In der Vergangenheit haben Umweltaktivisten immer wieder Kohleminen, wie hier im Tagebau Schleenhain bei Leipzig, besetzt.

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Viele Jahre lang war es ein lukratives, wenn auch äußerst dreckiges Geschäft für den schwedischen Energiekonzern Vattenfall. Gewaltige Schaufelradbagger gruben tausende Tonnen Braunkohle aus der Erde, zurück ließen sie graubraune Krater und Schneisen in der Landschaft. Dreißig Prozent seines Stroms produzierte Vattenfall mit den fünf Braunkohleminen mit dazugehörigen Kraftwerken in Ostdeutschland. Doch dann brachen vor einigen Jahren die Strompreise ein, und die schwedische Regierung forderte das staatseigene Unternehmen dazu auf, aus der Braunkohle in Ostdeutschland auszusteigen. Der Konzern gab die Kohleminen zum Verkauf frei – und erhielt bald darauf ein Kaufangebot von einer Seite, mit der weder er selbst noch kaum jemand sonst gerechnet hätte.

Der interessierte Käufer der Kohleminen war niemand anderer als die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die Mittel für den Kauf sollten von Spendengeldern, einer Crowdfunding-Kampagne und staatlicher Unterstützung kommen, hieß es vom schwedischen Sitz der Organisation. Nachdem die NGO einen "Letter of Interest" vorgelegt hatte, trat sie in die Kaufverhandlungen mit Vattenfall ein. Aber warum will eine Umweltschutzorganisation, die sich seit Jahren gegen Kohle einsetzt, Kohleminen kaufen?

Abbau stoppen

Die Idee mag paradox klingen, ist aber durchaus überlegt. Durch den Kauf soll die Kohle im Boden verbleiben und verhindert werden, dass der Abbau durch ein anderes Unternehmen weiter ausgeweitet wird, hieß es von Greenpeace Schweden. Sobald die Organisation die Kohleminen übernommen habe, wolle sie den Abbau schrittweise herunterfahren und die Anlage nach einigen Jahren ganz abschalten. Insgesamt 1,2 Milliarden Tonnen an CO2, die weiterhin in den Reserven im Boden schlummern, sollten dadurch eingespart werden.

Denn Braunkohle gehört zu den klimaschädlichsten Energieträgern der Welt, wird aber nach wie vor von vielen Ländern, darunter Deutschland, Polen, Tschechien und China, in großem Stil abgebaut. Um den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, müssen weltweit mehr als 80 Prozent aller bekannten Kohlereserven im Boden verbleiben, heißt es in einer Studie.

Kohleminen aufkaufen

Anstatt Unternehmen weiter nach Kohle graben zu lassen, kauft man ihnen einfach den Boden ab, so der Ansatz von Greenpeace Schweden. Die Idee geht auf den norwegischen Ökonomen Bård Harstad zurück und ist bereits einige Jahre alt. Laut Harstad sollten sich klimabewusste Regierungen und NGOs zusammenschließen, um Kohleminen überall auf der Welt zu kaufen, um die Kohle dann ungenutzt im Boden zu belassen. Dadurch könnten viele der vorhanden Kohlereserven nicht mehr weiter gefördert werden, und bestimmten Staaten und Kohleunternehmen würde es immer schwerer fallen, den Kohleabbau auszuweiten.

Zwar würde das Vorhaben, Kohleminen aufzukaufen, eine gewaltige Summe an Geld kosten. Laut Harstad sind jedoch schon jetzt viele Minen kaum gewinnbringend und werden oftmals billig verkauft, die Industrie verliert weltweit an Rückhalt. Der Verkauf der Vattenfall-Minen vor einigen Jahren sei nur ein Beispiel für diese Entwicklung. Zudem gebe es bereits ähnliche Fälle aus der Vergangenheit, etwa in Südamerika, wo NGOs Grundstücke und Land erworben hätten, um die Umwelt vor Eingriffen durch Konzerne zu schützen, so Harstad.

Einige Hürden

Eine ähnliche Idee hatte auch der US-amerikanische Datenwissenschafter Matt Frost: Klima-Aktivisten, Unternehmen und Investoren sollten sich Kohlereserven und Abbaurechte von Regierungen oder großen Konzernen sichern, um dann die Reserven unberührt im Boden zu lassen. Sobald viele leicht abbaubare Reserven aufgekauft sind, wäre es schwerer, neue Minen anderswo zu eröffnen, so Frosts Vorschlag. Der dadurch steigende Strompreis, der aus dem geringeren Kohleangebot resultiert, soll wiederum andere CO2-ärmere Energiequellen wie Gas oder erneuerbare Energien attraktiver für Energiekonsumenten machen.

In der Praxis ergeben sich für die Herangehensweise laut Experten allerdings eine Reihe von Schwierigkeiten. Einerseits hat der Ansatz wohl nur einen Effekt, sobald er einen großen Teil der vorhanden Kohlereserven betrifft. Einzeln aufgekaufte und stillgelegte Kohleminen ändern wenig an der generellen Energieversorgung. Zudem gibt es einige rechtliche Hürden, wie beispielsweise in den USA, wo ein Nichtabbau der Ressourcen zum Verlust der Nutzungsrechte führen kann. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, was mit den ehemaligen Kohlemitarbeitern und der zerrütteten Landschaft nach der Stilllegung der Minen passieren soll.

