Rotwein und Regenphobie: Kristen Bell spielt Anna Whitaker,

Foto: COLLEEN E. HAYES/NETFLIX

Los Gatos/Wien – Krimis mit Frauen, die glauben, Zeuge eines Verbrechens geworden zu sein, sind der letzte Schrei geworden, und Netflix hat eine Serie geschaffen, um über diesen Trend zu lachen. Der absurd lange Titel deutet seine Absicht offen an: "The Woman in the House Across the Street from the Girl in the Window" ist eine Parodie auf sogenannte Frauenliteratur. Eine Art "Scary Movie" für "Desperate Housewives".

Selbstironie

"The Woman in the House Across the Street from the Girl in the Window" macht einen ersten Eindruck mit seinem Titel, der absichtlich sperrig gehalten ist und Spaß mit den ähnlichen Titeln dieses Genres hat, insbesondere mit einem anderen Netflix-Film, der letztes Jahr lauwarmes Aufsehen erregte. "The Woman in the Window" war ein Psychothriller, in dem Amy Adams eine Frau spielte, die kaum das Haus verließ und glaubte, Zeugin eines Mordes geworden zu sein, der auf der anderen Straßenseite begangen wurde.

"The Girl on the Train"

Netflix versuchte damit, auf den Zug von populären Filmen und Büchern wie "The Girl on the Train" (einem weiteren Thriller im gleichen Stil, in dem Emily Blunt etwas Verdächtiges aus dem Zugfenster sah) aufzuspringen. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden und der Trend dieser Art von Filmen veranlassten die Schauspieler und Drehbuchautoren Rachel Ramras, Hugh Davidson und Larry Dorf, diese durchwachsene Parodie auf sie zu erstellen. Es ist ein smarter Schachzug: alle drei kann man jetzt auf Netflix sehen, inklusive einem ganzen Meer von ähnlichen Haushaltsdramen, die einem der Algorithmus empfehlen wird.

Hitchcock-Manier

Kristen Bell ("Veronica Mars") spielt Anna Whitaker, die "Frau" im Titel der Serie, die den tragischen Verlust ihrer Tochter und die Zerstörung ihrer Ehe auf einen Schlag ertragen musste. Sie verbringt ihre Tage damit, sehr viel zu trinken und im Allgemeinen in ihrem Bademantel zu leben, während sie wie Jimmy Stewarts L. B. Jefferies in Hitchcock-Manier aus dem Fenster ihres Vorstadthauses starrt und am Leben anderer teilnimmt – weil sie selbst keines mehr hat.

Die Dinge ändern sich wenn ein netter Witwer (Tom Riley) und seine kleine Tochter auf der anderen Straßenseite einziehen. Anna ist von ihm angetan, hat aber das Gefühl, dass seine Freundin Lisa (Shelley Hennig) nicht die ist, für die sie sich ausgibt. Als Anna glaubt, zu sehen, wie Lisa ermordet wird – im Fenster auf der anderen Straßenseite – muss sie jemanden von dem überzeugen, was sie gesehen hat.

Rotwein und Regenangst

Obwohl es Momente gibt, in denen das Gleichgewicht im Ton zwischen Parodie und echtem Krimi bröckelt, erfüllt die Serie insgesamt ihren Zweck. Nur wenige Dinge sind klischeehafter als eine Frau, die auf dem Bildschirm den Verstand verliert. Die Schöpfer kennen sich eindeutig gut mit den Genre aus, mit dem sie hier spielen, auch wenn sie es mit den (zugegebenermaßen sehr lustigen) Running Gags übertreiben.

Anna trinkt den ganzen Tag Rotwein in geräumigen Gebinden; ihr Handwerker arbeitet die ganze Serie über an demselben Briefkasten; sie hat einen endlosen Vorrat an Auflaufformen, die sie immer wieder zerbricht, weil sie entweder vergisst, Ofenhandschuhe zu tragen, oder sie im Regen nach draußen bringt und sie fallen lässt. Sie leidet unter Ombrophobie, einer Angst vor Regen. Es ist manchmal sehr lustig. Die Besetzung ist gut, besonders Kristen Bell. Sie spielt Anna schwindelerregend trocken und todernst, als würde sie die Heldin in einer Geschichte von Gillian Flynn darstellen.

Nichtsdestotrotz werden die acht halbstündigen Folgen zwei sehr unterschiedliche Erfahrungen für zwei verschiedene Zuschauergruppen darstellen: diejenigen, die "Woman in the Window" gesehen hat und jeden Handlungspunkt erkennen wird, der karikiert wird; und diejenige, die es kalt lässt. (APA, 28.1.2022)