Ist Wolfgang Sobotkas Position als Nationalratspräsident mit dem Vorsitz im Korruptions- Untersuchungsausschuss vereinbar?

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Wenn Bundeskanzler Karl Nehammer wirklich davon überzeugt ist, dass seine Partei kein Korruptionsproblem hat, dann sollte ihm das die Kraft verleihen, seine Parlamentsfraktion – die ja öffentlich derselben Überzeugung frönt – davon zu überzeugen, dass Wolfgang Sobotka nicht Vorsitzender des Untersuchungsausschusses sein kann, der sich schon bald an dieser Überzeugung abarbeiten wird.

Selbst wenn Sobotka nicht so schwer belastet sein sollte, wie Peter Pilz behauptet, ist er doch in viele Vorgänge der letzten Jahre, um die es im Ausschuss gehen wird, involviert genug, um ihn als zur Objektivität verpflichteten Vorsitzenden untragbar erscheinen zu lassen.

Symposium über notwendige Nachschärfungen

Als wollte er in dieser Situation gut Wetter für sich machen, gebar Sobotka ausgerechnet jetzt die Idee zu einem Symposium über notwendige Nachschärfungen im Kampf gegen den Antisemitismus. Als Anlass dienten Demonstranten, die sich mit erhobenem Davidstern zu neuen Juden, also zu Opfern stilisieren wollen. Das ist ebenso ekelhaft wie leicht durchschaubar, würde aber gar nicht vorkommen, wenn in Österreich der Kampf gegen Antisemitismus und einen Rechtsextremismus, der solche Auftritte inspiriert, nicht permanent vernachlässigt würde. Man müsste heute vielleicht nicht nachschärfen, hätte Sobotka ein Symposium zum Thema angeregt, als sein blauer Koalitionspartner immer wieder mit rechtsextremistischen Entgleisungen auffiel. An denen ist diese ideale Partnerschaft jedenfalls nicht zerbrochen.

Aber auch ein spätes Symposium zum Thema Antisemitismus schadet nicht, wenn Sobotka es leitet und dafür auf den Vorsitz im Untersuchungsausschuss freiwillig verzichtet. Wie weit die Grünen bereit sind, sich in der Sache wieder einmal um des Koalitionsfriedens willen zu verbiegen, wird interessant zu sehen sein.

Der Untersuchungsausschuss ist wichtig, weil er möglichst vieles von dem aufarbeiten soll, was immer mehr Österreicherinnen und Österreicher nur noch als Zumutung empfinden. Er fällt in eine Zeit, in der die Pandemie, auch wenn sie bis auf weiteres bleibt, als Ausrede für die politische Quarantäne, in der sich das Land befindet, immer rascher an Glaubwürdigkeit verliert. Der Zustand des Landes spiegelt die Zustände der Parteien wider.

Ein Scherbenhaufen

Nach vier Jahren Kanzlerschaft Kurz steht die Republik vor einem Scherbenhaufen, diagnostizierte im Falter einer der Proponenten des Rechtsstaats- und Antikorruptionsvolksbegehrens. Den Parteien geht es nicht besser. Die Geschlossenheit und damit verbunden die Handlungsfähigkeit der SPÖ ist von eher komatösem Charakter. Ein verzweifelter Konservativer machte sich gar im Österreichteil der deutschen Zeit Luft. Keine Vision, keine Idee, bestätigte er seiner ehemaligen Heimat ÖVP. Die Grünen – Scheinaktivität vor windelweichem Opportunismus. Witzig – sogar die FPÖ stöhnt unter Anführer Herbert Kickl aktuell: Drittes Lager – wohin? Die Parteien kommen ihrer Aufgabe, für eine saubere, sozial gerechte Politik zu sorgen und dafür das geeignete Personal zur Verfügung zu stellen, nur noch in einer Schwundstufe nach.

Die Ursachen dafür, heißt es immer wieder, liegen weit zurück. Mag sein, doch erste Abhilfe muss bei aktuellen Missständen ansetzen, auch im U-Ausschuss. Die Kanzlerwarnung vor einem Tribunal ist völlig fehl am Platz. (Günter Traxler, 28.1.2022)