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"Abtreibung ohne Grenzen" fordern Aktivistinnen vor dem Verfassungsgericht in Warschau am Dienstag.

Foto: AP Photo/Czarek Sokolowski

Warschau – Ein Jahr nach der Einführung des strengen Abtreibungsgesetzes in Polen sorgt der Tod einer Schwangeren erneut für Wut und Protest: Angehörige einer am Dienstag Verstorbenen aus dem südpolnischen Częstochowa werfen der Regierung vor, "Blut an den Händen" zu haben. Ärzte hätten wegen des strengen Abtreibungsgesetzes nicht gewagt, das Leben der Frau durch einen Schwangerschaftsabbruch zu retten. Die 37-jährige dreifache Mutter war ihrer Familie zufolge im ersten Trimester mit Zwillingen schwanger, als sie am 21. Dezember wegen Bauchschmerzen und Erbrechen ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Demnach hätten die Ärzte am 23. Dezember das Absterben eines Zwillings im Mutterleib festgestellt, den Fötus aber unter Berufung auf die geltenden Abtreibungsgesetze nicht entfernt. Eine Woche später sei auch der zweite Zwilling im Mutterleib abgestorben, erst zwei Tage danach fand eine Abtreibung statt. Kurz nach der Entfernung beider Föten sei die Frau an einer Sepsis erkrankt. Ihr Zustand verschlechterte sich, am 25. Jänner starb sie.

"Abwartende Haltung"

Das Krankenhaus äußerte sich nicht zur Todesursache der Betroffenen, erklärte in einer Stellungnahme aber, nach dem Tod des ersten Zwillings zunächst eine "abwartende Haltung" eingenommen zu haben, "um eine Chance zu haben, das zweite Kind zu retten". Trotz der Bemühungen der Ärzte sei dies aber nicht gelungen. Nach dem Absterben des zweiten Fötus habe man entschieden, die Schwangerschaft zu beenden.

Vor einem Jahr war in Polen nach einem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts ein verschärftes Abtreibungsrecht in Kraft getreten. Seitdem sind Abtreibungen auch bei schweren Fehlbildungen des Fötus untersagt – was ohnehin nur mehr eine von wenigen Ausnahmen war, abseits von Vergewaltigung, Inzest und Lebensgefahr für die Schwangere.

Im Fall einer Schwangerschaft mit Zwillingen ist "selektive Abtreibung" zwar erlaubt – unter den geltenden Ausnahmen. Da Vergewaltigung und Inzest ja nicht nur einen Fötus betreffen, würde hier wohl nur Lebensgefahr der Schwangeren greifen. Ob ein Abbruch durchgeführt werden kann, um den noch lebensfähigen Fötus zu retten, ist nicht klar geregelt.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Staatsanwalt kündigte Untersuchungen zu dem Fall an. Die Abteilung für medizinische Kunstfehler ermittle gegen die drei Kliniken, in denen die 37-Jährige zuletzt behandelt worden war, teilte die Staatsanwaltschaft in Kattowitz am Donnerstag mit.

In vielen polnischen Städten fanden bereits Proteste statt, die auch in den nächsten Tagen fortgesetzt werden sollen. "Wir werden weiter demonstrieren, damit niemand mehr stirbt", sagte Protestorganisatorin Marta Lampert zu polnischen Medien. "Das polnische Abtreibungsverbot tötet. Noch eine Person ist gestorben, weil der notwendige medizinische Eingriff nicht rechtzeitig durchgeführt wurde."

Der Fall erinnert an den Tod einer 30-jährigen Schwangeren aus Pszczyna. Sie war im vergangenen Herbst an einer Sepsis gestorben, nachdem die Ärzte gewartet hatten, bis der geschädigte Fötus im Mutterleib von selbst abstirbt. Der Fall hatte landesweite Proteste ausgelöst. (maa, 28.1.2022)