundfunkempfang vorsieht, ist Streaming gebührenfrei. Der ORF nennt das "Streaminglücke" und wünscht sich ihre Schließung per ORF-Gesetz spätestens seit 2015, als der Verwaltungsgerichtshof die GIS-Freiheit für Streamer klarstellte.

Finnland und Schweden haben Rundfunkgebühren durch einkommensabhängige Steuern ersetzt; die Einnahmen gehen in Fonds außerhalb des Staatsbudgets, um finanzielle Unabhängigkeit zu sichern. Norwegen, Spanien und osteuropäische Staaten finanzieren den Öffi-Funk aus dem Staatsbudget. Als ÖVP und FPÖ 2017 bis 2019 in diese Richtung arbeiteten, warnten ORF und Wissenschaft vor auch finanzieller Abhängigkeit von der Politik.

Deutschland, wo Verfassungsrecht Staatsferne verlangt, gibt es seit 2013 eine Haushaltsabgabe für Rundfunk unabhängig vom Empfang, inzwischen auch in der Schweiz. Die Grünen in Österreich drängen auf eine Haushaltsabgabe, die ÖVP lehnte diese bisher ab.

Reduzierte Abgaben für alle Haushalte

Deutschland kürzte die Abgabenhöhe mit der Umstellung, auch weil so mehr Haushalte zahlen, die Schweiz sogar um ein Viertel. Die Mehrwertsteuer auf Gebühren kippte 2015 das Schweizer Höchstgericht.

Das könnte der Republik ebenfalls blühen: Eine Sammelklage des Prozessfinanzierers Advofin gegen die Mehrwertsteuer auf die GIS liegt derzeit beim Verwaltungsgerichtshof. Rückerstatten müsste im Fall des Falles die Republik – aber der ORF würde damit die Möglichkeit auf Vorsteuerabzug verlieren. Rückwirkend könnte das bis zu 300 Millionen Euro kosten.

39 Prozent unter Inflation

Der ORF bleibt mit den acht Prozent GIS-Erhöhung 39 Prozent unter der Inflationsprognose des Wifo für die nächsten fünf Jahre, betont man auf dem Küniglberg. Hätte sich das Programmentgelt mit dem Verbraucherpreis seit 1989 bis 2026 gesteigert (2022 bis 2026 Prognose), würde es auf 22,2 Euro steigen. Mit der aktuellen Erhöhung steigt es auf 18,59 Euro im Monat.*

Spätestens 2026 muss der ORF laut Gesetz seinen öffentlich-rechtlichen Aufwand berechnen und einen nächsten Gebührenantrag stellen. (Harald Fidler, 28.1.2022)