Die Vernebelung funktioniert. Das Logo prangt in unverfänglichem Gelb statt verräterischem Rot, die Parteigrößen bleiben dezent im Hintergrund. Wer wissen will, in wessen Geiste hier Meinung gemacht wird, muss bis ganz nach unten scrollen. Selbst manchen Funktionärinnen und Funktionären sei es entgangen, erzählt Chefredakteurin Patricia Huber, "dass wir zur SPÖ gehören".

Vor rund sechs Jahren hat die Klubmitarbeiterin im Parlament das Online-Magazin Kontrast gegründet, um jene "Hegemonie der bürgerlichen Medien zu brechen", die ihr besonders in vielen Kommentaren gegen Vermögensteuern sauer aufgestoßen ist. Natürlich sei Kritik am SPÖ-Personal für die siebenköpfige Redaktion tabu, sagt Huber, "doch bejubeln müssen wir auch niemanden". Ein Argumentarium, mitunter polemisch und zugespitzt, aber faktenbasiert, soll die Nachrichtenseite bieten. Fehlen darf in dieser sozialdemokratischen Gedankenwelt der Widerspruch.

Patricia Huber, "Kontrast": Am Beginn stand Ärger über die vielen Journalisten, die gegen Vermögensteuern anschrieben. Für den SPÖ-Klub gründete Huber ein Medium, das eine "progressive" Perspektive hochhalten soll. Sieben Mitarbeiter sind dabei.
Foto: APA / Hans Punz

Das vom roten Parlamentsklub finanzierte Projekt versucht sich auf einem Feld, das hoffnungslos verödet schien. Schon vor Jahrzehnten hat die unabhängige(re) Konkurrenz die klassischen Parteiblätter verdrängt, doch dann bescherte die Digitalisierung dem Genre eine neue Chance. Online lassen sich Leser weitaus billiger bedienen als auf gedrucktem Papier – und das Motiv dahinter ist ja nie verschwunden, wie der Kommunikationswissenschafter Josef Trappel sagt: "Parteien wollen ihr Publikum direkt erreichen. Ohne den Filter der lästigen Journalisten."

Trendsetter FPÖ

Trendsetter war nicht zufällig die FPÖ. So wie vom rot-schwarzen Proporzsystem fühlt sich die Außenseiterpartei auch von klassischen Medien wie dem ORF seit je her benachteiligt. Außerdem müsse gerade eine rechtspopulistische Partei, fügt Trappel an, die eigene Blase von kritischen Einwänden abschotten. Das vollführen die Blauen schon seit zehn Jahren mit FPÖ-TV, das auf Youtube 176.000 Abonnenten zählt. Dazu kommt eine Reihe weiterer Online-Verbündeter wie Unzensuriert, die den rechten Rand mitunter noch weiter ausreizen als die Parteiführung.

Herbert Kickl, FPÖ-TV: Die Freiheitlichen haben als erste heimische Partei die neue Chance der Online-Medien genützt. Mit ihrem eigene Fernsehkanal versuchen sie den als feindlich empfundenen ORF zu umgehen – mit einigem Publikumserfolg.

Die ÖVP ließ sich mit der Reaktion noch mehr Zeit als die SPÖ. Lange setzte die Kanzlerpartei allein auf die florierenden Social-Media-Accounts von Sebastian Kurz, ehe der Parlamentsklub im Februar 2021 Zur-Sache lancierte. Das Parteilogo springt den Besucher auch hier nicht an, doch der Inhalt liegt näher an konventioneller Agitation als beim roten Rivalen – reichlich Politikerbilder und Bereitschaft zum Parteiengeplänkel inklusive. "Das Kartenhaus der Opposition bricht zusammen", übertitelte die Redaktion etwa einen mit wüsten Spekulationen gespickten Kommentar. Zur Illustration wurde Falter-Chefredakteur Florian Klenk zwischen zwei oppositionelle Abgeordnete montiert.

Parteiverlautbarungen

Anders als die Konkurrentin Huber, die sich mehr als Aktivistin mit publizistischen Mitteln sieht, reklamiert Chefredakteur Claus Reitan – davor in gleicher Funktion bei der Tiroler Tageszeitung, Österreich und Furche – aber "selbstverständlich" journalistischen Charakter. Der Blog biete zwar keinen umfassenden Blickwinkel, sondern jenen des ÖVP-Klubs, Recherche und sachliche Information würden aber auf jeden Fall hochgehalten.

Die Selbstbeschreibung ist selbst in ÖVP-Kreisen nicht vor süffisanten Kommentaren gefeit. Mit dem Charme dröger Parteiverlautbarungen habe Zur Sache "einen patscherten Start" hingelegt, urteilt ein Medienarbeiter der Partei: Das Ziel, Menschen abseits der Kernschichten anzusprechen, werde verfehlt. Immerhin sei aber Besserung zu bemerken.

