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Strategisch vorausschauende Züge sind im Konflikt zwischen China, Litauen, Taiwan und der EU gefragt.

Foto: Reuters / Dado Ruvic

Brüssel/Vilnius – Der Konflikt zwischen China und Litauen wird schärfer. Nun hat sich auf Betreiben der Europäischen Kommission die Welthandelsorganisation (WTO) eingeschaltet. "Die EU wird geschlossen und unverzüglich gegen Maßnahmen vorgehen, die gegen die WTO-Regeln verstoßen und die Integrität des Binnenmarkts bedrohen", sagte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis am Donnerstag. "Gleichzeitig setzen wir unsere diplomatischen Bemühungen zur Entschärfung der Lage fort."

Peinlich an der Geschichte ist, dass es der EU bisher nicht gelungen ist, einstimmig Position zu beziehen, und man nun einen Schlichter benötigt. Das liegt vor allem an der unrühmlichen Rolle Berlins und des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD). Eine kurze Revue der Ereignisse der vergangenen Monate:

Wie eine Botschaft

Im Juli eröffnete Taiwan eine Repräsentanz in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Offizielle diplomatische Vertretungen wie eine Botschaft darf Taiwan ohnehin nicht eröffnen, weil Peking die Insel als abtrünnigen Teil des Staatsgebietes betrachtet und international auf Staaten, die sich daran nicht halten, massiv Druck ausübt. Nicht einmal das Wort "Taiwan" darf fallen, weshalb bei derartigen Vertretungen oft von "Taipeh, China" die Rede ist. In Vilnius aber ist explizit von einer "taiwanischen Repräsentanz" die Rede.

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Zwischen Peking und Vilnius hängt der Haussegen schief. Anlass für die Verstimmung ist Taiwan.
Foto: AP / Mark Schiefelbein

Peking schäumt und kündigte einen Boykott aller Waren aus Litauen an. Litauen ist zwar EU-Mitgliedsland, aber an dieser Stelle ließe sich der Konflikt noch auf bilateraler Ebene lösen.

Allerdings produzieren einige deutsche Automobilzulieferer Teile in Litauen, die später in die Volksrepublik exportiert werden. Da diese nun auch unter den Boykott fallen, üben die Unternehmen Druck auf die deutsche Bundesregierung aus. Insbesondere der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental soll von dem Boykott betroffen sein, aber auch kleinere Unternehmen.

Zu aggressiv?

Chinas Zollstatistiken zeigten im Dezember einen Rückgang der litauischen Ausfuhren nach China um 91 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat – vor allem in den Bereichen Pharmazeutika, Laser, Elektronik und Lebensmittel.

Wie das Magazin Politico berichtete, soll Kanzler Scholz eine gemeinsame Rückendeckung Litauens durch die EU verhindert haben. Scholz und Co hielten die Antwort der EU auf Chinas wirtschaftlichen Druck für "zu aggressiv". Man habe deshalb die Kommission aufgefordert, den Ton zu mäßigen. Das wiederum steht im Gegensatz zur Position Frankreichs. Paris hatte Peking vergangene Woche für seinen Angriff auf den gemeinsamen Markt kritisiert.

Die chinesischen Sanktionen zielten darauf ab, den europäischen Binnenmarkt zu schwächen, betonte die parlamentarische Staatssekretärin im deutschen Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner, am Donnerstag. "Das können wir nicht zulassen."

Starker Einfluss

Deutsche Automobilkonzerne und ihr Einfluss auf die deutsche Regierung hinsichtlich der China-Politik sind inzwischen berüchtigt: Noch 2019 lobte Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess China für seine "Beschäftigungspolitik" in der von Uiguren bewohnten Provinz Xinjiang. Diess antwortete auf die Frage eines Reporters der BBC, was er von den Arbeitslagern halte, dass ihm "davon nichts bekannt sei".

In Litauen diskutiert man nun darüber, ob man sich dem Druck Pekings und Berlins beugen und deswegen die taiwanischen Amtskollegen bitten soll, die chinesische Übersetzung des Namens von Taiwans Repräsentanz zu ändern. Durch das nun eingeleitete WTO-Streitbeilegungsverfahren hat Peking nun 60 Tage Zeit, sein Vorgehen zu erklären.

Das chinesische Außenamt erklärte, in Übereinstimmung mit WTO-Regeln zu handeln. Der Streit habe einen politischen und keinen wirtschaftlichen Hintergrund. "Wir erinnern die EU daran, sich vor Litauens Versuch, die Beziehungen zwischen China und der EU zu kapern, in Acht zu nehmen", sagte Ministeriumssprecher Zhao Lijian. (Philipp Mattheis aus Peking, 28.1.2022)