Wer verdient wie viel entlang der Wertschöpfungskette? Rewe will Karl Schirnhofers Ochsenfleisch selbst verarbeiten.

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Wien – Der österreichische Lebensmittelhandel hat die Gangart bei Preisverhandlungen in den vergangenen Monaten verschärft, sagt Katharina Koßdorff. Zahlreiche Lieferanten beschrieben ihr jüngste Jahresgespräche mit Supermärkten als "grenzüberschreitend, beispiellos brutal und völlig unangebracht in Ton und Verhalten", erzählt sie im Gespräch mit dem STANDARD.

Der Lebensmittelmarkt leide unter einer extremen Schieflage, sagt sie. "Wenn sich drei Teilnehmer 90 Prozent des Geschäfts teilen, haben die Lieferanten das Nachsehen."

Produzenten erlebten die aktuellen Verhandlungen als umso belastender, da sie mit einer historischen Kostenwelle konfrontiert seien. Die Preise für Energie, Verpackung und Logistik seien massiv gestiegen, gibt Koßdorff zu bedenken. Wenn sich die Kosten für die Herstellung nicht mehr abdecken ließen, werde es für viele Unternehmen eng.

Konzerne wie Rewe und Spar haben während der Krise gut verdient. Gastronomen hatten monatelange Sperrstunde. In Ermangelung anderer Einkaufsmöglichkeiten während der Lockdowns blieb den Österreichern nur der Weg in Supermärkte.

"Keine Sonntagsreden"

Der Disput zwischen dem Fleischer Karl Schirnhofer und der Rewe, der dieser Erpressung vorwirft, rüttelt an Marktmechanismen, die mit der Idee der Konsumenten von Nachhaltigkeit wenig zu tun haben.

Otto Gasselich, Vizeobmann des Verbands der Biobauern, nennt die bisherigen Versuche der Politik, unfairem Wettbewerb Einhalt zu gebieten, "Augenauswischerei". Statt weiter Sonntagsreden zu halten, gehöre über radikalere Ansätze nachgedacht, meint er. Einer davon sei, Handelskonzernen ab einer gewissen Größe den Aufbau eigener Produktionskapazitäten zu verwehren.

Will der Handel auch Bauer sein? Vertikale Integration heißt das Zauberwort, mit dem sich dieser mehr Marktmacht und höhere Margen sichert. Da werden riesige Gemüsefelder gepachtet und Fabriken für Brot und Fleisch aus dem Boden gestampft. Finanzinvestoren investieren in neue landwirtschaftliche Betriebe. Job der Bauern an Ort und Stelle ist es, Ausfälle im Stall und auf den Feldern gering zu halten.

Bei Geflügel und Schweinen etwa sei dies längst Praxis, erläutert der Wifo-Experte Franz Sinabell. Mit Almo erfasse diese Entwicklung offenbar nun auch eine starke Marke im Rindergeschäft. Ratschläge will Sinabell den davon betroffenen 500 Bauern keine geben. Dass sie der Handel mit Zuckerln und Premiumpreisen locke, sei klar. Ebenso offensichtlich sei, dass sie riskierten, ihre Marke auf Dauer ganz an den großen Partner zu verlieren.

Unter Beobachtung

Die Causa Schirnhofer stehe unter starker Beobachtung der Wettbewerbshüter, ist er sich sicher. Eingreifen würden diese wohl aber erst dann, wenn auch Konsumenten finanziell zur Ader gelassen würden.

Diskussionen darüber, funktionierenden Wettbewerb durch eine Zerschlagung große Konzerne herzustellen, erlebt man derzeit vor allem bei Google und Amazon.

Werner Habermann, Chef der österreichischen Rinderbörse, arbeitet rund um Biofleisch seit vielen Jahren direkt mit Rewe zusammen. Erpresst habe er sich nie gefühlt, der Konzern habe sich an Vereinbarungen gehalten, betont er. Habermann bietet Landwirten, die zwischen die Fronten der Rewe und Schirnhofer gerieten, Gespräche und die Zusammenarbeit an. "Die Bauern können am wenigsten dafür." Ohne Schirnhofer ließen sich Lösungen finden.

Rewe, die den Vorwurf der Erpressung zurückweist, ließ Schirnhofer eine Unterlassungserklärung zukommen. Unterzeichnet er diese nicht, wird er auf kredit- und rufschädigendes Verhalten geklagt. (Verena Kainrath, 29.1.2022)