Stimmauszählung im Parlament.

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Sergio Mattarella bleibt Präsident.

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"Ich hatte andere Pläne, aber wenn es erforderlich ist, dann stehe ich bereit", erklärte Staatspräsident Sergio Mattarella bei einem Treffen mit den Fraktionschefs der vereinigten Parlamentskammern vor dem letzten, entscheidenden Wahlgang. Er sei sich klar über die Situation und nehme davon Kenntnis. Die Situation, die Mattarella ansprach, war eine Total-Blockade im Parlament: Auch nach dem 7. Wahlgang hatten die Wahlmänner noch keinen Nachfolger für ihn gefunden, und eine Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten war weit und breit nicht in Sicht. Nach der Einwilligung Mattarellas in eine zweite Amtszeit ist er mit dem Glanzresultat von 760 Stimmen in seinem Amt bestätigt worden. Die erforderliche absolute Mehrheit lag bei 505 Stimmen.

Nach Mattarellas Wahl steht auch praktisch fest, dass die Regierung von Mario Draghi ihre Arbeit wird fortführen können. Falls statt Mattarella Draghi gewählt worden wäre, hätte ein neuer Premier gefunden werden müssen, eventuell auch neue Ministerinnen und Minister und vielleicht sogar einen neue Regierungskoalition. Dieses Szenario ist nun vom Tisch.

Lega-Chef Salvini hatte zunächst angedeutet, dass er nun eine Regierungsumbildung wünsche; am späteren Abend rückte er aber wieder davon ab und sprach nur noch davon, dass eine "Klärung" nötig sei. Für Ex-Premier Enrico Letta, Chef des sozialdemokratischen PD, geht die Regierungskoalition aus Lega, PD, Fünf Sternen und zwei Kleinparteien dagegen "geschlossener" als zuvor aus der Präsidentenwahl hervor.

Keine Einigung

Die Lösung mit der zweiten Amtszeit für Sergio Mattarella hatte sich bereits am Freitagabend abgezeichnet: Es war offensichtlich geworden, dass die Parteiführer nicht willens oder nicht in der Lage waren, sich auf eine Persönlichkeit zu einigen, mit der sich alle einverstanden erklären konnten. Taktische Spielchen, mangelnde Dialogbereitschaft, persönliche Eitelkeiten und Eifersüchteleien und nicht zuletzt auch die erschreckende politische Unbedarftheit einiger Protagonisten – allen voran von Lega-Chef Matteo Salvini, für den die Nachfolgewahl für Mattarella zu einem persönlichen Desaster wurde – hatten die Lage ausweglos erscheinen lassen. Sogar ein Sturz der Regierung und Neuwahlen lagen in der Luft.

Draghi suchte Mattarella auf

Der Erste, der das begriffen hatte, war Regierungschef Mario Draghi: Er begab sich gegen Mittag in den Quirinalspalast, den Amtssitz des Staatspräsidenten, um Mattarella zu bitten, sich für eine Wiederwahl zur Verfügung zu stellen – "dem Wohl und der Stabilität Italiens zuliebe", wie der Premier von den italienischen Medien zitiert wurde.

Die Bitte wird dem Premier nicht leicht gefallen sein, da Draghi zunächst selber Ambitionen auf das höchste Staatsamt gehegt hatte. Er musste aber in den letzten Tagen feststellen, dass er in diesem Parlament der Mittelmäßigen keine Chance hatte. Draghis Autorität ist in diesen Tagen beschädigt worden: Zu viele haben alles daran gesetzt, ihn als Staatsoberhaupt zu verhindern, und am Ende ist er nun der Regierungschef, der Staatspräsident werden wollte, es aber nicht wurde.

Mattarella freute sich auf den Ruhestand

Für den 80-jährigen Sergio Mattarella wiederum bedeutet die zweite Amtszeit ein persönliches Opfer: Er hatte frühzeitig durchblicken lassen, dass er sich auf seinen Ruhestand freue und nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stehe: "Ich bin alt, und in acht Monaten werde ich mich endlich ausruhen können", erklärte der Sizilianer bei einem Besuch einer Primarschulklasse schon im Mai des vergangenen Jahres.

Die Botschaft hatte er danach unzählige Male wiederholt; zum Auftakt der Wahl seines Nachfolgers zog er sich demonstrativ in seine Heimatstadt Palermo zurück und ließ von seinen Mitarbeitern Bilder seines Büros im Quirinal veröffentlichen, das mit Umzugskartons überstellt war. Mattarella befürchtet, dass der Staatspräsident zu einer Art Monarch werden könnte, wenn man in das Amt wiedergewählt werden kann – eine Vorstellung, die dem überzeugten Demokraten zutiefst suspekt ist.

Die italienische Verfassung schließt eine zweite Amtszeit des Staatsoberhaupts nicht aus – und tatsächlich ist Mattarella nun schon der zweite Staatspräsident in Folge, der wiedergewählt wird. Schon sein Vorgänger Giorgio Napolitano musste im Jahr 2013 in den sauren Apfel beißen, weil sich das Parlament schon damals nicht auf einen Nachfolger einigen konnte. Ende 2011 hatte sich Napolitano um das Land verdient gemacht, indem er den damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi zum Rücktritt drängte und damit einen möglichen Staatsbankrott verhinderte. Auch Napolitano – bei seiner Wiederwahl schon 87-jährig! – hatte sich zunächst vehement gegen die Wiederwahl gewehrt und lenkte wie Mattarella erst ein, als er feststellen musste, dass die Blockade im Parlament unüberwindlich war und das Land unregierbar zu werden drohte. Anfang 2015 verließen den greisen Napolitano die Kräfte und er trat vorzeitig zurück. (Dominik Straub aus Rom, 29.1.2022)