Was suchen S’ denn?", fragt Peter Schaider einen hilflos in seinem Einkaufszentrum stehenden Kunden und weist ihm den Weg. Für den Fotografen holt er sich noch schnell ein Sakko aus dem Auto. "Der Baumeister Lugner hätte das Shooting professioneller gemeistert", seufzt er.

Peter Schaider: "Wir Vermieter sind kein Freiwild, das zum Abschuss freigegeben wurde."
Foto: Andy Urban

STANDARD: Sie sind gelernter Friseur in dritter Generation. Wie kauft man sich zwei Einkaufszentren?

Schaider: Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Mein Vater starb, als ich sechs war, an Lungenkrebs, obwohl er nicht rauchte. Als 15-Jähriger besaß ich 2000 Schilling. Die habe ich mir beim Äpfelbrocken, Eiersortieren und im Friseurgeschäft verdient. Meine Mutter wollte, dass es mir einmal besser geht, dass ich höhere Schulen besuche. Aber mein Ziel war es, Friseur zu werden, und zwar ein großer. Ich wurde Vizeweltmeister und Staatsmeister. Dann machte ich mich selbstständig. Wobei mich Einkaufszentren bald mehr interessiert haben als das Friseurgeschäft.

STANDARD: Die Welt der Handelsimmobilien ist ein Haifischbecken. Hat Sie die Konkurrenz unterschätzt?

Schaider: Ich habe mir gedacht, was die können, kann ich auch. Ich habe klein begonnen, mit Nah & Frisch, Schlecker. Nicht mit der ersten Garnitur an Mietern, sondern mit der zweiten und dritten. "Was macht denn der Friseur da?", hieß es. Ich wurde belächelt. Heute ist das Auhof Center gesund aufgestellt und in Wien die Nummer zwei. In dieser Branche sind Leute erfolgreich, die den Job eigentlich nicht erlernt haben. So macht man halt jeden Fehler zumindest einmal.

STANDARD: Was kostet Sie in Zeiten von Corona mehr Geld? Verwaiste Einkaufszentren oder unausgelastete Friseurstudios?

Schaider: Wir konnten den Großteil der Mitarbeiter in unseren Friseurgeschäften halten. Zu Weihnachten hatten wir drei Wochen offen, es ging drunter und drüber. Davor und danach waren die Leute wochenlang daheim. Das ist alles andere als lustig. Es gab hausgemachte Pleiten. Die Schwachen erwischt es halt am Anfang. Wer angeschlagen ist, fällt nach einem festeren Schlag um. Die Krise hat uns um zwei Jahre zurückgeworfen. Ich kenne kein Einkaufscenter, das Geld investiert hat.

STANDARD: Waren die Restriktionen fürs Einkaufen zu hart?

Schaider: Man muss die Politik verstehen, denn zwei Drittel der Bevölkerung waren durch die Impfung geschützt, hatten aber keine Vorteile. Dennoch kann es nicht sein, dass Handel und Gastronomie die Verlierer sind. Der letzte Lockdown war meines Erachtens nicht notwendig. Es war ein politisches Spiel, das die Politik verliert. Es wird Jahre dauern, alles hochzufahren.

Peter Schaider: "Die Politik hat künstliche Streits provoziert, um unterbeschäftigte Anwälte zu aktivieren."
Foto: Andy Urban

STANDARD: Verändert Corona unser Einkaufsverhalten nachhaltig?

Schaider: Mittlerweile weiß auch der Dümmste, wie man im Internet bestellt. Wir kämpfen mit ungleichen Mitteln dagegen an. Amazon zahlt Mitarbeitern vier bis fünf Euro die Stunde. Webshops sind fast alle im Ausland angesiedelt. Wir aber sind mit Leuten ohne Kollektivverträge konfrontiert. Mit keinem von ihnen wird vor Weihnachten über Zwölf-Stunden-Tage diskutiert.

STANDARD: Sie sind Verfechter einer Sonntagsöffnung. Im Dezember gab es eine, gebracht hat sie nicht viel.