Erneuerbare statt Kohle

Allein in Deutschland sind nach wie vor tausende Arbeitsplätze von der Kohleindustrie abhängig – ein Faktor, der vor allem Gebiete im strukturell teils schwächeren Osten lange an Kohle festhalten ließ und der auch beim Verkauf der Vattenfall-Kohleminen eine Rolle spielte. Laut Plänen von Greenpeace Schweden sollte dort – nach erfolgreicher Übernahme – ein Stakeholder-Prozess stattfinden, bei dem die deutsche Bundesregierung, Vattenfall, Gewerkschaften und Gemeinden über eine Umwandlung der Kohleminen zu einem Standort für erneuerbare Energien diskutieren. Gemeinsam mit der Regierung sollte auch ein Umschulungsprogramm für die Kohlemitarbeiter aufgebaut werden. Mehr als zwei Milliarden Euro wollte man mit staatlicher Unterstützung dafür auftreiben.

Letztlich wurde aus den Plänen allerdings nichts. Denn die Vattenfall-Kohleminen und -Kraftwerke gingen an das tschechische Energieunternehmen EPH, das auf steigende Strompreise und einen Weiterbetrieb der Minen über die nächsten Jahrzehnte setzt. Damit dürften jedoch auch die Kosten steigen, die eines Tages für die Renaturierung der Minen fällig werden. Analysten schätzen, dass sich diese auf einige Milliarden Euro belaufen könnten.

Umschulung von Beschäftigten

Gestorben ist der Ansatz, Kohleminen zu kaufen, deshalb aber nicht. Erst vor wenigen Jahren machte das Unternehmen Green Planet Energy, ehemals Greenpeace Energy, das rechtlich und wirtschaftlich jedoch von Greenpeace getrennt ist, dem Energiekonzern RWE das Angebot, mehrere seiner Braunkohleminen und Kraftwerke im Rheinischen Braunkohlerevier stufenweise zu übernehmen und dann bis 2025 stillzulegen. Im Gegenzug würden auf den Tagebauflächen bis 2030 Wind- und Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 8,2 Gigawatt von einer Bürgergenossenschaft installiert werden.

Damit sollten jährlich rund 15 Terrawattstunden Strom produziert – rund ein Viertel von dem, was die Braunkohle derzeit liefert – und 441 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Gemeinsam mit Gemeinden und der Bundesregierung sollten zudem Chancen und Möglichkeiten für die Beschäftigten erarbeitet und RWE von den Kosten für die Renaturierung befreit werden, so der Vorschlag von Green Planet Energy.

Staat nimmt Sache in die Hand

Während einige deutsche Experten den Vorschlag begrüßten, wies RWE diesen als "kaum ernst zu nehmen" zurück. Er sei nicht im Interesse des Unternehmens. Stattdessen sah der Konzern vor, die Kohle noch bis Mitte des Jahrhunderts zu fördern. Auch für die Gemeinden und die deutsche Bundesregierung hätte die Idee große Mehrkosten bedeutet, so RWE.

Ohnehin hat in Deutschland bereits der Staat in einer gemeinsamen Einigung den Kohleausstieg beschlossen. Bis spätestens 2038 sollen dort die letzten Kohlemeiler vom Netz gehen. Gleichzeitig müssen Kohlekonzerne finanzielle Rücklagen bilden, mit denen die Renaturierung der Minen nach dem Ausstieg finanziert werden kann. Der Staat müsse aber in den nächsten Jahren darauf pochen, dass die notwendigen Beträge durch die Kohleunternehmen tatsächlich aufgebracht werden, heißt es von Energieexpertinnen.

Tropfen auf heißem Stein

In anderen Ländern geht der Kauf von Grundstücken oder Abbaurechten rund um Kohlereserven oder anderen Ressourcen indessen weiter. Erst vor einigen Wochen haben etwa Landwirte in Australien mehr als 16.000 Hektar Ackerfläche zurückgekauft, auf der ein chinesischer Minenkonzern mit dem Kohleabbau beginnen wollte. Und auch anderswo versuchen Umweltschutzorganisationen und kleinere Unternehmen, Land zu erwerben, um den weiteren Abbau durch Konzerne zu verhindern.

Ohne staatliche Eingriffe sind die Bemühungen allerdings wohl nicht viel mehr als Tropfen auf dem heißen Stein. Erst wenn Kohlestaaten die Energiewende wirklich ernst nehmen, könnte es laut Experten auch für Kohlekonzerne zunehmend eng werden. Und erst dann könnte es lokalen Bevölkerungsgruppen und Unternehmen vielerorts leichter fallen, ehemaligen Minen einen umwelt- und klimafreundlicheren Nutzen zu geben. (Jakob Pallinger, 7.2.2022)