Der Ball liegt einmal mehr bei Russland: Mitte Dezember hatte Moskau einen Katalog von Forderungen an USA und Nato öffentlich gemacht und damit den schon länger schwelenden Konflikt mit dem Westen auf eine neue Stufe gehoben. Angesichts der russischen Truppenkonzentration an der Grenze zur Ukraine wuchs fortan die Sorge, dass die Kriegsgefahr noch weiter steigt. Grund: Einige Posten auf dem Wunschzettel Moskaus galten von vornherein als unerfüllbar. Dazu gehörte vor allem die Zusage, dass die Ukraine niemals der Nato beitreten wird. Die schriftlichen Antworten, auf die der Kreml gepocht hat, sind nun eingetroffen.

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Ein russischer Soldat in einem Armeefahrzeug während einer Übung nahe der ukrainischen Grenze.
Foto: Reuters / Pivovarov

Frage: Was steht in den Antwortschreiben der USA und der Nato?

Antwort: Der Inhalt der Schreiben ist vorerst nicht bekannt. Aus Aussagen des US-Außenministers Antony Blinken geht aber hervor, dass der wichtigste Wunsch Moskaus – die Absage an eine weitere Nato-Ausdehnung in Osteuropa – abgeschmettert wurde. "Die Tür der Nato ist offen und bleibt offen", sagte Blinken am Mittwochabend.

Frage: Was bietet die Nato Russland stattdessen an?

Antwort: Die Nato schlägt Moskau Verhandlungen über eine Verbesserung der Beziehungen vor. "Wir sind bereit, uns die Sorgen Russlands anzuhören", erklärte Nato-Chef Jens Stoltenberg am Mittwochabend. Die nach einem Zwist um eine Spionageaffäre geschlossenen Vertretungen in Moskau und Brüssel könnten wieder geöffnet werden. Im Nato-Russland-Rat sollte ein gegenseitiger Informationsaustausch über Militärmanöver und atomare Rüstung stattfinden.

Frage: Wurde die Ukraine vor der Übermittlung des Antwortschreibens an Moskau gefragt, oder wird über Kiew hinweg entschieden?

Antwort: Blinken zufolge wurde der Inhalt mit der Ukraine abgestimmt: "Wir haben ihren Input eingeholt, sagte der US-Außenminister. Sein ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba bestätigte, dass Kiew Einsicht in den Entwurf erhalten habe. Es habe keine Einwände gegeben, schrieb Kuleba am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter.

Frage: Welche Schritte setzen die westlichen Staaten jetzt?

Antwort: Nach Angaben der Regierung in Bratislava überlegt die Nato eine Verlegung von Truppen in die Slowakei. Außenminister Ivan Korčok erklärte, eine Entscheidung darüber sei noch nicht gefallen. Deutschlands Regierung wiederum nimmt Abstand von Waffenlieferungen an die Ukraine. Außenministerin Annalena Baerbock verteidigt dies damit, dass Berlin nicht "Türen für Deeskalation verschließen" wolle. Man unterstütze die Ukraine jedoch auch militärisch, unter anderem mit 5.000 Helmen. US-Präsident Joe Biden sicherte dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat am Donnerstagabend erneut Unterstützung zu. Die US-Regierung prüfe zudem zusätzliche Finanzhilfen für Kiew, hieß es.

Frage: Wie hat Russland bisher reagiert?

Antwort: Zurückhaltend. Laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat Wladimir Putin die schriftliche Antwort der USA auf Russlands Sicherheitsforderungen "persönlich" studiert. Der russische Präsident werde sich nun mit dem nationalen Sicherheitsrat abstimmen. "Das braucht Zeit zum Analysieren, wir werden nicht mit irgendwelchen Schlussfolgerungen hetzen", sagte Peskow. Auch Außenminister Sergej Lawrow hat sich mit seiner ersten Analyse bereits zu Wort gemeldet.

Frage: Ist die Antwort für Moskau befriedigend?

Antwort: Nein. Das geht aus den bisherigen offiziellen Antworten schon hervor. Peskow erklärte, es gebe "nicht so viele Gründe für Optimismus". Lawrow kritisierte konkret, dass die USA die wichtigste Forderung Russlands, die nach einer Garantie für die Nichterweiterung der Nato gen Osten, abgelehnt haben. Zwar gebe es in dem Dokument Aussagen, die es erlaubten, auf den Beginn eines ernsthaften Dialogs zu hoffen. Doch dies sei lediglich bei zweitrangigen Fragen der Fall, so der russische Top-Diplomat.

Frage: Wie könnte die russische Reaktion aussehen?

Antwort: Genau weiß das natürlich niemand, aber der gewöhnlich gut informierte Moskauer Politologe Fjodor Lukjanow spekuliert, dass Russland seine Unzufriedenheit mit einer Demonstration der militärischen Stärke zeigen könnte. Das könnten Militärmanöver in Belarus, auf der Krim und in der Ostsee sein, ebenso die Stationierung von Angriffswaffen in der Nähe von Nato-Ländern, so Lukjanow.

Frage: Könnte auch die Energieversorgung betroffen sein?

Antwort: Russland wird seine Einnahmen aus dem Gasverkauf eher nicht aufs Spiel setzen. Baerbock erklärte allerdings, dass auch die Pipeline Nord Stream 2 von Sanktionen gegen Moskau betroffen sein könnte. Die Niederlande, die auf russische Gaslieferungen angewiesen sind, arbeiten bereits an einem Notfallplan für den Fall eines längeren Lieferstopps aus dem Osten.

Frage: Was bedeutet das für Kiew?

Antwort: Die Spannungen rund um die Ukraine bleiben vorerst bestehen. Zuletzt hatte die Kreml-Partei Einiges Russland Putin gebeten, Waffenlieferungen für die Separatisten freizugeben. Der Kreml habe dies noch nicht entschieden, aber es sei eine neue Option, so Peskow am Donnerstag. Auch eine Anerkennung der selbst ernannten "Volksrepubliken" im Donbass schwebt als mögliche Option im Raum.

Frage: Sind Szenarien wie etwa eine Raketenstationierung auf Kuba und in Venezuela denkbar?

Antwort: Nein, diese zunächst ebenfalls in Moskau geäußerten Vorschläge scheinen ad acta gelegt zu sein. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew begründete dies damit, dass Kuba und Venezuela eine Normalisierung des Verhältnisses zu den USA anstrebten und daher wenig Interesse an einer solchen Stationierung hätten. (Gerald Schubert, Michael Vosatka, André Ballin aus Moskau, 27.1.2022)