Schaider: Die Leute kommen, weil sie Lebensmittel kaufen, Essen und ins Kino gehen wollen. Dieses ganze Spektrum konnten wir nicht bieten. Ich fände künftig statt dem offenen 8. Dezember einen Silbernen und Goldenen Sonntag wunderbar.

STANDARD: Die Wiener Innenstadt-Kaufleute warnen vor einem Sterben ihrer Geschäfte. Zu Recht?

Schaider: Es gibt keine Touristen, keine Kongresse, keine Seminare. Die Innenstadt war über Jahrzehnte verwöhnt. Jetzt wurde sie auf den Boden der Realität zurückgeholt. Das tut natürlich sehr weh.

STANDARD: Friseure haben einen Gutteil des Geschäfts an Pfuscher verloren. Lässt sich das je zurückholen?

Schaider: Wir leiden vor allem unter Billigfriseuren, die wie die Schwammerln aus dem Boden wachsen und Haarschnitte um zwölf bis 14 Euro anbieten, meist ohne Gewerbeberechtigung. Mitarbeiter bleiben beim AMS gemeldet, beziehen Arbeitslose und vom Friseur die Mietzinsbeihilfe. Angemeldet werden sie für 20 Stunden – im Monat. Sie gehen mit täglich 200 Euro netto heim, alles schwarz. Wir werden nach Strich und Faden vorgeführt.

STANDARD: Die Kontrollen versagen?

Schaider: Sie zeigen die Anmeldung her. Fertig. Wir werden vom Arbeitsinspektorat und Marktamt gequält, und sei es wegen einer Preisauszeichnung. Das ist extrem frustrierend. Die Lehrlingszahlen in der Branche haben sich halbiert. Friseure haben auch nichts aus der Krise rausgeholt – keine Mehrwertsteuersenkung wie die Gastronomie. Hier hat die Bundesinnung versagt.

Anfangs hieß es: "Was macht denn der Friseur da?", erinnert sich Peter Schaider. "Ich wurde belächelt."

STANDARD: Ein juristischer Streit tobt um Mieten. Sie haben ihn mitausgelöst – durch die verlorene Klage gegen ein Sonnenstudio. Folglich müssen viele von den Lockdowns betroffene Unternehmen keine Miete zahlen.

Schaider: Die Gerichte agieren hier extrem einseitig. Einziger Verlierer sind Vermieter. Die Leute können einen Fixkostenzuschuss kassieren, müssen ihn jedoch nicht an Vermieter weiterleiten. Das ist unverständlich. Auch wir haben Verpflichtungen. Die Bank bucht Kredite ab, ich muss das Haus aufrechterhalten, meine Mitarbeiter zahlen.

STANDARD: Es ging für Sie um 3000 Euro, die ausständig waren. Haben Sie Ihrer Branche mit der Klage einen Bärendienst erwiesen?

Schaider: Die Politik hat künstliche Streits provoziert, um unterbeschäftigte Anwälte zu aktivieren. Aber wir brauchen nun einmal Rechtssicherheit. Wenn die Mieter uns nicht die Mieten zahlen, muss es der Staat tun. Wir hatten uns mit dem Großteil unserer Mieter geeinigt. Dieses Einvernehmen wird jetzt infrage gestellt. Es ist ein eindeutiger Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

STANDARD: Was haben Sie vor?

Schaider: Wir Shoppingcenterbetreiber werden massiv dagegen vorgehen. Es wird eine Prozesslawine geben. In dieser Situation müssen wir die Republik klagen. Das können wir uns nicht bieten lassen. Wir Vermieter sind kein Freiwild, das zum Abschuss freigegeben wurde.

STANDARD: Als Friseur müssten Sie von dem Urteil doch profitieren?

Schaider: Habe ich Charakter, erfülle ich meine Verpflichtungen. Man hat sich mit vielen auf halbe Mieten geeinigt. Wir sind Kaufleute. Man muss ja auch nach der Krise wieder miteinand’ können.

STANDARD: An Nervenkitzel sind Sie gewöhnt. Ihr Faible sind schnelle Autos. Wo haben Sie mehr riskiert, im Geschäft oder als Rennfahrer?

