Nikolaus Forgó bei seinem jüngsten Gespräch über die Pandemie am Donnerstagabend, stilecht im Ars-boni-Hoodie.

Screenshot / Youtube

Im März 2020 kam es auch in Österreich – und damit an den hiesigen Universitäten – von einem Tag auf den anderen zum Lockdown. Der Rechtswissenschafter Nikolaus Forgó von der Universität Wien hatte mit der damals neuen Situation vermutlich die wenigsten Probleme. Als Vorstand des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Uni Wien verfügt er nicht nur berufsbedingt über eine hohe Affinität zu neuen digitalen Medien. So hat er bereits vor der Pandemie und aufgrund eines Studienplanwechsels damit begonnen, Vorlesungen mit tausenden Studierenden nur online abzuhalten, "weil das anders kaum bewältigbar war", wie er im Gespräch mit dem STANDARD erzählt.

Die Kolleginnen und Kollegen seiner Fakultät profitierten von diesen Erfahrungen. Gleich nach dem Lockdown hat er für sie einen "Surviving Guide Fernlehre" zusammengestellt. Zudem wollte er einen Kanal nach außen bieten, um mit den Studierenden und seinen zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von denen die meisten nicht aus Österreich sind, in Kontakt zu bleiben. Das war die Kernidee von "Ars boni", einer erhellenden Online-Gesprächsreihe zu juristischen, wissenschaftlichen und medialen Fragen rund um die Corona-Krise.

Die Kunst des Guten

Der Titel bezieht sich auf die klassische antike Definition des Rechts durch Publius Iuventius Celsus: "ius est ars boni et aequi", auf gut Deutsch: "Recht ist die Kunst des Guten und Billigen". In den ersten Folgen von "Ars boni" im April 2020 unterhielt sich Forgó zunächst mit einigen seiner internationalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die rechtlichen Implikationen der Pandemie in ihren jeweiligen Herkunftsländern. Zu Gast waren bei ihm aber nicht nur zahlreiche Juristinnen und Juristen aus dem In- und Ausland, die zu allen wichtigen rechtlichen Fragen der Pandemie kontinuierlich Auskunft gaben.

Forgó, stets bestens vorbereitet, sprach auch mit Statistikern, Journalistinnen und sogar Molekularbiologen wie Ulrich Elling oder Andreas Bergthaler. Zuletzt gab es am Donnerstagabend – wie fast immer live gestreamt und auf Youtube abrufbar –ein erhellendes Gespräch mit Mati Randow über die Corona-Situation an den Schulen:

Department of Innovation and Digitalisation in Law

Mittlerweile hat Forgó, der nebstbei auf derStandard.at unter dem Titel "Minima Digitalia" auch einen lesenswerten Blog betreibt, bereits 240 Folgen aufgenommen – macht im Schnitt rund drei Gespräche pro Woche, zuletzt waren es eher mehr. Über 4.000 Personen haben den Kanal abonniert, dessen Gespräche in der Form und Ausführlichkeit (45 bis 90 Minuten) auch international ziemlich einzigartig sind.

Die meisten Zugriffe

Das mit Abstand meistgeklickte Gespräch war das mit der deutschen Politikwissenschafterin Ulrike Guérot, erinnert sich Forgó – mit ein wenig Unbehagen. Bei diesem Interview zeigten sich nämlich bei Gastgeber und Interviewpartnerin recht schnell Unterschiede in den Ansichten über Corona und die Bewältigung der Pandemie. "Nach einigen Tagen ist das Video wahrscheinlich über irgendwelche Telegram-Kanäle verbreitet worden", mutmaßt der Jurist. Daraufhin sei er von hunderten gutorganisierten Corona-Leugnern heimgesucht worden, mit denen er zunächst auch noch zu kommunizieren versuchte. "Aber nach drei Tagen habe ich w. o. gegeben, weil ich vor allem mit Hassnachrichten bis zur persönlichen Bedrohung konfrontiert war."

Die zeitliche Zusatzbelastung durch seine Gesprächsreihe beziffert Forgó als nicht allzu hoch: "Ich beschäftige mich beruflich ohnehin mit diesen Fragen. Insofern ist es für mich auch ein Instrument, mich über die Rechtslage up to date zu halten." Deshalb bleibe als Nettoarbeitsaufwand praktisch nur das Drücken auf den Knopf und das Hochladen. "Zugleich bin ich damit auch mit den Studierenden in Kontakt. Aber natürlich lese ich mich ein und bereite mich vor."

Live aus dem Wohnzimmer

Forgó führt die Dialoge aus seinem technisch und mit Büchern bestens ausgestatteten Wohnzimmer. Entsprechend fallen auch keine Kosten für seinen Dienstgeber an. Die Universität Wien nehme seine Aktivitäten wohlwollend zur Kenntnis, sagt der 53-Jährige. Es gibt immerhin auch Merchandising mit Hoodies und T-Shirts, auf denen das Logo der Uni Wien und der Titel der Gesprächsreihe abgedruckt sind.

"Es ist mir wichtig, dass das ein unabhängiges Projekt, aber im Kontext meiner Arbeit an der Uni, bleibt", sagt Forgó. Das betrifft auch die Themenwahl, wobei er immer wieder Ideen von Zusehenden aufnimmt. Themenmangel herrscht weniger denn je: "Ich könnte schon jetzt bis 2024 durchplanen."

Neue Pläne

Mittelfristig möchte der Rechtswissenschafter thematisch aber weg von Corona und hat auch konkrete Pläne: "Ich baue gerade aus einer ehemaligen Gemeinschaftswaschküche im Keller eine Art Studio, um zum einen Face-to-Face-Gespräche mit Juristinnen und Juristen über fundamentalere Themen unserer Zunft zu führen." Zum anderen würde er sich in einer anderen Interviewreihe mit seinen Gesprächspartnerinnen und -partnern über Bücher unterhalten wollen, konkret: das jeweils einflussreichste Buch ihres Lebens. (red, 28.1.2022)