In Österreichs Fleischgeschäft liegen die Nerven blank. Rewe weist Vorwürfe der Erpressung scharf zurück.

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Wien – Der Konflikt des Fleischverarbeiters Karl Schirnhofer mit Rewe beschäftigt mittlerweile auch die Politik. ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger holte zu einem Rundumschlag gegen Handelskonzerne aus. Sie ortet "ein schizophrenes und absurdes" System, das landwirtschaftliche Betriebe unter Druck setze. Unfaire Praktiken rund um Schirnhofer seien die Spitze des Eisbergs.

Nach dem Gespräch mit Rewe sei er mit zwei "Todesvarianten" nach Hause gefahren, schreibt der steirische Unternehmer in einer E-Mail an Vorstandschef Marcel Haraszti, das dem STANDARD vorliegt. "Soll ich alle meine Almos an Rewe abgeben? Wenn ich das nicht tue, verliere ich sämtliche Umsätze, auch den von meinem Hauptkunden Penny. Jetzt tue ich mir schwer, welchen dieser Tode ich sterben will. Bei welchem bin ich mehr tot?"

Almo und Hofstädter vereinen

Zur Erklärung: Schirnhofer baute mit Bauern über 28 Jahre lang die Marke Almo auf, die hohe Tierstandards für Ochsen verspricht und als sein Leitprodukt gilt. Wichtiger Abnehmer ist Rewe. Der Handelskonzern will Bedienungstheken von Billa- und Billa-Plus-Filialen auf Fleisch umstellen, das mehr Tierschutz sicherstellt, geht aus Gesprächsprotokollen mit Schirnhofer hervor. Dabei sei angedacht, die beiden Programme Hofstädter, eine Rewe-Eigenmarke, und Almo zu vereinen.

Rewes Wunsch: Die Ochsen sollen nach der Schlachtung direkt im neuen, eigenen Werk in Eberstalzell verarbeitet werden statt bei Schirnhofer. Er lehnte ab. Dann wird es in den Verhandlungen heikel.

Gemäß seinem Protokoll, das er an Rewe schickte, wurde er daraufhin gefragt, was es bedeuten würde, wenn sein gesamter Umsatz für Billa, Billa Plus und Penny wegfallen würde. Würde Rewe dies infrage stellen, so wäre das Haus Schirnhofer tot, dies sei Erpressung, lautete seine Antwort in seinen Aufzeichnungen, die er Rewe übermittelte.

Angst um Penny-Auftrag

Schirnhofer schreibt von "wirtschaftlicher Morddrohung". Sein Betrieb erhielt im November als Bestbieter den Zuschlag für die Fleischproduktion für die Rewe-Vertriebslinie Penny in Österreich. Entsprechend habe er investiert. Nun habe er Angst, weitere Schritte zu setzen.

Schirnhofer reagierte mit einer Flut an rund 40 emotionalen, teils sehr persönlichen und rüden SMS an das Einkaufsmanagement, in die der STANDARD Einblick erhielt.

Ihm sei bewusst, dass es zu einer Klagsandrohung komme. Schon allein durch seine SMS, auch durch den Brief an seine Bauern, schreibt er Haraszti im Jänner. "Das war meine 'Therapie' für die Zusammenarbeit in den letzten zehn Jahren."

Er wisse, dass Rewe "jederzeit den Lichtschalter drücken" kann. "Dann gehen in meiner Firma die Lichter aus. Deshalb würde ich jetzt gerne die Friedenspfeife rauchen."

"Was würde passieren?"

Doch danach sieht es vorerst nicht aus. Rewe bezeichnet Schirnhofers Protokoll auf Nachfrage als unabgestimmt. Man habe es ergänzt und richtiggestellt, und Schirnhofer habe dem nicht widersprochen. Schirnhofer selbst bezeichnet dieses auf Anfrage nun als "geschönt".

Dessen Auftrag für Penny sei nie zur Debatte gestanden und nie infrage gestellt worden, teilte Rewe Schirnhofer via Mail mit. Man wolle ihm auch keine Ochsen wegnehmen, sondern diese bei zusätzlichen Gegenangeboten nur zerlegen. "Weder wurde Ihnen gedroht, noch wurden oder werden Sie erpresst." Diese Behauptungen weise man klar zurück.

Die Frage zu Penny sei ausdrücklich nur in der Möglichkeitsform formuliert worden. ("Was würde passieren?"), geht aus dem ergänzten und von Rewe korrigierten Protokoll hervor.

Man habe klar gestellt, dass es keine Drohung war, sondern die Frage, was in so einem eventuellen Fall sein würde bzw. welche Konsequenzen damit verbunden wären, stellt das Protokoll der Rewe klar. Die Schlussfolgerung, dass sein Betrieb infolge "tot" sei, habe Schirnhofer nie getroffen. Dieser habe vielmehr mit verbalen Attacken reagiert.

Verkauf der Lizenzrechte

Im Dezember habe Schirnhofer angeboten, die Lizenzrechte an Almo an Billa zu verkaufen. Der Forderung nach höheren Preisen wurde nachgegeben. Auch Verhandlungen über die Lizenzrechte seien konstruktiv verlaufen. Danach wurden die Liefervereinbarungen aber einseitig gekündigt.

Almo-Obmann Johann Pessl hofft nach wie vor auf klärende Gespräche und eine Einigung mit Rewe. (Verena Kainrath, 27.1.2022)