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Claus Reitan, "Zur Sache":
Mit der Gedankenwelt der ÖVP hat er sich immer schon verbunden gefühlt. Seit dem Vorjahr führt der langjährige Chefredakteur verschiedener Zeitungen die dreiköpfige Redaktion des neuen Blogs des ÖVP-Klubs an. "Einen Beitrag zur Vielfalt im Meinungsaustausch" sieht der 67-Jährige darin: Es gebe die Bringschuld, Sympathisanten mit manchmal zugespitzter, aber im Kern sachlicher Information zu versorgen.
Foto: Getty Images / Steppeua

Die Gründerwelle ist damit längst nicht abgeebbt. Sowohl Grüne als auch Neos basteln an eigenen Online-Medien, beide natürlich mit der Ankündigung, es anders als die anderen machen zu wollen. Die Rede ist von Diskursplattformen für eine Community, die nicht gleich bei einer Partei andocken will.

Ein bedenklicher Boom, wie ORF-Journalist Armin Wolf findet? Schließlich sei das Ziel der von öffentlicher Parteiförderung alimentierten Medien nicht neutrale Aufklärung, sondern "interessengeleitete Propaganda".

Forscher Trappel sieht das entspannter: "Auch Parteien dürfen und sollen sich äußern." Zu wissen, wie etwa die FPÖ ein Problem sehe, sei trotz aller Polemik "für die Meinungsbildung eine sinnvolle Ergänzung". Und die Desinformation? Das halte eine Demokratie aus, zumal die Gegenstimmen ein Korrektiv seien. Wer ins Impressum schaut, wisse ohnedies, woran er oder sie ist.

Keine ideologischen Nullgruppler

Bei anderen Medien, ließe sich anknüpfen, ist das nicht immer der Fall. Auch "echte" Journalisten sind keine ideologischen Nullgruppler, die Nachrichten stets rein sachlich bewerten, manche stehen sogar Parteien nahe. Die Budgets sind auf Inserate angewiesen, und das nicht nur von politischer Seite. Es gibt keine Garantie, dass Begehrlichkeiten der Geldgeber stets standgehalten wird.

Obwohl er persönlich an den wenigsten dieser Produkte Gefallen finde, sei gegen Parteimedien per se nichts einzuwenden, sagt Andy Kaltenbrunner, Geschäftsführer im Medienhaus Wien: "Ich halte ja auch die Kirchenzeitung nicht für bedenklich. Das gehört zur demokratischen Vielfalt dazu." Auch im Dienst von Gesinnungsgemeinschaften könne Journalistisches entstehen, das sei eine Frage der Qualität und nicht des Urhebers. Problematisch werde es dann, wenn Parteimedien von der öffentlichen Hand in irgendeiner Form bevorzugt würden oder "mit der Tarnkappe" unterwegs seien.

Verdacht der Verschleierung

In diesen Geruch ist vor kurzem ein Projekt geraten, das eine Hybridform einnimmt. Das Momentum-Institut ist ein Thinktank mit integriertem Online-Magazin, dessen Gründerin Barbara Blaha mit "unabhängigem Journalismus" wirbt. Doch dann wurde publik, dass Momentum 900.000 Euro von der SPÖ-nahen Arbeiterkammer erhalten hat – ohne Hinweis auf der Homepage.

Der Verdacht der Hidden Agenda hängt auch dem im März gestarteten Exxpress nach, zumindest in der politischen Szene links der Mitte. Das liegt zuallererst am ÖVP-Konnex von Herausgeberin und Mehrheitseigentümerin Eva Schütz. Zu türkis-blauen Zeiten war sie Vize-Kabinettschefin im Finanzministerium und Büroleiterin von Strippenzieher Thomas Schmid. Ihr steinreicher Ehemann, der Investor Alexander Schütz, hat an die Kurz-ÖVP gespendet.

Richard Schmitt, "Exxpress":
Das Boulevardmedium startete im März dank Investoren, darunter nicht zuletzt Herausgeberin Eva Schütz. Derzeit werken 39 Mitarbeiter. Chefredakteur Schmitt war schon selbst Gegenstand von Schlagzeilen: Für Berichte zum Ibiza-Video wurde er strafrechtlich verurteilt – etwa wegen übler Nachrede.
Foto: Christian Fischer

Chefredakteur Richard Schmitt ist hingegen für Verbindungen zu Heinz-Christian Strache berüchtigt. Im Ibiza-Video nahm der damalige FPÖ-Chef den Boulevardschreiber mit ausdrücklichem Lob vom Befund aus, dass Journalisten "die größten Huren auf dem Planeten" seien. Schmitts Karriere bei der Kronen Zeitung war zu Ende, er ging zu Oe24.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Exxpress-Linie stimmig. Kritik an angeblichem Corona-Unsinn spricht blau-affine Leser an, anderes klingt nach ÖVP-Bias. Jüngstes Beispiel ist die Debatte um die Uni-Abschlussarbeiten der Ministerinnen Susanne Raab und Alma Zadić. Wer beide liest, muss zum Schluss kommen, dass jene der ÖVP-Politikerin beanstandungswürdiger ist. Doch während Raab so gut wie nicht vorkam, fährt Exxpress eine regelrechte Kampagne gegen die Grüne.

