Am Freitag kam die Bundesregierung mit Vertretern der Energiewirtschaft zusammen, um Maßnahmen gegen die akut steigenden Energiepreise zu besprechen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) präsentierte auf einer anschließenden Pressekonferenz ein "Entlastungspaket" mit einem Volumen von 1,7 Milliarden Euro, um die Teuerungen auszugleichen – manches davon ist bereits bekannt, anderes muss erst im Detail ausgearbeitet werden. "Wer schnell hilft, hilft doppelt", so Nehammer. So werde die Ökostrompauschale und der Ökostromförderbeitrag ausgesetzt – eine Entlastung von 900 Millionen Euro und eine Maßnahme, die sowohl Betrieben als auch Privathaushalten zugute kommen werde.

150 Euro Energieausgleich

Der bereits im Dezember beschlossene Teuerungsausgleich – eine Einmalzahlung von 150 Euro für arbeitslose Menschen – werde auf 300 Euro verdoppelt – so würden insgesamt 100 Millionen Euro in die Hand genommen, um die Teuerung für sozial Schwache abzufedern. Man dürfe die Menschen in Zeiten steigender Preise – insbesondere für Strom und Heizen – nicht alleine lassen, sagt Nehammer: "Niemand von uns will, dass Familien mit Kindern Existenzängste haben, oder dass der Nachbar nicht mehr heizen kann". Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) geht von rund 600.000 Betroffenen aus, die davon profitieren würden.

Die gestiegenen Energiepreise lassen Betriebe und Haushalte stöhnen.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Neu ist ein Energiekostenausgleich im Umfang von 150 Euro für alle Haushalte mit einem Einkommen bis zur ein- beziehungsweise zweifachen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage. Aktuell liegt diese bei 5.670 Euro brutto monatlich. Der grüne Vizekanzler Werner Kogler betont, dass man dabei Augenmerk auf soziale Treffsicherheit legen wolle, hohe Einkommen würden ausgenommen bleiben. "Der Generaldirektor oder der Manager" könne eher nicht damit rechnen. Rund 600 Millionen Euro mobilisiert die Regierung unter diesem Titel. Die Details müssen allerdings erst ausgearbeitet werden.

Brunner verwies darauf, dass die Inflation kein österreichisches, sondern auch ein internationales und globales Phänomen sei. Deswegen verbleibe man mit Vertretern der europäischen Geldpolitik im Gespräch.

Laut Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sind derzeit vor allem die Preise am Gasmarkt das Problem. Es müsse das langfristige Ziel sein, aus der Abhängigkeit von Gas loszukommen und auf erneuerbare Energien umzusteigen. Aus diesem Grund werde ein Pilotprojekt gestartet, um Haushalten den Umstieg auf moderne Geräte zu ermöglichen, die auf längere Sicht energiesparender und günstiger seien.

Unterstützung für Unternehmen

83 Prozent aller Unternehmen hätten Probleme mit den Energiekosten, berichtet Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Als Unterstützung für Unternehmen solle geprüft werden, ob zur Liquiditätssicherung für produzierende Betriebe in Zeiten hoher Energiepreise die Vorausvergütung der Energieabgaben im Rahmen der Energieabgabenrückvergütung vorverlegt und von derzeit fünf auf 25 Prozent erhöht werden könne. Auch dass die Ökostrompauschale für das Jahr 2022 ausgesetzt wurde, spare betroffenen Unternehmen zwischen 60.000 bis zu 300.000 Euro. Privathaushalte würden davon im Umfang von rund 100 Euro profitieren.

Nun schüttet die Regierung das Füllhorn aus.
Foto: Imago

Die Reaktionen auf das Paket lassen nicht lange auf sich warten. ÖGB, Industriellenvereinigung, Pensionistenvertreter und Umweltverbände reichen umgehend Forderungen nach. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sieht einen "ersten richtigen Schritt". Der Energiekostenausgleich von 150 Euro für fast alle Haushalte und der zusätzliche Teuerungs-Ausgleich von ebenfalls 150 Euro für besonders Bedürftige mache die Gewerkschaftsforderung nach weiteren konkreten Maßnahmen nicht obsolet.

Nicht alle Probleme gelöst

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 fordert einen langfristigen Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle und den Ausbau erneuerbarer Energien und Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs selbst. Die Umweltorganisation WWF Österreich mahnt, Politik und Energieversorger müssten sehr viel mehr tun, um die Verschwendung von wertvoller Energie zu stoppen. Und der Pensionistenverband erklärt, mit den 150 Euro Energiekostenausgleich seien "noch lange nicht alle Probleme gelöst", das decke nur zum Teil die enorm gestiegenen Kosten für Haushaltsenergie ab. Verbandspräsident Peter Kostelka fordert "Nachbesserungen" bei der Pensionsanpassung.

Die Industrie vermisst eine Sofort-Hilfe für betroffene Unternehmen. IV-Präsident Georg Knill fordert eine Strompreiskompensation für Unternehmen. Es sei legitim, Haushalte in dieser Situation zu entlasten, aber Betriebe mit dem Rücken zur Wand bräuchten ebenfalls eine spürbare Entlastung. Für SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll kommen die Maßnahmen "zu spät und halbherzig" und FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl spricht von einer "herben Enttäuschung" und einer "großen Inszenierung", denn die 150 Euro Energiekosten-Bonus seien "nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein". Ungarn deckle die Preise von Grundnahrungsmitteln, Polen senke die Mehrwertsteuer für Benzin und Diesel von 23 auf acht Prozent.

Neos-Klubobmann Niki Scherak forderte "langfristige Lösungen" wie die Abschaffung der "Kalten Progression" anstelle "populistischer Einmalzahlungen". Lob gibt es von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Der geschäftsführende Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, Klaus Schwertner forderte auch die Schaffung eines Energiehilfsfonds für arme Haushalte, um Gerätetausch, Sanierungsmaßnahmen oder unbezahlte Energierechnungen zu bezahlen. (rio, rebu 28.1.2022)