Schaider: 1997 wurde ich Tourenwagen-Meister. Aber ich bin immer auf Sparflamme gefahren. Ich ging auf 100, nie auf 150 Prozent. Freunde, die viel Fußball spielten, sind heute viel schlechter beisammen als ich. Schlaflose Nächte hatte ich mit Anfang 40, als ich eine gesunde Friseurfirma hatte und noch einmal alles für ein Einkaufscenter aufs Spiel setzte. Das war nicht lustig. Die Banken waren damals aber noch risikofreudiger. Heute wäre all das ja gar nicht mehr möglich.

STANDARD: Das Auto gegen den Job als Friseur tauschen wollten Sie nie?

Schaider: In meiner Jugend musste ich meine Firma aufbauen, da fehlte mir das Geld. Später war es dann schön, dabei zu sein, mit gleichgesinnten Spinnern über Autos zu diskutieren. Aber für eine Karriere als Rennfahrer wäre ich zu alt, zu groß und zu schwer gewesen.

STANDARD: Was ist so reizvoll dran, mit Autos im Kreis zu fahren?

Schaider: Du fährst gerade so schnell, dass es dich nicht aus der Kurve schmeißt. Es ist die Überwindung. Einen Berg raufzukletten, davor hätte ich mehr Angst.

Peter Schaider: "Du fährst gerade so schnell, dass es dich nicht aus der Kurve schmeißt. Einen Berg raufzukletten, davor hätte ich mehr Angst."
Foto: Andy Urban

STANDARD: Sie sind vor Richard Lugner der größte private Einkaufszentrenbetreiber in Wien. Was verbindet Sie mit dem Baulöwen?

Schaider: Bei der Entwicklung von Einkaufszentren liegen wir meilenweit auseinander. Aber wir telefonieren regelmäßig miteinander, haben ein gutes Verhältnis. Der Herr Baumeister verfolgt halt eine ganz andere Strategie. So wie ich in meiner Jugend Rennen fuhr, geht er auf Partys. Mit 92 so beinander wär ich gerne!

STANDARD: Lugners Name ist Programm. Wäre das nicht auch etwas für Ihre beiden Einkaufszentren?

Schaider: Das Auhof Center und Riverside sind wichtig, der Herr Schaider ist es nicht. Werbeagenturen wollten für mich arbeiten. Sie haben gemeint, ich soll für mein Center genauso präsent sein wie der Herr Baumeister. Wollen die mich verarschen? Wir sind völlig verschiedene Persönlichkeiten. Der Herr Lugner liebt das Rampenlicht und lässt sich das viel kosten. Das bin ich nicht. Da kämen dann gar Pensionistenbusse. Erster Stopp: Lugner City, Foto mit dem Baumeister, dann essen gehen, Bettdecken kaufen und schnell noch durch Schönbrunn spazieren. Ohne mich.

STANDARD: Sie führen Ihre Friseurgeschäfte gemeinsam mit Ihrem Sohn. Tritt er auch beim Immobiliengeschäft in Ihre Fußstapfen?

Schaider: Er ist stark involviert. Hätte er es nicht gewollt, ginge es ihm auf die Nerven, hätte ich alles längst zurückgefahren. Wir tauschen uns aus, können gemeinsam arbeiten, haben miteinander keinen Stress.

STANDARD: Der Schritt zur Seite und zurück fällt Ihnen nicht schwer?

Schaider: Viele wollen ihre Kinder ja nicht ranlassen. Aber je mehr mein Sohn macht, desto weniger muss ich. Er kümmert sich ums Personal, ich um die Finanzen.

STANDARD: Pensionist zu werden ist für Sie keine Option?

Schaider: Warum sollte ich? Ich gebe Mitarbeitern sichere Jobs, und ich gehe gern ins Büro. Am Sonntag erledige ich das, wozu ich sonst nicht komm. Ich rauch nicht, trinke ab und zu ein Glaserl Wein, lebe ganz normal. Nur ob ich so lang bleibe wie der Baumeister, weiß ich nicht. (Verena Kainrath, 29.1.2022)