Vorwurf der Schlagseite

Die Raab-Causa habe er etwas verschlafen, räumt Schmitt ein, hält dem Vorwurf der Schlagseite aber etwa Berichte über die diversen ÖVP-Chats entgegen. Als "mittig-konservativ, wie es einmal die Krone war", beschreibt er die Ausrichtung, doch ohne Berührungsängste gegenüber irgendwem. Er springe halt nur nicht auf jeden vermeintlichen Skandal auf, den Zackzack hochkoche.

Vice versa fällt die Nachrede nicht besser aus. Im krassen Gegensatz zu Exxpress sei Zackzack das Unabhängigste aller Medien, sagt Herausgeber Peter Pilz, zumal es keine Regierungsinserate nehme: "Wer an diesem Tropf hängt, wird süchtig. Den Schlauch lassen wir uns nicht hineinstecken."

Peter Pilz "Zackzack":
Was der im politischen Streit nicht zimperliche Ex-Grüne als Abgeordneter pflegte, führt er medial fort. "Zackzack", das Relikt seiner Liste Jetzt, setzt auf Aufdecken – und erreicht mit mancher Enthüllung Resonanz. 20 Angestellte sind es derzeit, in einem Jahr sollen es 30 sein.
Foto: APA / Helmut Fohringer

Seinen Start verdankt das Projekt allerdings Parteiförderungen. Pilz steckte Geld in seine Vision vom linken Boulevard, das der von ihm ins Parlament gebrachten, mittlerweile verblichenen Liste Jetzt für Bildungsarbeit zustand. Trotzdem hält er die Punze der Parteizeitung für "rufschädigend", denn vom Beginn an sei Eigenständigkeit höchste Prinzip gewesen: Die Berichterstattung orientiere sich allein an Tatsachen – und am Kampf gegen jede Entscheidung, "die Rechtstaatlichkeit und Pressefreiheit gefährdet".

Ob etwa die Art, wie sein Chefredakteur unter dem Hashtag "schnapptshorty" gegen Kurz antwittert, nicht schon eher auf eine Kampagne hindeute? Zackzack stecke nun einmal in einem "Überlebenskampf" gegen große Widersacher, rechtfertigt Pilz.

Massenprogramm oder Nische?

Der Ex-Grüne meint damit die horrenden gerichtlichen Klagen, etwa von der Signa-Holding des Immobilieninvestors René Benko. Was die Kläger unter anderem mit "unwahren" und "rufschädigenden" Berichten begründen, nennt Pilz "Mundtotmachen". Ohne das Damoklesschwert würde Zackzack schon Mitte des Jahres dank immer mehr zahlender Klubmitglieder ausgeglichen bilanzieren können.

Das eint Schmitt und Pilz: Beide künden von rasant steigendem Leserzuspruch. Doch wachsen die Bäume wirklich in den Himmel? Der Journalist Klaus Knittelfelder hat im Zuge eines Stipendiums mithilfe eines Analysetools für soziale Medien nachgeforscht. Seine Conclusio: Die neuen Plattformen überträfen online durchaus traditionelle Konkurrenz. Gemessen an Reaktionen auf den jeweiligen Facebook-Auftritt – Likes, Shares, Comments – liege Kontrast hinter der Zeit im Bild, Krone, Oe24 und dem STANDARD bereits auf Platz fünf. Nach der Kleinen Zeitung und Kurier folgten Exxpress und Zackzack.

Fachleute halten solche Vergleiche für zweifelhaft. Das Wirrwarr der Social-Media-Kennzahlen sei groß – ob und wie stark ein Medium wirklich konsumiert werde, lasse sich kaum verlässlich ablesen. Als "härtere Währung" empfiehlt Trappel den Digital News Report, der auf Umfragen basiert (2000 Befragte). Unter Personen, die zumindest einmal pro Monat Nachrichten nutzen, kommen Zackzack mit 3,9 Prozent und Kontrast mit 3,3 Prozent Reichweite als stärkste "Alternativmedien" in die Regionen von Profil und Falter. Die meisten eingesessenen Konkurrenten liegen aber deutlich besser, so auch DER STANDARD mit 19,9 Prozent.

Trappel rechnet damit, dass das – zumindest bei den eindeutigen Parteimedien – im Prinzip so bleibt. Die Menschen, die in der eigenen Diskussionsblase verharren wollten, bildeten letztlich "eine kleine Nische." (Gerald John, 29.1.2022)