Der prekäre Verdienst von Kulturschaffenden ist seit langem Thema: Nun will die Politik gegensteuern.

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Die meisten Beschäftigten im Kunst- und Kulturbereich verdienen nicht viel mehr als 1000 Euro monatlich. Das haben in den letzten Jahren mehrere Studien in Österreich und Deutschland gezeigt. Zwar sind die Gehaltsunterschiede riesig und Ausreißer nach oben in der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent, die Heerschar an Geringverdienenden leistet aber nicht selten die Basisarbeit zum Funktionieren des Betriebs.

Damit sie nicht noch weiter abrutschen, sondern vernünftig von ihrer Arbeit leben können, wurde vor zwei Jahren auf Drängen der Interessenvertretungen von der Politik ein "Fair Pay"-Prozess gestartet. Im Fokus steht dabei vor allem die freie Szene, also jener sehr heterogene Teil des Kulturbetriebs abseits der staatlichen Einrichtungen, der von Vereinen, temporären Projektgruppen, Einzelpersonen etc. getragen wird. Die Bundesländer Salzburg (schwarz-grün regiert) und Wien (rot-pink regiert) sind vorgeprescht und haben bereits erste Maßnahmen zur Verbesserung der Situation gesetzt.

"Fair-Pay-Gap" erhoben

Dem Bund gelang es unter der Federführung von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) schließlich erstmals, alle Bundesländer in dieser Sache an einen Tisch zu bekommen. Abgerungen wurde ihnen die Zusage, dass man in der stark föderal strukturierten Kulturförderung (ein einzelnes Projekt ist meist von Bund, Land und Gemeinden gemeinsam gefördert) hinsichtlich fairer Bezahlung zu einer gesamtstaatlichen Lösung kommen will.

Der erste Schritt in diese Richtung, Andrea Mayer spricht vom "ersten Stück eines Marathons", wurde nun gesetzt: Am Donnerstag präsentierte die Staatssekretärin das Ergebnis einer Gallup-Erhebung zum sogenannten Fair-Pay-Gap, also jenem Mehrbedarf an Kulturförderung, der nötig wäre, um angemessene Bezahlung möglichst flächendeckend sicherzustellen.

Das Ergebnis: "Bei den rund 200 teilnehmenden (anonymisierten) Organisationen lag der Unterschied zwischen den aktuellen Personalkosten und den angenommenen Personalkosten nach den Fair-Pay-Empfehlungen der Interessengemeinschaften bei 21 Prozent." Umgerechnet auf alle Förderungen, an denen der Bund beteiligt ist, bedeutet das einen Mehrbedarf im ganzen Land von rund 25 Millionen Euro. Der Bund ist nun bereit, seinen prozentuellen Anteil daran – er entspricht im Schnitt 26 Prozent – im Jahr 2022 zusätzlich auszuschütten: Das bedeutet 6,5 Millionen Euro mehr für freie Kulturprojekte, so sie nach Fair-Pay-Kriterien arbeiten. Die Mittel hatte Mayer in der Budgeterhöhung für 2022 (61 Mio. Euro) bereits eingeplant, sie bezeichnet das Vorhaben als "Pilotphase".

Zuschüsse zweckgewidmet

Eine Garantie, dass die zusätzlichen Mittel auch in den kommenden Jahren im Budget bleiben, kann Mayer zwar nicht abgeben, es sei aber ihr erklärtes Ziel, dass das "kein Einmalereignis" wird. Förderwerbende, die nun in den Genuss der zusätzlichen Mittel kommen wollen, müssen ein Fair-Pay-Konzept vorlegen, "das die aktuelle und die angestrebte Gehalts- und Honorarsituation gegenüberstellt". Klar ist, dass die Mittel zweckgewidmet sind und von den Förderwerbenden nicht anderweitig, etwa für noch mehr künstlerisches Programm, verwendet werden dürfen.

Die Gefahr, dass die Mittel nicht fair an die Bedürftigen weitergegeben werden, besteht natürlich. Mayer appellierte diesbezüglich an eine "Mitverantwortung der Projektleiterinnen und -leiter". Das Ministerium werde "keine Finanz- oder Fair-Pay-Polizei werden", aber natürlich gebe es Förderkontrolle, und wenn Ungereimtheiten oder Missbrauch auftreten, müsse die Förderung zurückgezahlt werden.

In den Fachjurys, die über die einzelnen Förderungen entscheiden, wurde "Fair Pay" schon im vergangenen Jahr als ein Kriterium berücksichtigt. Gesetzlich verbindlich vorschreiben lasse sich das aber nicht, so die aktuelle Rechtsmeinung. Die Verdienstempfehlungen der Interessengruppen (IGs), an denen sich die Politik orientiert, seien nämlich nur einseitig festgelegte Orientierungshilfen und keine ausverhandelten Kollektivverträge. Bei diesen wiederum soll es indes Fortschritte geben, aktuell wird ein gemeinsamer Kollektivvertrag für alle Bundesmuseen verhandelt.

"Fokusgruppe Fair Pay" ab Februar

Die übrigen Millionen im Fair-Pay-Gap müssten von den anderen Fördergebern, Länder und Kommunen, gestemmt werden. Hinzu käme freilich noch weiterer Bedarf aus reinen Landesförderungen, an denen der Bund nicht beteiligt ist. Auch Fragen des Gender-Pay-Gaps (Frauen sind unter den Geringverdienenden noch einmal mehr benachteiligt als Männer) gilt es gesamtstaatlich zu diskutieren.

Im Februar startet Mayer daher gemeinsam mit den Bundesländern, dem Städtebund und den IGs die Arbeit einer "Fokusgruppe Fair Pay". Man wolle "nicht wieder in die Situation des Hin- und Herschickens" zwischen den Fördergebern kommen, sagt Mayer, "das ist aus einer anderen Zeit". Ihr Ziel sei es, "ein gemeinsames Regelwerk entstehen zu lassen", und zwar schon "in den nächsten Monaten".

Vonseiten der IGs gab es Lob für das Vorhaben ("ganz tolles Signal"), auch SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek sprach von einem "guten ersten Schritt". Die Oppositionssprecherin mahnte aber zugleich ein, dass gut kontrolliert werden müsse, wohin die Zuschüsse fließen, und dass es weitere Investitionen brauchen werde. Außerdem müsse der Bund zukünftig seinen Fördernehmern "klar vermitteln, dass Arbeits- und Sozialrechte einzuhalten sind und dass der Bund Lohndumping verurteilt." (Stefan Weiss, 28.1.2022)