Tausende Pipelinerohre im Mukran-Hafen in Deutschland.

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Die US-Regierung hat ihre Forderung nach einem Aus für die Erdgaspipeline Nord Stream 2 im Falle eines russischen Einmarschs in der Ukraine bekräftigt. "Sollte Russland in die Ukraine einmarschieren", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, am Donnerstag dem Sender CNN, "wird Nord Stream 2 nicht weitergeführt." In diesem Fall werde man mit Deutschland zusammenarbeiten, um einen Stopp der Pipeline sicherzustellen.

"Sie haben Erklärungen unserer deutschen Verbündeten gehört (...), in denen sie auf die starken Maßnahmen hingewiesen haben, die die deutsche Regierung bereit und willens ist zu ergreifen", versicherte Price.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat für den Fall einer Invasion in der Ukraine betont, dass ein Ausschluss Russlands vom Zahlungsverkehrssystem Swift sowie ein Ende der Gaspipeline möglich seien. "Nichts ist vom Tisch", sagte sie am Donnerstagabend in einem CNN-Interview. Man versuche, eine Lösung am Verhandlungstisch zu finden, bereite sich aber auf das Schlimmste vor.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow betonte am Freitag, dass sein Land keinen Krieg wolle. Russland werde aber nicht zulassen, seine Interessen zu vernachlässigen, erklärte er. Lawrow forderte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu Antworten auf die Sicherheitsfragen seines Landes auf. Ein entsprechendes Schreiben gehe noch am Freitag an die OSZE, sagte er in einem Radiointerview. Zudem sei am Freitag auch ein Telefonat mit Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geplant, sagte er.

Russland will von den Außenministern der OSZE Erläuterungen zum Prinzip der "unteilbaren" Sicherheit in Europa. Gemeint ist damit aus Sicht Moskaus, dass ein Land – etwa die Ukraine – seine eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Interessen eines anderen Staates – also Russlands – festigen darf. Damit begründet Russland unter anderem seinen Widerstand gegen die Aufnahme der Ukraine in die Nato, weil es sich wiederum durch das Vorrücken des Militärblocks bedroht sieht.

Unterstützung für Ukraine

Deutschland hat für den Fall eines russischen Angriffs alle Optionen auf den Tisch gelegt und dabei auch deutlich gemacht, dass der Stopp von Nord Stream 2 eine Option sein könne. "Bei einer neuen Aggression steht uns eine breite Bandbreite an Antworten zur Verfügung, inklusive Nord Stream 2", sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Donnerstag. In den vergangenen Jahren hat die deutsch-russische Ostseepipeline zwischen Deutschland und den USA für Spannungen gesorgt. Baerbock betonte erneut Dialogbereitschaft gegenüber Moskau. Es gehe aber auch um "Härte, die unmissverständlich deutlich macht: Die Grundpfeiler der europäischen Friedensordnung sind nicht verhandelbar."

US-Präsident Joe Biden lehnt die Pipeline entschieden ab. Um den Streit zu entschärfen, hat Deutschland im Juli in einer gemeinsamen Erklärung mit den USA eine stärkere Unterstützung der Ukraine zugesagt. Diese bekräftigte Biden in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Donnerstagabend. Die USA seien der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine verpflichtet, sagte Biden. Man prüfe auch zusätzliche Finanzhilfe für Kiew.

Biden habe betont, dass die USA und ihre Verbündeten zu einer entschlossenen Handlung bereit seien, falls Russland die Ukraine angreifen sollte, hieß es. Zugleich betonte der US-Präsident seine Unterstützung für die Gespräche im Normandie-Format, dem neben der Ukraine und Russland auch Vermittler aus Frankreich und Deutschland angehören.

Macron will Deeskalationsweg vorschlagen

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will seinem russischen Kollegen Wladimir Putin in einem Telefonat am Freitag einen Weg der Deeskalation vorschlagen. Macron wolle dabei noch einmal betonen, dass ein Einmarsch in der Ukraine schwere Konsequenzen hätte, hieß es aus Frankreich.

Erstmals wird sich auch der UN-Sicherheitsrat mit der Krise befassen. Die USA haben am Donnerstag ein Treffen des UN-Gremiums für Montag beantragt, teilte die US-Mission mit. Die Beratungen sollen öffentlich abgehalten werden, vermutlich um 16 Uhr MEZ. "Während wir unser unermüdliches Streben nach Diplomatie fortsetzen, um die Spannungen angesichts dieser ernsthaften Bedrohung des europäischen und globalen Friedens und der Sicherheit zu deeskalieren, ist der UN-Sicherheitsrat ein entscheidender Ort für die Diplomatie", erklärte die US-Vertretung.

Deutschlands Altkanzler Schröder wirft Ukraine "Säbelrasseln" vor

Deutschlands Altkanzler Gerhard Schröder hat indes die deutsche Absage an Waffenlieferungen in die Ukraine verteidigt und die ukrainische Kritik daran mit deutlichen Worten zurückgewiesen. "Ich hoffe sehr, dass man endlich auch das Säbelrasseln in der Ukraine wirklich einstellt", sagte Schröder in dem Podcast "Die Agenda".

"Denn was ich dort vernehmen muss, auch an Schuldzuweisungen an Deutschland wegen der ja vernünftigen Absage an Waffenlieferungen, das schlägt manchmal doch dem Fass den Boden aus", so Schröder. Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Baerbock haben der Lieferung letaler, also tödlicher Waffen an die Ukraine eine klare Absage erteilt. Kiew hat das scharf kritisiert. Die Regierung dort fordert unter anderem Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme von Deutschland.

Den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine wertete Schröder auch als Reaktion auf Nato-Manöver im Baltikum und in Polen. Mit einem russischen Einmarsch in die Ukraine rechnet der Altkanzler nicht. (APA, luza, red, 28.1.2022)