Die Rufe nach einer Zinswende wurden vor allem in Deutschland zuletzt immer lauter.

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Die einflussreichste Notenbank der Welt, die US-Zentralbank Fed, hat die Katze vergangene Woche aus dem Sack gelassen: Das Ende der ultralockeren Geldpolitik steht in den kommenden Monaten bevor. Unerwartetes bescherte Notenbank-Chef Jerome Powell den Marktteilnehmern im Großen und Ganzen nicht: Powell hatte die Finanzmärkte seit Herbst auf eine bevorstehende Trendwende in der Geldpolitik eingestimmt. Am Mittwochabend machte er dann klar, dass die Zinsen im März angehoben werden – zum ersten Mal seit vier Jahren.

Diesen Donnerstag wird der EZB-Rat in Frankfurt den weiteren geldpolitischen Kurs abstecken – und steht angesichts der Teuerung ebenfalls gehörig unter Druck. Die Währungshüter sind mit einer Inflation von zuletzt 5,0 Prozent konfrontiert – der höchste Wert seit Beginn der Statistik 1997. Die Inflationsrate liegt mehr als doppelt so hoch wie das Ziel der EZB, die mittelfristig zwei Prozent anpeilt.

Ruf nach Zinswende

Aus der deutschen Wirtschaft wurden die Rufe zuletzt immer lauter, die Zentralbank möge den Pfad der ultralockeren Geldpolitik bald verlassen. "Die EZB muss nun dringend nachziehen, um den Zweitrundeneffekten, insbesondere einer Lohn-Preis-Spirale, entgegenzutreten", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, der Nachrichtenagentur Reuters. "Es ist an der Zeit, die expansive Geldpolitik endlich zu beenden, auch wenn dies perspektivisch zu höheren Zinsen für die Staatshaushalte führt." Jandura ist mit dieser Ansicht nicht alleine. "Die amerikanische Notenbank Fed reagiert angemessen auf das geänderte wirtschaftliche Umfeld", pflichtete der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Christian Ossig, bei. "Im Vergleich dazu verhält sich die EZB aus unserer Sicht zu zögerlich."

Hilfsprogramme

Hierzulande ist von solch expliziter Kritik wenig zu hören. Die EZB hätte eben durch ihre laxe Geldpolitik Menschen und Unternehmen in der Krise unterstützt, erklärte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr dieser Tage in der ZiB 2: "Die Inflation ist ein Teil der Rechnung, und die werden wir jetzt bezahlen." Die Zentralbank werde zu ihrem Kurs wohl erst im Herbst Farbe bekennen müssen, mutmaßte Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek jüngst im ORF-Radio. Sie werde wohl einmal abwarten. Im nächsten Jahr sollte ja laut wiederholt bekundeten EZB-Prognosen die Inflation wieder unter dem Ziel von zwei Prozent sein. Die Zentralbank hält also laut Ansicht Brezinscheks "offiziell vorerst einmal an dem Ziel, an der Meinung einer temporären Inflation fest. Und daher versucht sie, so lange wie möglich durchzutauchen." Das entspricht der Meinung der meisten Fachleute.

EZB-Chefin Christine Lagarde dürfte an der – auch im eigenen Haus umstrittenen – Losung festhalten, dass eine Zinserhöhung 2022 unwahrscheinlich sei. Obwohl die Risiken angesichts drohender Omikron-Verbreitung in China mit weiteren Lieferkettenproblemen wohl gestiegen sind. Nationalbank-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann relativierte in einem Interview mit der Presse vor gut einer Woche den Begriff "temporär": "Wir gehen alle davon aus, dass die Inflation zurückgehen wird. Die Frage ist nur, in welcher Zeitperiode?" Die Inflation könne ein "Berg" oder ein "Hochplateau" sein, man wisse es nicht. Für Holzmann ist nicht ausgeschlossen, dass die ursprüngliche Annahme, dass es Anfang 2022 zu einer Beruhigung kommen und im vierten Quartal einen starken Rückgang geben werde, noch eintrifft. (Reuters, rebu, 31.1.2022)