Bild nicht mehr verfügbar.

Produktivitätswunder Homeoffice? Zwei neue Studien des OECD Global Forum on Productivity sind der Frage nachgegangen – mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Foto: Getty Images

Das C-Wort kommt in der Arbeitswelt nicht ohne das H-Wort aus: Nahezu wie ein Virus hat sich das Homeoffice in der Corona-Pandemie verbreitet und ist je nach Bedarf in seiner Form sozusagen mutiert. Nach bald zwei Jahren Erfahrung von vielen Beschäftigten und Unternehmen ist klar: Das Homeoffice, besser gesagt Remote Work im Allgemeinen, ist gekommen, um zu bleiben.

Doch wie wird sich seine Entwicklung fortsetzen? Was hat es wirtschaftlich zur Bewältigung der Pandemie beigetragen? Und sind die Beschäftigten zu Hause produktiver, wie sie sagen, oder machen sie halblang, wie es ihnen oft die Arbeitgeberinnen und Chefs unterstellen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich kürzlich zwei Studien des OECD Global Forum on Productivity.

Insbesondere die letzte Frage scheint von Interesse zu sein – doch eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Die Produktivität ist von zu vielen Faktoren abhängig als allein von der Arbeitsumgebung.

Keine klare Antwort

Auf der einen Seite stützen Erhebungen vor der Pandemie, aber auch währenddessen, die Annahme, dass wir im Homeoffice produktiver sind. Über 60 Prozent der Führungskräfte glauben laut der OECD-Erhebung, dass ihre Mitarbeiter zu Hause effizienter arbeiteten, weniger Fehler machten. Auch die Beschäftigten berichten von mehr Arbeitsleistung: Laut eigenen Angaben steigerten sie sich um zwei Prozent, fand eine Studie rund um den Stanford-Ökonomen Nicholas Bloom heraus.

Die Produktivität wächst demnach, weil die Beschäftigten zufriedener sind, weniger pendeln müssen und sich am ruhigen Schreibtisch besser konzentrieren können. Auch die Eigenverantwortung im Homeoffice kann sich positiv auf das Wohlbefinden und die Leistung auswirken. Und auf Firmenlevel sparen die Arbeitgeber Kapital, wenn sie remote in einem größeren Pool rekrutieren und so den besten Fit für die zu besetzende Stelle finden sowie ihre Büroflächen verkleinern. Das könnte dann wieder in eine bessere Remote-Infrastruktur investiert werden und den Output optimieren.

Auf der anderen Seite gibt es Untersuchungen, die das Gegenteil nahelegen. Diese argumentieren, dass sich besonders das fehlende Team bei der Heimarbeit auf die Leistung auswirkt, weil weniger kommuniziert, Wissen ausgetauscht oder spontan nach einer Problemlösung gesucht wird. Als Folge können sich die Beschäftigten nicht nur einsam fühlen, sondern auch die Arbeitsmotivation und Unternehmenskultur unter Telearbeit leiden – was wiederum Auswirkungen auf die Leistung hat.

Immerhin acht von zehn der befragten Arbeitskräfte sehen mangelnde Sozialkontakte und das Verschwimmen von Privat und Arbeit als größte Nachteile im Homeoffice. Zudem fürchten Arbeitnehmer im Homeoffice, weniger sichtbar zu sein und deshalb Karrierenachteile zu haben. Gerade Unternehmen, die eine enge Zusammenarbeit und Bindung zwischen Kollegen benötigen, verzeichnen daher möglicherweise stärkere negative Folgen bei einer weitverbreiteten Telearbeit.

Foto: Der Standard

Richtige Balance

Das legt nahe: Der Produktivität im Homeoffice sind Grenzen gesetzt. Zwar gebe es laut den OECD-Studienautoren einen signifikanten und positiven Zusammenhang. Das bedeutet aber nicht: Je mehr Homeoffice, desto produktiver. Sondern: Den höchsten Output haben die Beschäftigten bei maximal ein bis zwei Tagen am eigenen Schreibtisch – dann sinkt die umgedrehte U-förmige Produktivitätskurve.

Was bedeutet das also für Remote Work in der Arbeitswelt der Zukunft? Telearbeit sollte genau zu dem Maß im Unternehmen umgesetzt werden, in dem die Vorteile die Nachteile überwiegen. Demnach arbeitet es sich in einer hybriden Arbeitsumgebung am besten.

Die optimale Anzahl an Remote-Tagen liegt laut unterschiedlichen Erhebungen bei maximal zwei bis drei Tagen pro Woche. Wenig überraschend entspricht das auch der Wunschvorstellung der OECD-Befragten. Nur fünf Prozent wollen künftig nur mehr zu Hause arbeiten. Die Produktivität dürfte laut der Untersuchung ebenso steigen, wenn die Beschäftigten selbst entscheiden können, ob sie remote arbeiten oder nicht.

Ebenso gibt es einen erwiesenen Zusammenhang zwischen guter Teamführung und Produktivität. Gute Führung könnte die Produktivitätssteigerungen im (Dauer)Homeoffice auch bedingt haben, vermuten die Studienautoren. Viele Chefinnen und Chefs mussten virtuell besonders an ihren Skills arbeiten, mehr auf ihr Team zugehen.

Größeres Gefälle

Solange Remote Work den Bedürfnissen entsprechend umgesetzt werde, hätten mehr Homeoffice-Tage das Potenzial, die Produktivität weiter zu steigern, schlussfolgern die OECD-Forschenden. So scheinen produktivere Firmen mit besseren Managern und qualifizierteren Arbeitenden besser in der Lage zu sein, die Effizienzvorteile der Telearbeit für sich zu nutzen.

Das könne das Produktivitätsgefälle zwischen den Unternehmen verschärfen, geben die Autoren zu bedenken. Das heißt: Jene Firmen, die Veränderung schnell umsetzen und entsprechend gut performen, hängen die anderen noch weiter ab – wohl die Langzeitfolgen der weltweiten Homeoffice-Verbreitung. (Selina Thaler, 29.1.2022)