Für 2022 hat die EU das Jahr der Jugend ausgerufen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begründete dies damit, dass junge Menschen während der Pandemie aus Rücksicht auf andere auf vieles verzichtet hätten. Zu oft verzichten mussten junge Menschen in der Vergangenheit auch auf faire Bezahlung, ist Silja Markkula überzeugt. Die finnische Präsidentin des European Youth Forum, der weltweit größten NGO in Jugendfragen, die in mehr als 41 Staaten aktiv ist, will sich in diesem Jahr deshalb auch für ein Ende der unbezahlten Praktika einsetzen.

STANDARD: Ist die Jugend ausreichend repräsentiert in der EU?

Markkula: Nicht wirklich, nein. Die Anzahl junger Abgeordneter ist lächerlich gering. Wer also erhebt die Stimme in unserem Namen, für die Dinge, die uns wichtig sind? Da sehen wir nicht wirklich jemanden. Und das merkt man leider auch bei den Dingen, die am Ende herauskommen. In Staaten, in denen es Jugendräte gibt, wo junge Menschen konsultiert werden müssen, wenn sie von einem bestimmten Gesetz betroffen sind, klappt es besser. In der EU gibt es diese Strukturen nicht.

STANDARD: Wie kommen wir da hin?

Markkula: Einerseits müssen Parteien jüngere Menschen auf wählbaren Plätzen nominieren, aber auch die Jugendorganisationen müssen sich vermehrt einbringen und Gehör finden und ihrerseits mit jungen Menschen in Kontakt treten. Sie müssen sich aber auch vermehrt fragen: Sind das die Themen, die unsere Jugend wirklich beschäftigen?

STANDARD: Was sind die drängendsten Fragen für die Jugend?

Markkula: Es ist diese Phase, in der man immer autonomer wird, Schulen, Lehren und Studien erfolgreich abschließt, sein eigenes Leben beginnt und in die ersten Jobs eintritt. Und diese Phase durchleben alle jungen Menschen, unabhängig von ihrer politischen Orientierung oder Partei. Der Wohnungs- und Arbeitsmarkt spielt aber nun einmal nach bestimmten Regeln für junge Menschen, wenn wir nur an unbezahlte Praktika denken.

STANDARD: Sie wollen unbezahlten Praktika ein Ende bereiten?

Markkula: Ja, unbedingt. Wenn du Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern erlaubst, dich auszunutzen, dann werden sie es tun. Und es gibt einfach viel zu viele Schlupflöcher, die das ermöglichen.

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Klimaneutral Europa zu bereisen ist einer der Wünsche der Jugend. Für Praktika bezahlt werden, eine andere.
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STANDARD: Wie bringen wir europaskeptische junge Menschen dazu, die Vorzüge der EU – etwa das Erasmusprogramm – öfter zu nutzen und zu schätzen?

Markkula: Du musst finanziell schon ganz gut aufgestellt sein, um darüber überhaupt nachzudenken. Und je mehr wir es schaffen, junge Menschen aus dieser Vulnerabilität rauszuholen, desto eher werden sie bereit sein, rauszugehen und die Welt zu erforschen. Solange du aber finanziell nicht abgesichert bist, hast du einfach andere Probleme.

STANDARD: Welche Ziele sind auf EU-Ebene am leichtesten zu erreichen?

Markkula: Das Ende unbezahlter Praktika etwa. Man könnte es einfach verbieten. Ich will aber auch einen Jugendtest, wie er in Österreich existiert, wo alle neuen Gesetze auf ihren Einfluss auf die Jugend geprüft werden. Das könnte ein Gamechanger sein. Die Klimafrage ist für uns junge Menschen natürlich mit eine der wichtigsten überhaupt, wo wir uns zurückgelassen fühlen, wo mehr passieren könnte.

STANDARD: Aber war das immer schon so, oder wurde es schlimmer?

Markkula: Schwer zu sagen, ich bin zum ersten Mal jung. Es ist aber nun mal unsere Rolle in der Gesellschaft, die Lauten zu sein, vorhergehende Generationen zu kritisieren. Und da wir keine formellen Wege haben, die Gesellschaft zu beeinflussen, müssen wir raus auf die Straße.

STANDARD: Welche formellen Wege bleiben?

Markkula: Wir haben mehr als 100 Teilorganisationen. Da geht es einerseits darum, neue, starke junge Persönlichkeiten zu finden, aber auch Entscheidungsträgerinnen und Politiker zu überzeugen.

STANDARD: Sind das Gespräche auf Augenhöhe?

Markkula: Es gibt mehr Aufmerksamkeit für die Jugend. Wir sitzen öfter mit am Tisch, werden dann aber oft ignoriert bei den Umsetzungen. Das tut umso mehr weh. (Fabian Sommavilla aus Straßburg, 29.1.2021)