Interpol wurde 1923 in Wien gegründet, heute liegt die Zentrale in Lyon.

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Zum 100-jährigen Jubiläum im kommenden Jahr wird Interpol ihre Jahresgeneralversammlung dort abhalten, wo die internationale kriminalpolizeiliche Organisation gegründet wurde – in Wien. Das gaben am Freitag Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bekannt. Die Veranstaltung im Herbst 2023 soll mit 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Vienna International Center stattfinden.

Interpol ist von der frühen Erkenntnis geprägt, dass grenzüberschreitende Kriminalität nur durch Zusammenarbeit staatlicher Polizeibehörden bekämpft werden kann. Polizeikongresse gab es schon im ausgehenden 19. Jahrhundert, doch 1923 gelang es dem Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober erstmalig, in Wien eine dauerhafte Vereinigung zu etablieren – damals unter dem Namen "Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission" (IKPK). Heute liegt die Zentrale in Lyon in Frankreich, Interpol zählt 195 Mitgliedsstaaten. Nicht dabei sind unter anderem China und Nordkorea.

Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock (links) und Innenminister Gerhard Karner.
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Freiwilliger Zusammenschluss

Vereinfacht gesagt ist Interpol ein freiwilliger Zusammenschluss von Polizeibehörden rund um die Welt. Es gibt keine operativen Kompetenzen, keine Agenten, Interpol stellt auch keine Haftbefehle aus. Hauptaufgabe ist der Informationsaustausch, für den gewaltige Datenbanken aufgebaut wurden. Österreich hat beispielsweise allein im Vorjahr 32 Millionen Fahndungsanfragen zu Personen nach Lyon geschickt; außerdem 900.000 Anfragen zu Fahrzeugen und 7,4 Millionen Anfragen zu gestohlenen Dokumenten. Interpol wirbt damit, dass eine Antwort im Schnitt nach 0,5 Sekunden zurückkommt.

Kriminalitätspandemie

Laut Interpol-Chef Stock, der sein Geschäft beim deutschen Bundeskriminalamt gelernt hat, hat sich in der Corona-Krise eine "Kriminalitätspandemie" aufgebaut. Auf der ganzen Welt hätten sich neue Cybercrime-Zweige etabliert, die auf Handel mit illegalen Medikamenten, gefälschten Covid-Impfstoffen und minderwertiger Schutzbekleidung spezialisiert seien. Auch sexueller Missbrauch von Kindern und das Teilen von Tatortfotos bis hin zu Livestreaming seien "in vielen unserer Mitgliedsstaaten während dieser Zeit dramatisch angestiegen", so Stock.

Durch das Zusammenführen von Informationen könne es gelingen, Straftaten aufzuklären beziehungsweise zu verhindern. Innenminister Karner verwies auf die "Operation Silk Road" gegen eine iranische Schlepperorganisation, bei der bisher rund 270 Beschuldigte ausgeforscht worden seien.

Kritik von außen

In der Vergangenheit war Interpol auch immer wieder mit Kritik von außen konfrontiert. Finanziert wird die Organisation nicht nur mit Geld der Mitgliedsstaaten, sondern etwa auch von Pharma- und Tabakkonzernen. Auch der Weltfußballverband Fifa trägt sein Scherflein dazu bei.

Zum Vorwurf, dass Interpol auch Haftansuchen aus autoritär geführten Staaten gegen Oppositionelle und Dissidenten in das globale Datenbanksystem aufnehme, versichert Stock, dass es ein Warnsystem gebe: "Jedes einzelne Ersuchen wird von einem Expertengremium, in dem unter anderem der Europarat vertreten ist, geprüft." Über den Umgang mit den Informationen aus den insgesamt 19 Interpol-Datenbanken muss außerdem jedes Land selbst entscheiden. Interpol selbst unterliegt keiner externen Kontrolle.

Umstrittener Präsident

Umstritten war im Vorjahr die Wahl von Ahmed Nasser al-Raisi aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zum aktuellen Präsidenten von Interpol. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch warfen dem früheren Generalinspekteur im VAE-Innenministerium vor, Oppositionelle verfolgt zu haben. Der Präsident von Interpol hat im Gegensatz zum Generalsekretär nur repräsentative Aufgaben. Die wichtigsten Entscheidungen bei Interpol fällt die Generalversammlung der Mitgliedsstaaten, für die es im kommenden Jahr "Welcome back to Vienna" heißt. (Michael Simoner, 28.1.2022)